Regionalliga und das Thema Rassismus: Keine Zeit für eine Pause

Ohne Spielbetrieb und Ticket-Erlöse verdienen die Spieler kein Geld. Und bei Tennis Borussia streitet man über Trikots mit politischer Botschaft.

Ein Bad in der Menge nimmt der Torwart Ertugrul Aktas (TeBe, Tennis Borussia) bei den Fans auf diesem Foto vom August 2019

Ein Bad in der Menge (Archivfoto): Torwart Ertugrul Aktas (TeBe, Tennis Borussia) bei den Fans Foto: Imago/Matthias Koch

BERLIN taz | Das Thema Rassismus begleitet den Fußball schon lange – und leider immer wieder erschreckend aktuell. Erst Anfang Dezember wurde ein Champions-League-Spiel zwischen Paris Saint-Germain und Istanbul Başakşehir abgebrochen, nachdem die Spieler beider Mannschaften nach einer rassistischen Äußerung eines der Schiedsrichterassistenten geschlossen den Platz verlassen hatten.

Und auch ein paar Spielklassen darunter, bei dem Berliner Regionalligaaufsteiger Tennis Borussia, ist man sich des Problems bewusst. Immerhin stellen Spieler of color hier wie bei vielen Berliner Vereinen einen Großteil der Mannschaft. Der Verein ist für das politische und soziale Engagement seiner Fanszene bekannt und wollte nun auch selbst ein Zeichen setzen. „Black Lives Matter“ steht daher auf den neuen Trikots – vorerst allerdings nur auf jenen im Fanshop: Die Spieler müssen ohne Statement gegen Rassismus auflaufen.

Die Spieler müssen ohne Anti-Rassismus-Botschaft spielen

Der Nordostdeutsche Fußballverband (NOFV), der für den Spielbetrieb der viertklassigen Regionalliga Nordost zuständig ist, stellte sich nämlich einmal mehr quer. Politische Aussagen haben aus seiner Sicht auf den Trikots von Spielern nichts zu suchen, und die schlichte Feststellung, dass auch schwarze Leben zählen, scheint in den Augen der – allesamt weißen – Verantwortlichen beim NOFV bereits politisch zu sein.

In einer normalen Saison hätte das wahrscheinlich einen mittelschweren Skandal ausgelöst. Aber was ist schon normal in diesem Coronajahr? Seit 1. November ruht der Spielbetrieb aufgrund der Maßnahmen gegen die Pandemie. Bei Tennis Borussia dauert die unfreiwillige Pause bereits seit Mitte Oktober an, weil die Mannschaft nach einem positiven Coronatest zwei Wochen in Quarantäne musste. Wann der Ball wieder rollen wird, weiß momentan niemand.

Neun von zehn Spielern leben vom Fußball

Am Mittwoch vergangener Woche, also genau an dem 16. Dezember, an dem die gesamte Republik in den neuerlichen harten Lockdown ging, trafen sich Vertreter von sechs Vereinen aus der Regionalliga Nordost in einer Videokonferenz, um zu beraten, wie und unter welchen Umständen der Spielbetrieb wieder aufgenommen werden könnte. Das Timing mag etwas unpassend wirken, der Termin stand jedoch bereits fest, bevor sich Bund und Länder auf die neuen Regelungen Coronaregeln geeinigt hatten.

Etat Die Coronapandemie trifft die Vereine unterhalb der Dritten Liga durch die fehlenden Erlöse beim Ticketverkauf besonders hart. Kurzarbeit und Hilfen von Bund und Land, in Berlin etwa durch den Rettungsschirm Sport, entschärfen zwar das Problem. Bei vielen Vereinen klaffen dennoch Lücken in den Etats.

Stopfen Bei Tennis Borussia Berlin zum Beispiel werden unter dem Motto „#10000TeBeFans“ für 19,02 Euro pro Stück Soli-Tickets für den 1902 gegründeten Verein verkauft, über 1.200 Stück bislang. Bei Lokomotive Leipzig hingegen werden „symbolische Bahnschwellen“ verlegt; über 20.000 Euro wurden so bereits eingespielt. Ob derlei Aktionen allein am Ende ausreichen werden, hängt davon ab, wie es mit der Pandemie und dem Spielbetrieb weitergeht. Sicher hingegen ist, dass den Vereinen jeder Euro hilft. (taz)

Ein zentrales Problem, mit dem Vereine und Verband sich konfrontiert sehen, besteht darin, dass zwar annähernd neun von zehn Spielern in der Regionalliga vom Fußball leben, die Liga selbst jedoch bestenfalls semiprofessionell ist. Anders als in den ersten drei Ligen fließen nahezu gar keine TV-Gelder; ein großer Teil der Budgets stammt aus den Erlösen des Ticketverkaufs. Finden Spiele vor leeren Rängen statt, müssen also die Spieler bezahlt werden, Einnahmen hingegen gibt es keine.

„Solche Geisterspiele wären für uns das denkbar schlechteste Szenario“, sagt auch Tobias Schulze, Vorstandsmitglied bei Tennis Borussia. „Ohne Zuschauereinnahmen ist die Regionalliga für uns nur schwer zu stemmen.“ Es geht ihm jedoch nicht nur um den finanziellen Aspekt, denn anders als beispielsweise in der Bundesliga findet das Fan-sein in den unteren Ligen fast ausschließlich vor Ort im Stadion statt. „Wir sehen das Stadion daher auch als wichtigen sozialen Ort und als Treffpunkt.“

Auch beim aktuellen Tabellenführer FC Viktoria Berlin ist man nicht begeistert von der Aussicht auf Spiele vor leeren Rängen. „Die Regionalliga braucht Zuschauer“, sagt Sportdirektor Rocco Teichmann. „Viele Vereine sind sehr auf diese Einnahmen angewiesen.“ Er sagt aber auch, dass man sich auf diese Möglichkeit vorbereiten müsse, weil nun mal die Politik den Rahmen dafür absteckt, ob und unter welchen Bedingungen Fußball gespielt werden kann.

Eine AG für die Regionalen

Teichmann und der FC Viktoria vertreten in der Arbeitsgemeinschaft, die dem Spielausschuss des NOFV zuarbeiten soll, die Interessen der sieben Berliner Vereine in der Regionalliga. Die Gründung der AG ging von Energie Cottbus aus, nachdem Ende November klar geworden war, dass der Spielbetrieb nicht, wie ursprünglich geplant oder wohl eher gehofft, Anfang Dezember wieder aufgenommen worden wäre. Neben dem ehemaligen Bundesligisten gehören ihr je ein Verein aus jedem der fünf in der Liga vertretenen Bundesländer an.

Die wichtigsten Eckpunkte, auf die man sich bislang geeinigt hat: Die Saison soll bis spätestens Ende Juni beendet sein, es soll Auf- und Absteiger geben – vor allem aber ruht, erst einmal geplant bis Ende Januar, der Ball. „Ich denke, dass damit wohl alle Vereine zufrieden sind“, so Teichmann. „Unser Hauptziel muss sein, möglichst viele Spiele auszutragen, um eine sportlich faire Grundlage für den Vergleich der jeweiligen Leistungen zu haben.“

Dafür muss zunächst einmal die Hinrunde abgeschlossen werden. Vorher ist an sportliche Vergleichbarkeit nicht einmal zu denken. Was danach kommt, wird sich zeigen. Sollte die Zeit knapp werden, könnten auch bislang als ausgeschlossen geltende Ideen wie Play-offs oder eine geteilte Auf- und Abstiegsrunde wieder aus der Schublade hervorgeholt werden. Entsprechende Vorschläge sind von einigen Vereinen bereits lanciert worden.

Über derlei Gedankenspiele will man derzeit jedoch weder beim FC Viktoria, noch bei Tennis Borussia ernsthaft nachdenken. Das ist alles noch viel zu weit weg. Momentan sind erst einmal beide Teams in der Winterpause, die Spieler in Kurzarbeit. Am 13. Januar soll die nächste Sitzung der AG stattfinden. Dass es dann einen sicheren Termin für die Fortsetzung des Spielbetriebs geben wird, erscheint derzeit eher unwahrscheinlich.

Sicher hingegen ist, dass Tennis Borussia vorerst darauf verzichten wird, in der Regionalliga mit dem „Black Lives Matter“-Schriftzug aufzulaufen. Viel wichtiger erscheint derzeit, dass überhaupt wieder gespielt wird. Zumindest im Berliner Pokal jedoch, in dem nicht der NOFV, sondern der als deutlich progressiver geltende Berliner Fußballverband das Sagen hat, sollen die Trikots mit dem Schriftzug zum Einsatz kommen. Ein entsprechender Antrag soll Anfang nächsten Jahres gestellt werden.

Wann und wie der Pokalwettbewerb fortgesetzt werden kann, ist bislang jedoch ebenfalls unklar.

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