Werder-Erfolg dank Claudio Pizarro: Der fünfte Stadtmusikant
Claudio Pizarro führt Werder ins Pokal-Halbfinale. Nach anfänglichen Problemen ist der 37-Jährige einer der großen Leistungsträger im Team.
Sechsmal hat er den Titel bereits gewonnen, „darüber habe ich auch in der Halbzeit gesprochen“, erzählte er nach dem Spiel, das Werder Bremen verdient mit 3:1 gewonnen hatte. Und den Plan für den Rest der Partie hat der Routinier auch festgelegt. Das Team müsse „in Ruhe weiterspielen, die Überzahl nutzen und cool bleiben“, lautete seine Forderung. Genauso haben sie es gemacht.
Und der coolste von allen ist dabei Pizarro selbst gewesen. Er glänzte als Nervensäge im Leverkusener Spielaufbau, als permanent präsente Anspielstation für die Kollegen, und er schoss das wichtige Tor zum 2:1 kurz vor der Pause. Bayers Wendell hatte Fin Bartels gefoult und auch noch die rote Karte gesehen – die Schlüsselszene des Spiels. Pizarro schob den Strafstoß souverän ins Tor.
„Auf ihn ist Verlass, seine Präsenz und wie er die Bälle festhält und weiter verteilt, das hat schon Klasse“, sagte Kapitän Clemens Fritz. Längst nicht jeder hat erwartete, dass der 37-Jährige noch einmal so wertvoll wird.
Zum neunten Mal im Endspiel?
In den ersten Wochen nach seiner Rückkehr vom FC Bayern nach Bremen wirkte Pizarro etwas schlapp. Skeptiker meinten, er sei zu alt für die Bundesliga. Nun ist er zu einem Leistungsträger avanciert und kann im Pokal in der Spätphase seiner Karriere sogar noch Historisches bewerkstelligen.
Sollte Werder das Halbfinale gewinnen, könnte Pizarro der erste Spieler werden, der zum neunten Mal im Endspiel von Berlin steht. Sechsmal hat er gewonnen, nur Bastian Schweinsteiger ist mit sieben Titeln noch erfolgreicher. Mit den 30 Treffern, die Pizarro seit Dienstagabend geschossen hat, kann aber selbst Schweinsteiger nicht mithalten. Kein aktiver Spieler erzielte in diesem Wettbewerb mehr Tore.
Werder-Stürmer Claudio Pizarro
Diese Statistiken, die viel mit Pizarros glorreicher Vergangenheit zu tun haben, veredelt er gerade mit einer bemerkenswerten Gegenwart. In den vergangenen sechs Pflichtspielen für die Bremer ist ihm jeweils mindestens ein Tor gelungen. „Ich fühle mich nicht wie 37, ich fühle mich wie Claudio Pizarro“, hat er neulich in einem Interview mit 11 Freunde auf die Frage nach seinem Alter erklärt.
Und genauso gewitzt spielt er auch Fußball. „Claudio ist ein Glücksfall, er übernimmt Verantwortung auf dem Platz, ist aber auch in der Kabine wichtig“, sagte Manager Thomas Eichin nach dem Coup von Leverkusen, der von einer Aura des Rätselhaften umgeben war.
Rucksack von 50 Kilo hintendran
Dass Werder Bremen plötzlich eine beeindruckend stabile Abwehrformation fand und als Tabellensechzehnter der Bundesliga wie ein echtes Spitzenteam auftrat, ließ sich noch mit dem überraschenden 4-1-4-1-System erklären, das bestens funktionierte. Warum allerdings die nach dem 0:0 gegen den FC Bayern hoch gelobten Leverkusener, die den Pokalsieg zu einem wichtigen Saisonziel erklärt hatten, derart lustlos und blutleer spielten, konnte niemand verstehen.
Er habe das Gefühl gehabt, „das kann nicht passieren, weil du einfach so gefestigt bist“, sagte Stürmer Stefan Kießling und berichtete dann von dem „Gefühl, dass jeder einen Rucksack von 50 Kilo hintendran gehabt hat, weil gar nichts zustande gekommen ist“. Seltsam, diese Leverkusener.
Bayer bleibt also weiterhin ohne Titel, während Pizarro im hohen Alter noch die ganz großen Träume lebt. Er will nach Berlin und „zur WM will ich auch noch, das wäre die Krönung meiner Laufbahn“. Derzeit spielt er mit Peru in der Qualifikation, er wäre 40, wenn das Weltturnier 2018 in Russland stattfindet. Aber diesem Fußballer ist das zweifellos zuzutrauen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland