Weltweite Klimaschutzbemühungen: „Zu wenig“
Drei Berichte zum Start der Weltklimakonferenz COP 27 haben eines gemeinsam: In ihrer Überschrift findet sich das Wort „Gap“ – englisch für „Lücke“.
Die globalen Bemühungen in der Anpassungsplanung, -finanzierung und -umsetzung halten nicht mit den wachsenden Risiken Schritt: „Der Finanzbedarf in den Entwicklungsländern wird allein für die Anpassung bis 2030 auf bis zu 340 Milliarden US-Dollar pro Jahr explodieren“, erklärte UN-Generalsekretär António Guterres. Die Industrieländer hätten bis Mitte des Jahrhunderts aber lediglich eine Verdopplung auf 40 Milliarden US-Dollar zugesagt.
Zur Geschichte: Auf der Klimakonferenz in Kopenhagen hatte sich der globale Norden verpflichtet, ab dem Jahr 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar in den Süden zu transferieren. Das soll den Ländern dort helfen, sich an jene Schäden anzupassen, die die Länder aus dem Norden verursachen. Tatsächlich gibt es aber noch nicht einmal verbindliche Regeln, wie dieses Geld erhoben und angerechnet wird.
Nach Angaben der Industrieländerorganisation OECD lagen die Transfers 2020 insgesamt bei rund 83,3 Milliarden Dollar. Der „Adaptation Gap Report“ spricht diplomatisch von „Geberländern“, nicht von „Schuldigen“. Und er vermeldet für 2020 einen Anstieg von 4 Prozent zum Vorjahr: Demnach überwiesen die Industriestaaten für Anpassung 29 Milliarden US-Dollar in den Süden.
Deutsche Klimaschuld
Die Ampelkoalition in Berlin ist dabei Teil des Problems, nicht der Lösung. Zwar hatte schon die vorige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zugesagt, den deutschen Beitrag für die internationale Klimafinanzierung bis 2025 von 4 auf 6 Milliarden Euro aufzustocken. Und die Ampel hatte das zum Beginn ihrer Regierungszeit ebenfalls bekräftigt.
Im aktuellen Haushaltsgesetz für das Jahr 2023 sind aber lediglich 4,17 Milliarden vorgesehen und in der mittelfristigen Haushaltsplanung ist keine Aufstockung geplant. Dabei gelte für 6 Milliarden Euro schon, dass sie „nicht angemessen“ sind, meinen Nichtregierungsorganisationen. Sabine Minninger von Brot für die Welt etwa sagt: „Angesichts der Klimaschuld und unseres Reichtums wären 8 Milliarden angemessen.“
Bis Mitte des Jahrhunderts wird der Bedarf der Länder des globalen Südens sogar auf 500 Milliarden Dollar anwachsen. Das zeigt der zweite Bericht, der den Klimadiplomaten auf den Verhandlungstisch gelegt wird: Der „Emission Gap Report“ hat nachgerechnet, was die freiwilligen Klimaschutzpläne der Länder wert sind. Ergebnis: Würden sich – anders als bei den Finanzzusagen – alle Länder an ihre Pläne halten, würde die globale Durchschnittstemperatur bis Ende des Jahrhunderts um 2,8 Grad ansteigen. Im Abkommen von Paris hatten sich die 194 Vertragsstaaten aber verpflichtet, Anstrengungen zu unternehmen, „um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen“.
Notwendig dafür wäre eine Halbierung der weltweiten Emissionen bis 2030, tatsächlich aber ist der Ausstoß von Klimagasen im vergangenen Jahr nach Erhebung der Internationalen Energieagentur IEA um 6 Prozent angestiegen – auf rund 36,3 Milliarden Tonnen. Es war der höchste Anstieg binnen eines Jahres, den es jemals gab.
Schnell über 1,5 Grad
80 Prozent der Treibhausgase stammen aus den 20 größten Industriestaaten, laut Prognose der Weltwetterorganisation WMO besteht das Risiko, dass die Jahres-Durchschnittstemperatur der Welt schon bis 2026 erstmals mehr als 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegt.
Das könnte auch an der Qualität der Klimaschutzpläne liegen, die die Länder beim Weltklimasekretariat UNFCCC eingereicht haben: Viele Staaten wollen Klimaschutz dadurch betreiben, dass sie Treibhausgas-Senken aufbauen, beispielsweise indem sie aufforsten. Mit solchen Praktiken hat sich der Land Gap Report befasst, der in dieser Woche in Melbourne, Australien, vorgestellt wurde: Demnach werden fast 1,2 Milliarden Hektar Gesamtfläche benötigt, um die nationalen Klimaschutzverpflichtungen zu erfüllen, was der derzeitigen globalen Ackerfläche entspricht. Entweder wollen die Regierungen also die Menschen verhungern lassen und die Äcker in Wald umbauen – oder ihre Klimaversprechen sind unrealistisch.
Ganz und gar realistisch ist dagegen die Schärfe, mit der Gastgeber Ägypten gegen jede Form von nicht staatlich genehmigtem Klimaprotest vorgeht: Wie der britische Guardian berichtet, wurde der indische Klimaaktivist Ajit Rajagopal festgenommen, der sich in Ägyptens Hauptstadt Kairo zum Protestmarsch in den Küstenort Scharm al-Scheich aufgemacht hatte. Zum ersten Mal wird dort eine COP zusammentreffen, ohne dass eine kritische Zivilöffentlichkeit des Gastgeberlandes die Verhandlungen begleitet.
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