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Wettbewerb der BerlinaleDer Poesie nachlaufen

Alles muss schön aussehen in „Cartas da guerra“. Briefe des portugiesischen Autors António Lobo Antunes aus Afrika an seine große Liebe in Lissabon.

Gleicht einem Abendmahl: Still aus Cartas da Guerra. Foto: Ivo M. Ferreira/Berlinale

Es dauert ein paar Minuten, bis man die Dinge sortiert hat: Die Frauenstimme, die man aus dem Off hört, rezitiert die Briefe eines Mannes. Die Adressatin ist eine Frau, die vom Schreibenden abgöttisch geliebt wird und sein Kind erwartet, aber allein in der Wohnung in Lissabon zurückbleiben muss. Tatsächlich geschrieben hat die Briefe der portugiesische Schriftsteller und Mediziner António Lobo Antunes, der Anfang der 1970er Jahre als Militärarzt in Afrika stationiert war, während der Endphase des antikolonialen Befreiungskampfs Angolas.

Ivo M. Ferreira hat aus diesen Briefen jetzt einen Film gemacht, der den Versuch unternimmt, nicht nur ihren Inhalt, sondern auch ihre poetische Form ins Audiovisuelle zu übersetzen. Was zunächst nur heißt: Alles muss fürchterlich schön aussehen. Scheinwerferlicht bricht sich in aufgewirbeltem Staub, Elefantenrücken glänzen im Flusslauf, das rituelle Fest im afrikanischen Dorf verwandelt sich in ein Schattenspiel. António selbst (hat nicht viel zu tun: Miguel Nunes) starrt mit Vorliebe sehnsuchtsvoll und fotogen ins Nichts.

Die Schrecken des Krieges bringen die alles durchdringende ästhetizistische Melancholie höchstens punktuell aus dem Gleichgewicht. Auch da setzt der Film lieber auf romantisierende Sinnbilder wie das eines nackten Soldaten, der entgeistert im Urwald verschwindet. Auf der Tonspur dominiert die weibliche Off-Stimme, die die Briefe wie in einem intimen Zwiegespräch dem Kinopublikum ins Ohr haucht. Die stärksten Momente des Films sind die, in denen sich Ferreira ganz dem romantischen Furor des liebenden Dichters verschreibt.

In jeder anderen Hinsicht jedoch fehlt es dem Film an Spannung. Nicht nur, weil alle politischen Problemzonen weitläufig umfahren werden – António steht von Anfang an auf der richtigen Seite, und selbst sein uniformierter Vorgesetzter ist eigentlich Pazifist. Sondern vor allem, weil die filmische Form nicht die Auseinandersetzung mit der Sprache sucht, sondern sich damit begnügt, ihr in treuer, wohltemperierter Ergebenheit hinterherzuhecheln.

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