Wenn eine Zusage wie ein Rauswurf klingt: Kieler Kommunikationsdesaster
Das Kieler Innenministerium wollte neu ausgebildeten Polizist*innen mitteilen, dass sich ihr Job-Einstieg verschiebt. Die Briefe verstand niemand.

„Wir müssen Ihnen leider mitteilen“ – trotz aller Klagen über sinkende Lesekompetenz dürften die meisten Menschen diesen Satz klar verstehen: So beginnt eine schlechte Nachricht. Aber was sonst überall gilt, gilt noch nicht in Schleswig-Holstein: Mit diesem „leider“ beginnt ein Brief des Kieler Innenministeriums, in dem Anwärter*innen für den Polizeidienst die verbindliche Zusagen für eine Dienststelle erhalten. Äh, geht’s noch?
Zur Ehrenrettung des Ministeriums sei gesagt: Die Sache ist nicht ganz einfach. Weil in den vergangenen Jahren rund 20 Prozent der angehenden Polizist*innen die Ausbildung abbrachen, stellte das Land dieses Mal mehr Anwärter*innen ein. Von denen traten zwar 58 erst gar nicht in der Polizeischule Eutin an, aber der Rest des 2023er-Jahrgangs ist gut. Mehr Kandidat*innen als erwartet erreichten den Mindest-Notenschnitt, viele waren deutlich besser.
Aufgrund des Fachkräftemangels will das Land nun gern alle halten – kann nur nicht alle sofort einstellen, schließlich muss es ja freie Spinde, Schreibtische und Dienstwagen für die Neuen geben. Also: Ja, es gibt Jobs, aber halt erst in einigen Monaten.
Blöderweise erklärt das Land das nicht so, dass die Betroffenen es kapieren. Einen Brief, den das Innenministerium im Juli an Anwärter*innen schickte, verstanden viele so, als rate das Land ihnen davon ab, bei der Polizei anzufangen: Sie könnten doch nach der Ausbildung einfach ein Jahr Pause machen, hieß es dort sinngemäß.
Wie sie die Leerlaufphase finanzieren, was sie in der Zeit anfangen könnten, dazu gab es keinen Vorschlag. Die Gefahr, dass die frisch ausgebildeten Kräfte in andere Bundesländer abwandern, war daher groß. Nach Protesten musste Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) dann zugeben, dass das „unglücklich“ sei.
Die Opposition freut sich
Auf die Kommunikationspanne im Juli setzt das Ministerium noch einen drauf, den „leider“-Brief, der sich an Anwärter*innen für den mittleren und höheren Dienst richtet. Das Problem: Ihnen war zugesagt worden, dass sie im Februar anfangen könnten. Nun wurden sie auf August 2024 vertröstet – und das Ganze ist so schräg formuliert, dass die meisten wohl mehrfach lesen mussten, um zu begreifen, dass sie keine Ab-, sondern eine Zusage erhalten haben. Wieder gab es keinen Vorschlag, wie sie die Zwischenzeit überbrücken sollten.
Dieses Mal entschuldigte sich Staatssekretärin Magdalena Finke im Innen- und Rechtsausschuss des Landtags: Die Schreiben seien „sehr unglücklich“. Beim nächsten in den Sand gesetzten Brief dürfte wieder die Ministerin dran sein. Formulierungsvorschlag: Sie könnte die Aktion „richtig, richtig doll unglücklich“ nennen.
Dass Behörden sich schwer tun in der Kommunikation mit dem Volk, ist altbekannt. Aber ein Schreiben, mit dem ein Ministerium junge Fachkräfte an sich binden will, klingen zu lassen wie einen Rauswurf, dürfte einmalig sein.
Immerhin freut sich die Opposition über die Chance, den missglückten Behördensprech zu kritisierten: „Enttäuschend“ und „schräg“ nennt Niclas Dürbrook (SPD) den Vorgang. Die Gewerkschaft der Polizei beklagt, die Debatten hätten zu Verunsicherungen geführt, und fordert, das Land möge die Anwärter*innen nun rasch einstellen. Und möglichst so, dass die Betreffenden es auch verstehen.
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