Widerstand gegen Endlager Schacht Konrad: „Technisch überholt“
Umweltgruppen fordern, dass die Genehmigung für ein Endlager im Schacht Konrad zurückgenommen wird. Aber das Ministerium scheint bereits entschieden.
In Norddeutschland gab es Aktionen unter anderem in Salzgitter, Braunschweig, Gorleben, Göttingen und Lingen. Auch am Bahnhof Kreiensen im Kreis Northeim protestierten rund 20 Atomkraftgegner/innen gegen Schacht Konrad und das geplante Zwischenlager Würgassen im Dreiländereck von Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen.
Viele Atomanlagen in Deutschland seien in den 1980er-Jahren nur genehmigt worden, weil Schacht Konrad damals als „Entsorgungsnachweis“ diente, sagte Silke Westphal von der Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad am Sonntag. „Vierzig Jahre später müssen wir leider erkennen, dass der Schacht schon damals nicht geeignet war, radioaktive Abfälle aufzunehmen und heute erst recht weder dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik noch den geltenden Endlagerbedingungen entspricht.“
Schacht Konrad wurde 2002 vom Land Niedersachsen als nationales Endlager für schwach und mittel radioaktive Abfälle genehmigt. Einen Vergleich mit anderen Standorten gab es nicht. Die Grube soll bis 2027 maximal 303.000 Kubikmeter Atommüll aufnehmen.
Olaf Lies, (SPD) Niedersächsischer Umweltminister
Das Aktionswochenende und die Unterschriftenkampagne sollten den Antrag auf Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses für Schacht Konrad politisch begleiten, den der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und der Naturschutzbund (Nabu) Ende Mai an Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) übergeben haben. Die Verbände begründen diesen Vorstoß unter anderem damit, dass das Lager nicht mehr dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entspreche. Die Unterschriftenlisten sollen am 4. September an Lies überreicht werden.
„Das alte Eisenerzbergwerk ist für die dauerhafte sichere Lagerung radioaktiver Abfälle gänzlich ungeeignet“, sagt der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad, Ludwig Wasmus. Mit jedem Stein, den die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) in Schacht Konrad verbaue, verliere sie ein Stück Glaubwürdigkeit. Lies habe jetzt die Chance, endlich das Richtige zu tun und das Projekt zu beenden.
Der Minister hatte bei Entgegennahme des Antrags betont, der Planfeststellungsbeschluss – also die Baugenehmigung – für das Endlager Konrad sei wirksam. Gleichzeitig sei aber klar, dass sich bei einem viele Jahrzehnte umfassenden Vorhaben wie Schacht Konrad „der Stand von Wissenschaft und Technik weiterentwickelt“.
Der Minister fügte hinzu: „Ich kann noch nicht sagen, was bei der Prüfung am Ende herauskommen wird. Aber ich kann sagen: Wir nehmen das sehr ernst und werden sehr genau prüfen mit Blick auf eventuell weitreichende, rechtliche Konsequenzen.“
Aufhorchen ließ am vergangenen Donnerstag eine Pressemitteilung des Umweltministeriums. Darin wurde der Eindruck erweckt, Lies halte an Schacht Konrad fest, habe sich also bereits gegen den Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses für das umstrittene Endlager entschieden.
Fässer mit schwach radioaktiven Abfällen aus Medizin, Forschung und Technik würden aus der Landessammelstelle Leese (Kreis Nienburg) in den Schacht Konrad gebracht, kündigte Umweltminister Lies laut der Mitteilung an. „Bis spätestens 2030 soll kein Fass mehr in Leese, sondern im künftigen Endlager Konrad stehen.“ Insgesamt 1.484 Behälter, die zuvor in der ehemaligen Landessammelstelle in Steyerberg (Kreis Nienburg) aufbewahrt wurden, sollten in für das Endlager Konrad zugelassene Container verpackt werden.
Ministerium will weiter prüfen
Auf Nachfrage versicherte das Umweltministerium allerdings, dass nach wie vor ein möglicher Widerruf der Genehmigung für Schacht Konrad geprüft werde. Die entsprechenden Äußerungen von Lies von Ende Mai hätten „weiterhin Bestand“, sagte Ministeriumssprecher Matthias Eichler: „Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen.“
Die ehemalige Landessammelstelle für schwach radioaktive Abfälle in Steyerberg war im Jahr 2000 aus Kostengründen aufgelöst worden. Die knapp 1.500 Abfallfässer, einige angerostet oder undicht, wurden in das Lager Leese transportiert.
Das älteste dieser Gebinde stammt vermutlich aus dem Jahr 1981. Weitere 3.400 Fässer in Leese enthalten Rückstände von Braunschweiger Firmen, die mit radioaktiven Stoffen hantieren. Vor einer späteren Endlagerung – offiziell in Schacht Konrad – müssen die Abfälle konditioniert und umverpackt werden. „Einige Fässer mussten bereits als nicht transportfähig zurückgestellt werden“, teilte die Bürgerinitiative Strahlenschutz (BISS) in Leese mit.
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