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Werbung beim FußballDie Bigotterie der alten Herren

Tennis Borussia Berlin darf auf seinen Trikots nicht für einen Opferfonds werben. Der Grund: fehlende politische Neutralität. Ernsthaft jetzt?

Will von Politik im Fußball nichts wissen: NOFV-Präsident Herrmann Winkler Foto: Sven Sonntag/imago

D er Nordostdeutsche Fußballverband (NOFV) hat mal wieder einen rausgehauen. Der NOFV, das ist der, der vor einem Jahr Tennis Borussia Berlin verboten hat, mit dem Schriftzug „Black Lives Matter“ aufzulaufen, weil zu politisch. Der über Rufe wie „Zecken, Zigeuner, Juden“ hinwegsah, aber dafür „Nazischweine raus!“ sanktionieren wollte, das war Babelsberg gegen Cottbus 2017. Indessen durfte Babelsberg für „Seebrücke“ werben, das galt ihm als unpolitisch.

Nun hat diese menschenrechtlich hochkompetente Institution Tennis Borussia verboten, Werbung für den Opferfonds Cura der Amadeu Antonio Stiftung zu tragen. Wie üblich: Die Werbung stehe „im Gegensatz zur satzungsgemäßen politischen und konfessionellen Neutralität des Sportverbandes“, so der NOFV in einem Schreiben. „Zudem haben wir Sorge, dass sich eine bestimmte Gruppe von Personen durch die Werbung provoziert fühlen könnte.“

Dass der Verband keine Nazis provozieren will und das auch noch offen so sagt, ist eine Katastrophe. Auf Rückfrage des Münchner Merkurs lavierte der NOFV: „Es können sich Leute provoziert fühlen [..] weil sie linke Gewalt erleben mussten und die Aufmerksamkeit ebenfalls verdient hätten.“ Warum Opfer mit demokratischer Gesinnung sich provoziert fühlen sollen, wenn anderen Gewaltopfern Hilfe zuteil wird, weiß nur der NOFV. Fatal ist aber vor allem die immer noch verbreitete Heuchelei zur politischen Neutralität.

Sportverbände sind nicht unpolitisch. Trikotwerbung ist eh nicht unpolitisch, sie wirbt für Glücksspiel, Energiekonzerne, Volkswagen oder Gazprom. Allein, dass sie das Kaufen bewirbt, ist zutiefst politisch. Solange Verbände das nicht verstehen, blamieren sie sich weiter.

Sie selbst sind, by the way, zutiefst politisch. Präsident des NOFV ist derzeit Ex-CDU-Politiker Herrmann Winkler, auch schon während seiner CDU-Karriere Fußballfunktionär. Chef des Fußballverbands Sachsen-Anhalt ist CDU-Mann Holger Stahlknecht (der, dem die eigene Partei zu viel Nähe zu AfD nachsagte). In seiner Liebe zur Polizei versteht er sich gewiss gut mit dem NOFV-Vizepräsidenten Bernd Schultz, Polizist, der im Berliner Landesverband vielen als Inbegriff konservativer Verkrustung gilt. Ein politisch neutraler Verband alter Herren also.

Tiefschwarz regiert im Fußball schon lange. Es haben schon in den siebziger Jahren die Großen Gerd Müller und Franz Beckenbauer offen für die CSU geworben. Ohne jeden Ärger. Bei Sportverbänden ist das eher so: Politisch wird Werbung, wenn man für die Falschen wirbt.

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Alina Schwermer
freie Autorin
Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum und Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen und übers Reisen. Autorin mehrerer Bücher, zuletzt "Futopia - Ideen für eine bessere Fußballwelt" (2022), das auf der Shortlist zum Fußballbuch des Jahres stand.
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7 Kommentare

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  • Sach mal so:

    Wer da einen Griff dran kriegen will.



    Der muß post WK II einsteigen - ohne die Bedeutung der Nazi-Zeit & zuvor Weimar außenvor zu lassen.



    Dieses post WK II von den Alt-Nazis wie Carl Diem & der bürgerlichen Sportbewegung - befeuert durch den Kalten Krieg - oktroyierte - “Sport hat unpolitisch zu sein!-Verdikt - zwang zunächst schon mal die mitgliedsstarken traditionellen Vereine der Arbeitersportbewegung ihre Namen wie “Eiche Weslohe“ etc in nichtssagende Namen wie TSV etc umzufirmieren. Auf politische Statements wurde sodann in allen dem Deutschen Sportbund DSB zusammengeschlossenen Fachverbänden & Landessportbunden akribisch mit Verboten reagiert.



    Bis hin gerade in den 60ern - daß Vereinsneugründungen wie “Rote Pumpe“ oder “Rote Lokomotive“ Gießen - teilweise nach Prozessen - nichtwahr Herr RA von Falkenstein? - unterbunden wurden.

    kurz - Vergeßt diesen Fußballverband.



    Der Fisch stinkt vom Kopf - hück DOSB! Newahr. Na Si‘cher dat. Dat wüßt ich ever. Da mähtste nix!



    Normal.

  • "Die Bigotterie der alten Herren"

    wußte garnicht, dass sowas altersabhängig ist. Und wieder was gelernt.



    Danke

    • @lulu schlawiner:

      Einfach mal darüber nachdenken wer es beschlossen hat. Dann wird vielleicht ein Schuh drauß…

  • Wer sich durch ein Aktionstrikot für die Opfer rechter Gewalt provoziert fühlt, soweit ich weiß standen da auch die Namen verschiedener Opfer drauf, der hat den Boden der FDGO verlassen. Es ist fatal, wenn sich Verbände nach solchen Leuten richten.

  • Hab von Fussball und dessen Organisation keine wirkliche Ahnung.



    Deshalb blauäugig folgende Vorschläge:



    So ein Verband lässt sich doch sicherlich auch umorganisieren. Ist doch wie ein Verein und dementsprechend gibts da Wahlen für die leitenden Positionen oder sehe ich das falsch?



    Alternativ lässt sich doch auch ein neuer Verband gründen.

    • @Waldo:

      Getreu der Parteilinie gell :)



      Wer Werbung für eine Stiftung macht, die von einem ehemaligen Stasimitglied geleitet wird, hat eigentlich nichts im Fußball verloren

  • Auf dem tiefschwarzen Ticket der CDU offiziell unterwegs; kackbraun im sportpolitischen Verhalten.



    Unappetitlich, wie alles was ( deutsche) Sportfunktinäre treiben.



    Nazisprüche, rassistische Anfeuerungen, Täter-Opfer Umkehr, und und und...



    Es muss jetzt von Seiten der aktiven Sportler und der demokratisch gesinnten Fans diesem Treiben Einhalt geboten werden. Boykott von Sport- Veranstaltungen, einstellen von Beitragszahlungen an Vereine und Verbände. Und die Politik muss verdammt nochmal endlich Gesetze verabschieben, die diesem Treiben ein Ende setzen.



    Ach schön geträumt....