piwik no script img

„Weser Report“ vs. „Weser-Kurier“Kampf der Print-Dinosaurier

Der „Weser Report“ klagt wegen falscher Reichweiten-Zahlen, mit denen der „Weser-Kurier“ Anzeigenkunden gewinnt. Nun geht es um Schadensersatz.

Im Dickicht: Was läuft zwischen „Weser-Kurier“ und „Weser Report“? Foto: Abou Mohamed Osman

Bremen taz | In aller Vertraulichkeit verhandeln die beiden großen Bremer Werbeblätter, Weser Kurier (Bremer Tageszeitungen-AG, BTAG) und Weser Report (WR), um Schadensersatz. Schadensersatz fordert der Weser Report, weil die Marketing-Abteilung der BTAG mit überhöhten Verbreitungszahlen die Werbekunden geködert hat. Das hat das Bremer Verwaltungsgericht vor einem Jahr bestätigt.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Betrugsverdachtes und da geht es um mehrere Jahre. Die Verhandlungen sind schwierig, es geht um eine sechsstellige oder vielleicht sogar siebenstellige Summe. Das sagt aber niemand – zu der Summe ist Stillschweigen vereinbart. Um den beiden Zeitungen Zeit zu geben, hat das Gericht das laufende Verfahren auf den 15. Januar vertagt.

Eigentlich sollte Richter Claas Schmedes den Streit entscheiden, doch der wollte lieber den „Friedensrichter“ spielen. Ende November standen die Oberhäupter der „Familien“ des Weser-Kuriers und des Weser-Reports vor dem Richter. Trotz intensiver Lektüre der Schriftsätze und Vorbereitung auf die Verhandlung könne er nicht sagen, erklärte der, zu welcher Seite in der strittigen Rechtsauffassung er tendiere.

Die Parteien könnten sich einen langwierigen und möglicherweise teuren Prozess sparen, wenn sie sich verständigten, denn, da war er sich ganz sicher, das Verfahren werde kompliziert und „wir sehen uns hier nicht das letzte Mal vor Gericht“. Der Richter mahnte eindrücklich und mehrfach die streitenden Parteien, sich doch zu einigen – unabhängig von der Klärung strittiger Rechtsfragen, für die er zuständig wäre. In dem Verfahren ging es grundsätzlich um die Frage, ob der Weser Report Anspruch auf Schadensersatz für vom Weser Kurier unlauter angeworbene Werbe-Kunden hat. Um die Höhe des Schadens würde es in einem Folgeverfahren gehen.

„Hohe unrichtige Zahlen“

Im Vorfeld dieser Runde hat es in den letzten 18 Monaten zwischen den beiden Zeitungen eine ganze Serie von gerichtlichen Verfahren gegeben. Nicht alle hat der Weser Report gewonnen, aber das entscheidende: Mit Erfolg setzte der Weser Report eine Unterlassungsklage gegen die BTAG durch. Es ging um die Angaben, mit denen sich die BTAG bei Anzeigenkunden bei der Auflage am Sonntag als Platzhirsch darstellt.

In dem Urteil vom August 2018 hat das Landgericht festgestellt, die „hohen unrichtigen Zahlen“ der BTAG seien „geeignet, den Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, … die er anderenfalls in Kenntnis der tatsächlich deutlich niedrigeren Abonnentenzahl nicht vorgenommen hätte“, so heißt es in dem Urteil. Auch sei die Aussage „irreführend“ und „zu unterlassen“, in Bremen werde der Weser Kurier „von fast jedem Zweiten gelesen, das entspricht 227.000 Lesern“. (AZ 12 O 182/18)

In Delmenhorst könnte sich ein neues Streitfeld zwischen den Platzhirschen der Bremer Zeitungs-Landschaft auftun

Ein Jahr danach, am 1.7.2019 hat dasselbe Landgericht in einem Beschluss drei Ordnungsgelder in Höhe von insgesamt 65.000 Euro verhängt. Ausdrücklich rügte das Gericht im dem Beschluss die „Hartnäckigkeit der Werbung mit Zahlen, … die von der tatsächlich verteilten Menge abweichen“ – trotz der Unterlassungserklärung vom August 2018. Es handelte sich um Ordnungsmittelanträge vom 25.09.2018, 05.12.2018 und 18.01.2019. Ein vierter Ordnungsmittelantrag vom 21.01.2019 wurde vom Gericht abgewiesen.

Einzelne Beilagen-Kunden hätten sogar eine Rückvergütung bekommen, heißt es in der aktuellen Klageschrift. Das sei falsch, widerspricht BTAG-Geschäftsführer David Koopmann, allerdings gebe es „Gutschriften“ im Zusammenhang von neuen Jahresverträgen.

Der Weser-Kurier räumt im Grunde nur Missverständnisse ein und bestreitet eine absichtliche Täuschung. Immerhin gibt es aber das Phänomen, dass die erreichten Haushalte am Sonntag – und da findet die wesentliche Konkurrenz mit dem Anzeigenblatt Weser Report statt – in den Mediadaten des Hauses für die Anzeigenkunden für das Jahr 2019 um satte 25.000 niedriger ausfallen als die Angaben für 2018.

Die Bremer Bevölkerungszahlen sind jedenfalls nicht gesunken – und an dramatischen Auflagenverlusten kann es auch nicht liegen – mit einem Anzeigenblatt Kurier der Woche verspricht der Weser Kurier alle zu erreichen, die seine normale Tageszeitung nicht abonniert haben. Der Kurier der Woche war gegründet worden mit dem Ziel, am Sonntag den Titel „reichweitenstärkste Zeitung“ nicht dem Weser Report überlassen zu müssen.

Strafanzeige wegen Betruges

Wenn es um die Frage geht, wie hoch denn der Schaden ist, der dem Weser Report entstanden ist, dann muss nicht nur der Weser Kurier seine Konkurrenz in die Zahlen gucken lassen, mit denen er Werbekunden wirbt. Dann müssten auch die Akten der Kripo herangezogen werden. Denn die ermittelt seit mehr als einem Jahr gegen den Weser Kurier in einem Verfahren, in dem es um den Vorwurf des Betruges durch falsche Zahlen geht.

Und gegenüber den Ermittlern sollen Anzeigenkunden ausgesagt haben, dass die – falschen – Auflagenhöhen für sie wichtig gewesen seien bei ihrer Entscheidung, wo sie werben. Wenn es um ganze Jahres-Werbeaufträge geht, kann die strittige Summe schnell siebenstellig werden.

Vor Jahren war Rolf Pracht für den Weser-Kurier tätig und zeitweise sogar Geschäftsführer des Bremer Anzeigers, der damals zusammen mit dem Weser-Kurier die Konkurrenz des Weser Reports bildete. Ausgerechnet dieser intime Kenner der alten Verhältnisse ist es, der im vergangenen Jahr Strafanzeige gegen den Weser-Kurier gestellt hatte mit Hinweisen darauf, dass die falschen Verbreitungs-Zahlen den Straftatbestand des Betruges erfüllen könnten – vor zehn Jahren wie 2017/2018.

Der frühere Geschäftsführer des Werbekunden „KüchenTreff“ zum Beispiel hat der taz gegenüber bestätigt, dass er vor Jahren schon zwei Gutschriften über insgesamt 70.000 Euro erhalten habe – damals war aufgefallen, dass Ballen mit seinen Werbeprospekten im Altpapier bei der Weser-Kurier-Druckerei lagen. Offenbar hatte er deutlich mehr liefern müssen als verbreitet worden waren.

Geeinigt hatten sich beide Seiten schon vorher darauf, sich über die Angaben zur Reichweite zu verständigen, ohne immer gleich zu Gericht zu laufen. Strittig blieb die Frage, mit welcher Summe der Weser-Kurier den Streit über die Vergangenheit glattstellen würde. Da stünden „beträchtliche Summen im Raum, nicht nur 5.000 Euro“, deutete Richter Schmedes an. Auf dem Gerichtsflur sind beide Parteien sich diesbezüglich offenbar nähergekommen.

Neues Streitfeld in Delmenhorst?

Ein neues Streitfeld zwischen den beiden Platzhirschen der Bremer Print-Landschaft könnte sich indes in Delmenhorst auftun. Das Delmenhorster Druckhaus druckt seit Jahren die „Delme“-Ausgabe des Weser Reports. Nun hat der Weser Report sozusagen aus der Zeitung erfahren, dass das Druckhaus dort auch den Weser-Kurier drucken wird: Man habe einen Zehnjahresvertrag geschlossen, teilte der Weser-Kurier mit.

In Bremen soll die eigene Druckerei mit ihren 80 Festangestellten und 50 Fremdbeschäftigten geschlossen werden. Diese Schließung war seit Langem erwartet worden, da der Weser-Kurier die erforderlichen Investitionen scheute und vor sich herschob.

Das Delmenhorster Druckhaus muss allerdings für den Weser-Kurier eine neue Druckmaschine anschaffen, die das größere Zeitungsformat drucken kann, eine Investition von mehr als 10 Millionen Euro und kein leichtes Thema für den Familienbetrieb des Geschäftsführers Gerd Tapken. In diesem Zusammenhang ist auffällig, dass Tapken wenige Tage vor der Verkündung des Weser-Kurier-Auftrages eine „Zweite Druckhaus-Beteiligungsgesellschaft“ in Delmenhorst gegründet hat.

Bislang bedeutet das nur, dass sich Gerd Tapken an dem Druckhaus von Gerd Tapken beteiligen will. Was das soll, wollte er gegenüber der taz nicht erklären. Sinn würde das nur machen, wenn da ein ungenannter Finanzier der Druckmaschine „einsteigen“ wollte, aber wer sollte für den Weser-Kurier die Druckmaschine finanzieren helfen?

Treuhandverträge über solche Beteiligungen sind streng vertraulich, aber für solche Treuhand-Konstruktionen gibt es Vorbilder. Über Jahre wurden Anteile an dem Nordbremer Anzeigenblatt Das BLV über Treuhänder gehalten, und auch der Bremer Anzeiger, formell und kartellrechtlich unabhängig, wurde über eine Treuhand-Konstruktion geführt: Eine in Berlin studierende Tochter aus der Weser-Kurier-Familie hielt ein großes Anteilspaket, die sich bei Aufsichtsratssitzungen gewöhnlich von den Chefs des Weser-Kuriers vertreten ließ. Falls nun der Weser-Kurier sich hintenherum an der Delme-Druckerei beteiligen würde, wäre das für den Weser Report ein mehr als unfreundlicher Akt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Die taz ist wenigstens ehrlich, wer und wo sie ist. Die Zeitung ohne Bezahlschranke hält sich so tatsächlich unter den bundesweiten Zeitungen. Auch wenn der Springerverlag viel Geld hat, gelingt es nicht die Wirklichkeit zu betrügen. Die verkaufte harte Auflage ohne Gratisexemplare liegt bei der Zeitung Die Welt unter 70.000 und sinkt weiter, für die Bild gibt es angeblich sogar eine Null weniger, wenn man so rechnet.