Werbeslogan „Be Berlin“ hat ausgedient: Berlin FIRST!
Bis Ende des Jahres soll die Hauptstadt einen neuen Slogan bekommen. Na endlich. Die taz-Redaktion macht schon mal Vorschläge fürs neue Motto.
Nicht, dass diese Stadt Marketing jemals nötig gehabt hätte, und dennoch: Seit etwas mehr als zehn Jahren hat Berlin einen Slogan, er heißt „Be Berlin“. Dieser Spruch war nie der Oberknaller, aber richtig schlecht war er nun auch wieder nicht. „Be Berlin“, ja, was sollte man da schon gegen sagen? Berlin, das war vor allem das Versprechen, in dieser Stadt sein zu dürfen – egal, wer man war, ob man überhaupt wer war, und vor allem egal, wie viel Geld man hatte. Berlin ist das, was ihr wollt. Macht euch die Stadt, wie sie euch gefällt. Das war die Botschaft der nuller Jahre. Das passte schon.
Das passt jetzt, in Zeiten von #Mietenwahnsinn und Enteignungs-Volksbegehren, nicht mehr so richtig. Und deshalb ist es nur folgerichtig, dass Berlin noch in diesem Jahr einen neuen Slogan bekommen soll. Die Vorarbeit für dieses heikle Unterfangen ist jetzt getan: Seit April 2018 hatte die Senatskanzlei beinahe ein Jahr lang gemeinsam mit den Marketing-Leuten von Berlin Partner – an die hat der Senat die Hauptstadt-PR outgesourct – Feldforschung betrieben.
Das Ergebnis wurde Anfang der Woche online gestellt. Es heißt „Berlin bleibt anders“, nennt sich „Reisebericht“ und versucht auf 36 Seiten zu einem „Tiefenverständnis“ darüber zu gelangen, was das eigentlich sein könnte, diese „Berliner DNA“.
Berlin. Ganz schön groß.
Bizim Berlin (türkisch: Unser Berlin)
Berlin. Nie fertig. Aber macht Dich fertig.
Berlin. Drumherum nur Brandenburg.
Wegen Überfüllung geschlossen. Berlin.
Dis wo ich herkomm.
Berlin ist keine Flugreise wert.
Dogs of Berlin: Berlin scheißt auf dich.
Burka. Bikini. Berlin.
Berlin ist härta.
Berlin – leider geil!
Berlin – arm aber teuer!
Be dirty - be mean - be Berlin.
Hamwanich!
Alles in der Mitte von nirgendwo.
Weniger Feinstaub als Stuttgart.
Wir können alles außer Flughafen.
Schöner als fliegen.
Nur zwei Stunden bis Hamburg.
Dafür sind die FeldforscherInnen mit echten BerlinerInnen in sechs „Kiezspaziergängen“ um die Häuser gezogen. Es gab Interviews mit „Place-Branding“-Experten („die Fachwelt ist elektrisiert und blickt mit großem Interesse auf die Stadt“). Außerdem wurden 2.300 Menschen in einer repräsentativen Online-Umfrage befragt, was sie eigentlich von ihrer Stadt halten. Rund die Hälfte waren BerlinerInnen, der Rest kam aus dem Bundesgebiet – mit leichter Schlagseite in Richtung neue Bundesländer, „um das für Berlin nähere Umland ausreichend zu repräsentieren“.
Was die Place-Branding-Leute da von den Menschen zu hören bekamen, ist nicht uninteressant. Die vielleicht wichtigste Erkenntnis: „Dem bekannten Ruf nach persönlicher Freiheit und dem Motto ‚Alles geht‘ stellt sich in den Kiezen ein neuer Wunsch entgegen: nach mehr Miteinander, nach Regeln, die beachtet werden“, hält die Studie fest.
Solidarität also. Die solidarische Stadt ist etwas Gutes: Sie macht sich fest an den 35.000 Menschen, die vergangenes Wochenende gemeinsam gegen steigende Mieten protestierten. Sie macht sich daran fest, wie Nachbarschaftsinitiativen zusammenstehen, wenn wieder irgendwo ein Club oder ein Kinderladen rausgentrifiziert werden soll. Die solidarische Stadt ist aber auch die Konsequenz dessen, dass das Überleben in dieser Stadt für den Einzelnen schwieriger wird. Der Wunsch nach „Regeln“ ist die Konsequenz schwindender Freiräume.
In den nächsten Monaten sollen findige Marketingmenschen das „Berlin-Gefühl“ in eine griffige Formel pressen. Und weil die taz-Redaktion bisher nicht gefragt wurde, denken wir umso lieber mit. #habi.be Berlin!
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