piwik no script img

Weniger Umweltregeln bei AgrarsubventionDeutschland sagt wohl nicht Nein

Die Regierung wird sich wahrscheinlich bei der EU-Abstimmung über den Stopp der „Pflichtbrache“ für Bauern enthalten. Damit rechnet Minister Özdemir.

Dauergrünland ist Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten und speichert eine Menge Treibhausgas Foto: IMAGO

Berlin taz | Deutschland wird im Rat der EU-Staaten laut Landwirtschaftsminister Cem Özdemir wohl nicht gegen die Abschaffung wichtiger Umweltregeln für Agrarsubventionen stimmen. Die letzten zwei Jahre sei „nicht immer alles harmonisch“ in der Ampelregierung gewesen, „so dass ich mir vorstellen könnte, dass wir unterschiedliche Vorstellungen in dieser Frage haben“, sagte der Grünen-Politiker beim tazlab am Samstag in Berlin. Wenn ein Koalitionspartner auf EU-Ebene in solchen Situationen nicht mitmache, „dann gibt es die berühmte kraftvolle Enthaltung Deutschlands.“

Die EU-Staaten müssen demnächst darüber entscheiden, ob Empfänger der wichtigsten Agrarsubventionen, der Direktzahlungen, jetzt doch nicht mindestens 4 Prozent ihrer Ackerfläche etwa für Brachen und „Landschaftselemente“ wie Hecken oder Baumreihen reservieren müssen. Das Europäische Parlament hat bereits sein Okay gegeben und damit auch auf die Bauernproteste der vergangenen Monate reagiert.

Dabei war die „Pflichtbrache“ für Naturschützer einer der wenigen Fortschritte bei der vergangenen Reform der EU-Agrarsubventionen, die pro Jahr rund 55 Milliarden Euro und etwa in Deutschland die Hälfte des Einkommens des Durchschnittshofs betragen. Der Naturschutzbund beispielsweise fordert, dass die Bundesregierung gegen die Aufhebung der Pflichtbrache stimmt. Denn die Landwirtschaft trägt maßgeblich dazu bei, dass immer mehr Pflanzen- und Tierarten aussterben.

Özdemir verteidigte die voraussichtliche Enthaltung der Regierung auch damit, dass die anderen 26 EU-Länder zustimmen würden. Wenn er sich enthalte oder mit Nein votiere, ändere das nichts. Umweltschützer argumentieren dagegen, dass sich an Deutschland andere EU-Staaten orientierten und so möglicherweise doch eine Sperrminorität zustande käme. Die FDP hatte jedoch bereits im Februar „den generellen Verzicht auf die Flächenstilllegung“ gefordert.

Mehr Geld für Ökoregelungen statt für Direktzahlungen

Özdemir will die Debatte aber nun nutzen, um mit mehr EU-Agrarsubventionen Leistungen von Bauern für die Umwelt zu honorieren. „Ich nehme einen bestimmten Teil der Direktzahlungen, und das mache ich zum Beispiel in den Dauergrünlandprämien. … oder ich mache Biotopvernetzung“, sagte der Minister. So könnten Landwirte „attraktive Öko-Prämien“ dafür bekommen, dass sie die Artenvielfalt fördern. Özdemir räumte ein, dass die Prämien für neue Ökoregelungen erst einige Zeit nach dem Wegfall der Pflichtbrache kommen würden.

Die Direktzahlungen werden vor allem pro Fläche ausgeschüttet, weitgehend egal, wie umweltfreundlich darauf gewirtschaftet wird. Über die genaue Verteilung entscheidet jeder Mitgliedstaat im Rahmen der EU-Verordnungen für sich. Dauergrünland wie Acker und Weiden bietet Lebensraum für besonders zahlreiche Pflanzen- sowie Tierarten und speichert viel Treibhausgas. Diskutiert wird zum Beispiel, dass Bauern extra Geld erhalten, wenn sie Grünland höchstens zwei mal pro Jahr mähen.

Die Landwirtschaft verursacht inklusive der Emissionen aus Böden und Maschinen laut Umweltbundesamt 13 Prozent der deutschen Treib­hausgase.

Sebastian Lakner, Agrarökonom der Universität Rostock, begrüßte, dass der Minister mehr Direktzahlungsgeld für Öko-Regelungen nutzen will: „Das ist eine Empfehlung der Wissenschaft, aus der Özdemir jetzt relativ spät Konsequenzen zieht.“ Aber es bleibe abzuwarten, ob die neuen Prämien genauso stark der Artenvielfalt dienen werden, wie es die Pflichtbrache getan hätte. „Es kommt darauf an, dass die Anforderungen der einzelnen Öko-Regelungen hoch genug sind, um einen ökologischen Mehrwert zu erzielen“, sagte Lakner der taz.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

19 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • "Özdemir räumte ein, dass die Prämien für neue Ökoregelungen erst einige Zeit nach dem Wegfall der Pflichtbrache kommen würden."

    Ist für die Grünen wohl nicht so wichtig.



    Landwirtschaftspolitik und Naturschutzpolitik in DE darf halt nichts kosten. Der Kauf von Gas hat wohl Vorrang.

    Özdemir ist ein schlechter Landwirtschaftsminister. Von ihm hört man immer nur, wo er gefailt hat. Frau Klöckner hat die Umwelt-Themen besser besetzt.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    In den USA führt Bayer/Monsanto Prozesse, in denen es um Mrd. $ Schadenersatz geht.



    In DE wird z.B. Parkinson bei Landwirt*innen zukünftig als Berufskrankheit anerkannt. Verursacher könnte Glyphosat sein. Es zahlt demnächst die Berufsgenossenschaft. So geht das.

  • Kann es sein, dass es eher darum geht, Widerstand gegen die dringend benötigten Handelsabkommen der EU, CETA und den Vertrag mit Mercosur, abzubauen? Die vollen, innerhalb der EU geltenden, Umweltstandardswaren insb. ggü. Mercosur nicht durchzusetzen. Und die EU Landwirte sind die sog. "Inländerbenachteiligung" satt. Schade, dass die EU die Chance, die in der Auseinandersetzung steckte, nicht genutzt hat, ihre Subventionspolitik grundlegend zu ändern. Man hätte doch z. B. die Standards auf Drittstaatenniveau absenken können, wie jetzt, um die "Inländerbenachteiligung" zu beenden, aber dafür den Löwenanteil der Subventionen, statt siemit der Giesskanne auszuteilen, an die ökologische Qualität und höhere Standards der Produktion knüpfen können. Wer freiwillig mehr macht, als das Minimum, kriegt das Geld. Wer nur das Minimum einhält, hat ja schon Wettbewerbsvorteile, weil er billiger produziert. Wer hochwertiger und umweltverträglicher produziert, kann trotz Subventionen etwas mehr nehmen, weil viele, wenn schon nicht alle, Kunden die Qualität zu schätzen wissen. Dann könnte man die Mitgliedstaaten noch verpflichten, ihre nationalen Subventionen im Agrarbereich komplementär zu den EU Subventionen auszurichten. Was unsere Agrardieselsubvention z. B. endlich endgültig ad acta legen würde. Oder ist so was schon vorgesehen?

  • In einer Welt, in der das 1,5°- Ziel bereits gerissen ist, in der die Auswirkungen des Nichtstuns gegen den Klimawandel auch in Europa immer schlimmer werden, von nie dagewesenen Waldbränden in Griechenland zu extremer Dürre in Spanien, da muss man froh sein, wenn das "German vote" nicht gegen Umweltschutz ist, sondern wenigstens Enthaltung ist.



    Gleichzeitig gibt es in Deutschland immer mehr Angriffe auf die Grünen, jetzt erst wieder in Sachsen wurden Grüne beim Kleben von Wahlplakaten. Was denken sich eigentlich Menschen, die so etwas tun?

    • @Heinz Kuntze:

      Die denken gar nichts. Die lassen sich nur aufhetzen von all denen, die den Klimaschutz als Spinnerei betrachten. Da sind schillernde Namen bei: CDSUAFDP z.B. ist einer davon.

  • 4G
    48798 (Profil gelöscht)

    Beim Lieferkettengesetz stimmte Deutschland mit Nein. So wie die FDP das wollte.



    Beim Glyphosat und dem GreenDeal enthält sich das grüne Ministerium auf.



    So wie Grüne und FDP das wollen.

    • @48798 (Profil gelöscht):

      Die Grünen würden glaub lieber dagegen stimmen, aber die Koalition wird nun einmal von der FDP geführt.

      Kanzler Lindner hat ein Machtwort gesprochen und so ist nur noch max. eine Enthaltung drin.

  • Es ist einfach zum Kotzen.



    Die fdp bekommt immer was sie will.



    Die anderen müssen leiden.



    Politiker knicken vor dem ein, der am lautesten schreit.



    Wie hat die spd im EU Parlament dazu abgestimmt?

    Die fdp behauptet, sie sei die Partei für Marktwirtschaft, aber stimmt für Agrarsubventionen, fossile Subventionen, Sozialismus für Reiche (steuerfrei), Ständekapitalismus für Arme und Normale.



    Wir leben im Mittelalter und die oberen 10.000 haben die Macht.



    Wir zahlen Steuern und unser Wählerwille zählt einen Dreck.

    • @So,so:

      Wieso? Der Wählerwille war, dass die FDP in den Bundestag zieht. Und die gewählten SPD und Grüne haben entschieden, dass sie gemeinsam mit der FDP eine Koalition bilden. Wo wurde hier der Wählerwille ignoriert?



      Und wenn SPD und Grüne regelmäßig von der FDP vorführen lassen, hat der Wähler das wohl auch so gewollt.

    • @So,so:

      Tscha, sie lernen es einfach nicht, sie bewundern Schlösser und Kirchen ohne Berücksichtigung der Umstände, wie sie entstanden sind. Bis Luxusyachten, Privatjets, Nobelvillen und Gehhilfen zu sechsstelligen Preisen wirklich kritisch betrachtet werden, wird wohl noch einige Zeit vergehen.



      Man lässt dem größten Teil des Fußvolks immerhin noch sein jährliches Besäufnis auf Malle oder die Schlacht am Junkfoodbuffet auf der Aida, das scheint ihm zu reichen.

  • Sehr interessanter Artikel.

    Es wäre dennoch sehr Sinnvoll wenn sich Deutschland mehr positionieren würde und nicht immer nur in der Luft mitschwimmt

  • Die EU muss den Landwirten nur eine annehmbare höher Entschädigung in Höhe des Unsatzes für die Brachen zahlen, dann werden dafür genügend Fläche stillgelegt. Das sollte der Gesellschaft der Umweltschutz wert sein.



    Warum sollte nur die Landwirtschaft die Kosten dafür tragen? Ich gehe mal davon aus, daß jeder Arbeitnehmer auch protestieren würde, wenn ihnen 4 % des Einkommens gestrichen werden soll.

    • @Martin17:

      Man kann das aber auch umdrehen: Jeder andere müsste auch für verursachte Schäden (hier in Form von Umweltschäden) bezahlen. Auf Subventionen zu bestehen, und sich jeglichem ökologischen Fortschritt zu verweigern, ist schon steil.

      • @Axel Donning:

        In Deutschland zahlt fast niemand für Umweltschäden. Oder meinen sie, dass die Autobauer, Energieproduzenten, Chemiefabriken, Stahlproduzenten und Zementhersteller für die durch sie verursachten Klimaschäden Entschädigung z.B. an die Landwirtschaft zahlen?

      • @Axel Donning:

        Die Verbraucher wollen aber nicht die dafür nötigen höheren Lebensmittelpreise tragen. Das entscheiden sie an der Ladenkasse.

  • In Deutschland ist einfach kein Umweltschutz möglich wenn er kostet.. ist es nicht beschämend das andere Länder zustimmen obwohl sie sicher weniger Wirtschaftskraft besitzen?

    • @elma:

      Ja, das ist eindeutig beschämend. Ich schäme mich dafür, dass mein Land nicht in der Lage ist, auch nur die fundamental wichtigen Dinge zu tun, die zum Schutz von Artenvielfalt, Natur und Umwelt nötig wären.

    • @elma:

      "Dem Unersättlichen in jeglichem Genuss

      wird selbst das Glück zum Überfluss."

      Ludwig Bechstein

  • Ich finde das zum einen niederschmetternd und zugleich auf eine Art ermutigend.

    Protest kann Wirkung auf die Regierenden haben und somit zur Gestaltung beitragen. In diesen speziellen Thema bin ich nicht begeistert aber respektiere zugleich die Landwirte für ihre wirksame Lobbyarbeit.