Weniger Zucker, Salz und Fett im Essen: Nur wenn die Industrie es will
Keine verbindlichen Vorgaben: Für weniger Zucker und Salz in Lebensmitteln setzt Julia Klöckner (CDU) auf freiwillige Vereinbarungen.
Doch staatliche Vorgaben zur Reduzierung dieser Inhaltsstoffe, die von Ärzten gefordert und in anderen Ländern bereits umgesetzt wurden, soll es in Deutschland nicht geben. Landwirtschafts- und Ernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) setzt stattdessen auf freiwillige Vereinbarungen mit der Industrie. Damit ließen sich „viel ambitioniertere Ziele erreichen“, sagte sie am Mittwoch in Berlin.
Im Mittelpunkt stehen zunächst Lebensmittel, die speziell für Kinder gedacht und oft besonders ungesund sind. „Cerealien für Kinder enthalten 20 Prozent mehr Zucker als vergleichbare Produkte für Erwachsene“, sagte Klöckner. Nun hätten die Hersteller angekündigt, den Zuckergehalt dieser Produkte bis zum Jahr 2025 um 20 Prozent zu senken. In Erfrischungsgetränken für Kinder soll der Zuckergehalt bis dahin um 15 Prozent sinken, in Kinderjoghurts um 10 Prozent. „Außerdem wurde eine Vereinbarung mit dem Bäckerhandwerk zur Reduktion von Salzspitzen in Brot und eine Selbstverpflichtung zur Salzreduktion in Fertigpizzen getroffen“, erklärte Klöckner.
Schriftliche Vereinbarungen zu den konkreten Reduzierungen liegen allerdings noch nicht vor, räumte das Ministerium ein. Das Deutsche Tiefkühlinstitut kündigte am Mittwoch in einer Erklärung an, man strebe bis 2025 einen durchschnittlichen Salzgehalt von 1,25 Gramm pro 100 Gramm Tiefkühlpizza an. Was das bedeutet, bleibt aber unklar – wie hoch der Salzgehalt aktuell ist, konnte der Verband auf Anfrage nicht sagen.
Der Dachverband der Deutschen Lebensmittelwirtschaft BLL lehnt selbst die zurückhaltenden Pläne der Regierung ab. „Die vorgelegte Strategie enthält zu weitreichende Forderungen und Ambitionen“, teilte der Verband mit. Dass der Staat sich überhaupt in die Zusammensetzung der Lebensmittel einmischt, sieht BLL-Hauptgeschäftsführer Christoph Minhoff kritisch. „Unser Maßstab bleiben ganz klar die Kunden, die in einer freien und sozialen Marktwirtschaft das Sortiment nach ihrer eigenen Entscheidung und geschmacklichen Vorlieben bestimmen“, erklärte er. Für Klöckner, die die Forderung nach staatlichen Vorgaben abgewehrt hat, findet die Lebensmittelindustrie dagegen höchstes Lob: Sie habe sich „von Beginn an als faire und konstruktive Taktgeberin gezeigt“, so Minhoff.
Völlig gegenteilig fällt erwartungsgemäß das Urteil des Verbraucherverbands Foodwatch aus. „Jetzt ist es amtlich: Diese Ministerin ist gesundheitsgefährdend“, sagte Geschäftsführer Martin Rücker. „Frau Klöckner nimmt grassierendes Übergewicht, Diabeteserkrankungen und frühzeitige Todesfälle billigend in Kauf.“
Keine Zuckersteuer
Statt freiwilliger Selbstverpflichtungen der Industrie fordert Foodwatch eine „Lebensmittelampel“, die vor überhöhtem Zucker-, Salz- und Fettgehalt warnt, Beschränkungen für an Kinder gerichtete Werbung und eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke, die unter anderem in Großbritannien erfolgreich eingeführt wurde.
Eine solche Steuer lehnt das Agrarministerium aber explizit ab – mit der Begründung, dass deren „langfristige Effekte bisher nicht geklärt“ seien. Zudem sinke bei einer Steuer der Zuckergehalt „nur minimalst unter die Schwelle“, ab der die Steuer greife, sagte Ministerin Klöckner – und kündigte an: „Wir wollen viel ambitioniertere Ziele erreichen.“ Das verwundert insofern, als in Großbritannien durch die Steuer der Zuckergehalt etwa von Fanta und Sprite um ein Drittel sank. In Deutschland liegt das freiwillige Ziel für Kinderlimonaden bei 15 Prozent.
Und was passiert, wenn die Hersteller ihre Zusage nicht einhalten? „Das ist mir zu pessimistisch“, antwortete Klöckner. Die Fortschritte würden aber in einem Monitoringprozess regelmäßig überprüft.
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