Weniger Überhangmandate: SPD will Bundestag schrumpfen
Lange war jegliche Wahlrechtsreform blockiert. Jetzt bringt SPD-Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider Bewegung in die verfahrene Lage.
Über die Maximalzahl hinausgehende Überhangmandate sollen nach dem Willen des SPDlers nicht mehr zugeteilt werden. Dies sei verfassungsrechtlich zulässig. Überhangmandate und der dann nötige Ausgleich für andere Fraktionen sind der Grund, warum der Bundestag stetig wächst. Laut Wahlgesetz sollten nur 598 Abgeordnete im Parlament sitzen. 299 werden in den 299 Wahlkreisen direkt gewählt, die anderen ziehen über die Landeslisten der Parteien ein.
Das Problem ist, dass CDU, CSU und SPD seit Jahren niedrigere Wahlergebnisse erzielen, aber weiterhin viele Direktmandate erringen. Die Zahl der Überhang- und Ausgleichsmandate steigt deshalb – und lässt den Bundestag wachsen. Im Moment sitzen 709 Abgeordnete im Parlament.
Die Wahlkreise blieben bei dem SPD-Vorschlag so, wie sie jetzt sind. Dieser soll nur ein Provisorium sein. Schneider sprach von einem „Brückenmechanismus für die nächste Bundestagswahl“. Danach soll eine Kommission aus WissenschaftlerInnen, PolitikerInnen und BürgerInnen eine langfristige Lösung entwickeln. Das Provisorium würde bedeuten, dass nicht mehr jeder siegreiche Direktkandidat im Bundestag vertreten wäre. Diejenigen mit den schlechtesten Erststimmenergebnissen könnten leer ausgehen.
Bewegung in festgefahrener Lage
Die Fraktionen streiten seit Jahren über eine Wahlrechtsreform. Mit ihrem Vorschlag setzt die SPD die Union unter Druck. Sie hat sich bisher nicht auf eine Variante festgelegt. Mit der Union sei intern verhandelt, aber keine Einigung erzielt worden, sagte Schneider. Linkspartei, FDP und Grüne werben als Opposition gemeinsam für ein anderes Modell. Es sieht vor, die Zahl der Wahlkreise auf 250 zu verringern, was auch die Zahl der Direktmandate reduzieren würde. Außerdem soll die reguläre Sitzzahl im Bundestag auf 630 erhöht werden. Der Nachteil dieses Modells: Die Zahl der Sitze kann trotzdem weiter steigen, weil ein fixer Deckel fehlt.
Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann begrüßte den Vorschlag der SPD: „Es ist gut, wenn nun endlich auch die SPD versucht, etwas Bewegung in die festgefahrene Lage innerhalb der Koalition zu bringen.“ Die Grünen seien bereit, alle Vorschläge auf Grundlage des personalisierten Verhältniswahlrechts ernsthaft zu diskutieren, betonte Haßelmann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland