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Whistleblower Edward Snowden„Ich bin kein Held“

Er sei kein Verräter, verteidigt sich Snowden in einem neuen Interview. Er wirft den USA Cyberattacken auf China vor. Der Geheimdienstchef bleibt uneinsichtig.

Von manchen verfolgt, von anderen unterstützt: Edward Snowden Bild: ap

HONGKONG ap/dpa | Der Informant hinter den Enthüllungen über die geheimen Überwachungsprogramme der USA hat sich wieder aus Hongkong zu Wort gemeldet. Er versuche nicht, sich vor der Justiz zu verstecken, sagte Edward Snowden am Mittwoch einer Zeitung. Damit reagierte der ehemalige CIA-Mitarbeiter offenbar auf das jüngste Rätselraten um seinen Aufenthaltsort.

Snowden hatte am Montagnachmittag (Ortszeit) sein Hotel in Hongkong verlassen und war seither von der Bildfläche verschwunden. Schnell kursierten daraufhin Meldungen, wonach er untergetaucht sei. Das Blatt South China Morning Post berichtete dann allerdings, ihn ausfindig gemacht und am Mittwoch interviewt zu haben. Er sei „weder ein Verräter noch ein Held. Ich bin Amerikaner“, sagte Snowden der Zeitung.

Auf die Frage, warum er Hongkong als Ort seiner Enthüllungen ausgesucht habe, antwortete der 29-jährige Techniker: „Ich bin nicht hier, um mich der Justiz zu entziehen, ich bin hier um Kriminalität aufzudecken“. Er hätte bereits etliche Male aus Hongkong fliehen können, wolle aber „lieber bleiben und gegen die US-Regierung vor Gericht ziehen“, weil er an die Hongkonger Gesetze glaube. Sein Schicksal lege er daher in die Hände der örtlichen Gerichte und des Volkes von Hongkong.

Cyberattacken auf China

Snowden warf den USA in dem Interview zudem Cyberangriffe auf hunderte Ziele in China und Hongkong vor. Die Operationen seien seit 2009 im Gange, sagte er. Der Zeitung zufolge legte er Dokumente vor, deren Echtheit aber nicht überprüft worden sei.

Snowden zufolge hat die NSA weltweit mehr als 61 000 Hacking-Aktionen durchgeführt, darunter hunderte gegen China. Ziele seien unter anderem Universitäten, Unternehmen und öffentliche Funktionsträger gewesen. Die USA ihrerseits werfen China massive Cyberattacken vor, unter anderem, um sich Informationen über militärische Technologien zu verschaffen.

NSA-Chef verteidigt Überwachungsprogramm

Erstmals hat sich jetzt auch NSA-Direktor Keith Alexander zu den Vorwürfen geäußert. Die umstrittenen Überwachungsprogramme des amerikanischen Geheimdienstes haben nach seinen Angaben Dutzende von Anschlägen verhindert. Bei einer Anhörung im Senat am Mittwochabend verteidigte er zugleich die Arbeit seines Dienstes.

Die jüngsten Enthüllungen untergrüben die Fähigkeiten der NSA, die Sicherheit werde gefährdet. Außerdem sprach sich Alexander für umfassende Transparenz im Datenskandal aus. Er wolle der Öffentlichkeit so viele Details wie möglich über die Überwachungsprogramme der NSA präsentieren.

Alexander forderte auch eine bessere Kontrolle von Fremdfirmen. Er sei ernsthaft besorgt, dass ein externes Unternehmen Zugang zu zentralen Bereichen des NSA-Netzwerks gehabt habe, sagte er. Alexander erklärte, man könne derzeit nicht alle Stellen für Computer-Systemadministratoren mit eigenem Personal besetzen. Aber man müsse künftig noch genauer hinsehen, wer solche Posten bekleide.

Kein Antrag auf Auslieferung

Snowden hatte sich am Sonntag als Informant der Zeitungen The Guardian und Washington Post zu erkennen gegeben. Die Blätter hatten von einer millionenfachen Überwachung von Telefonanschlüssen und einer riesigen Datensammlung über Internetkommunikation berichtet. Das Projekt des US-Geheimdiensts NSA trägt den Namen „PRISM“.

Snowden hatte zuletzt für eine Firma gearbeitet, die Aufträge für die NSA übernahm und war so an Geheimnisse gekommen. Zuvor hatte er zeitweise für den Auslandsgeheimdienst CIA gearbeitet.

Snowden muss wegen der Enthüllung geheimer Informationen mit Strafverfolgung in den USA rechnen. Er hatte sich am 20. Mai nach Hongkong abgesetzt. Die autonome chinesische Region hat ein Auslieferungsabkommen mit den Vereinigten Staaten. Allerdings gibt es davon Ausnahmen in Fällen politischer Verfolgung.

Die USA haben noch keinen Antrag auf Auslieferung gestellt. Aus Solidarität mit Snowden haben Anhänger des US-Bürgers einen Protestmarsch organisiert, der am Samstag am US-Konsulat in Hongkong vorbeiziehen soll.

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6 Kommentare

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  • CM
    Catch me

    if this is your kind of freedom i prefer to live in slavery...

  • A
    Andreas

    Und wer immer noch glaubt 9/11 wurde von Osama geplant, der glaubt auch an die Märchen der Gebrüder Grimm. Der Präsident der Vereinigten Staaten, egal wie auch immer er heißt, ist doch nur eine Marionette. Die wirklichen politischen Maßnahmen treffen ganz andere. Der Präsident ist nur der Showmaster, der den Leuten die Geschichten erzählen soll.

     

    Snowden hat sich gegen das System gestellt und alles riskiert. Er hat die Wahrheit ans Tageslicht gebracht. Natürlich will die USA ihn zu Rechenschaft ziehen um andere Whistleblower abzuschrecken. Prism gehört wahrscheinlich noch zu den harmlosesten Machenschaften der USA. Ich wünsche Edward Snowden alles Gute dieser Welt.

  • KS
    Kritische Stimme

    Wie ein Riesenschwindel Die US-Behoerden versuchen seit einiger Zeit die EU-Behoerden zu engagieren in einen Cyberkrieg weil die US attackiert wuerden,so ein neuer CyberColinPowel.Jetzt stellt sich ueber Whistleblower Snowden heraus dass die US selbst an der Basis stehen von vielen CyberAttacken(61.000) weltweit.Was wird da gelacht+gewitzelt ueber die dummen Europaeer a/d anderen Seite der Ozean.So liessen die Europaeer sich auch schon betoeren mit den Sanktionen von vielen Laendern und Kriegen welche nur im Interesse von den USA waren,das Alles hat Europa Hunderte Milliarden von Euro gekostet.Und alle EU-Politiker+Geheimdienste haben daran mitgearbeitet.Vielleicht gab es Einige die das Spiel durchschaut haben,aber mit vielen Millionen von Euro beruhigt wurden.Kein Wunder das es wirtschaftlich so schlecht geht mit unserem Kontinent das mit Sanktionen+Kriegen und schlechten US-Wertpapieren aus 2009 die den ganzen EU-Bankensektor geschwaecht haben.Der Gesamtschaden betraegt ueber 2.000 Milliarden von Euro

  • AC
    Ardaga C. Widor

    Wenn das Recht, auch bzw. vor allem jenes, das wir als natürliches empfinden, im Treibsand zwischen patriotischen Floskeln und Psychospielen mit kollektiver Angst in die Unsichtbarkeit für „Normalmenschen“ verschwindet und in Dunkelhaft „Übergeordneter Interesses“ einer Cliquen-Machjustiz schlittert, sind gemeinsame ethische Grundsätze grosser Gemeinschaften gefordert. Und Handeln von jeder/m Einzelnen/m. Bzw. dem Handeln Form gebende Denksätze. Wie jene Raymond Poincarés: “Die Gerechtigkeit ist nicht untätig. Sie unterwirft sich nicht der Ungerechtigkeit.“ Und Elie Wiesel’s: „Es mag Zeiten geben, da wir gegen Ungerechtigkeiten machtlos sind, aber wir dürfen nie versäumen, dagegen zu protestieren.“

    Ergo denke ich, dass unsere Zeit gekommen ist, jene mit Initiative zu unterstützen, die die Untätigkeit gegen die Entrechtung des Rechts, seine Geiselhaft durch martialische und ökonomische Kleingruppeninteressen, aufdecken und dem Protest Möglichkeit geben.

    Druck muss her. Von unten. Von UNS!

    Auf unsere Momentan-VertreterInnen im Staatsrahmen, in der Legislative. Auf dass ASYLGARANTIE gesetzlich klipp & klar fest geschrieben werde, für jene, die den ersten Schritt für die Befreiung von Wahrheit und des Rechts aller wagen, und dabei ihren Arsch riskieren.

  • NN
    Nicht Neues unter der Sonne

    9/11 oder jetzt „Snowden“ sind die neuzeitlichen Bedrohungen von denen (uns) die NATION, DER FREIEN warnt. Vor annähernd 100 Jahren musste die Versenkung der LUSITANIA für den Kriegseintritt der NATION DER FREIEN herhalten (trotz Warnung der Deutschen)

     

    „ACHTUNG! Reisende, die vorhaben, den Atlantik zu überqueren, werden daran erinnert, dass Deutschland und seine Alliierten und Großbritannien und seine Alliierten sich im Kriegszustand befinden; dass das Kriegsgebiet auch die Gewässer rings um die Britischen Inseln umfasst; dass in Übereinstimmung mit der formellen Bekanntgabe der Kaiserlichen Deutschen Regierung alle Schiffe, die die Flagge Großbritanniens oder eines seiner Verbündeten führen, Gefahr laufen, in diesen Gewässern zerstört zu werden, und dass Reisende, die im Kriegsgebiet auf Schiffen aus Großbritannien oder seiner Verbündeten reisen, dies auf eigene Gefahr tun. KAISERLICHE DEUTSCHE BOTSCHAFT, WASHINGTON D. C., 22. April 1915.“

     

    Oder der einige Jahrzehnte später der Angriff auf Pearl Harbor, von dem immer behauptet wurde, die NATION DER FREIEN wäre unvorbereitet und ahnungslos gewesen – das Gegenteil war der Fall! Die NATION DER FREIEN kannte die japanischen Pläne bis ins Detail. Mal sehen was die kommenden zwölf Monate bringen – ich befürchte nichts Gutes. (siehe Nicolas Boyle).

  • HE
    Holger E. Dunckel

    Wer sich noch in der deutschen Geschichte auskennt, erinnert sich vielleicht an die Aktivitäten der Geschwister Scholl während des NS-Regimes und kann sich sehr genau vorstellen, wie zwar der Wandel vom Papier zum Bildschirm die Verbreitung von Nachrichten verändert hat, die Wertung über deren Inhalt aber auch immer selbst ein Zeugnis über die wahre Verfassung der Bewerter ist. Das Vorhandensein von sozialen Medien evoziert zwar auch Intentionen ihrer Dissoziation, doch zeigt der aktuelle NSA-Skandal, dass suboptimale Ausgangspunkte ebenfalls zu kommunikativen Defiziten führen können. Vom Einzelnen im Jetzt in einen Bereich des Ganzen auf Dauer kann kein Weg führen, der bereits von Unmengen an Material verbaut wurde, das vor Allem ein Potential des Mobbing von JEDER gegen JEDEN beherbergt.

    Kommentar: http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/572048/Cyber-Mobbing