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Weltweit größte Zoohandlung schließtFaultierjunge und Feuerfische

Die Insolvenz von „Zoo Zajac“ stehe für das Scheitern des Ruhrgebiets, findet ein Kunde. Was hat das Tierfachgeschäft ausgemacht? Eine Suche.

Beim Schlussverkauf von Zoo Zajac: Fisch in der Tüte Foto: Stefan Arend/Funke Foto Services/imago

Duisburg taz | In einem kleinen Aquarium links unten in der dritten Reihe schwimmt ein einzelner grau-weißer Spatelwels. Der sieht aus wie ein dicker Stock, damit er sich im Amazonas, wo er herkommt, gut zwischen den Wurzeln im Wasser verstecken kann, erklärt ein Mitarbeiter.

Hier gibt es nichts zum Verstecken, nicht mal eine Pflanze befindet sich in dem Becken. Je länger man den Fisch anschaut, desto hässlicher wird er. Die blasse Farbe, die lange Nase, der wurstförmige Körper. Dass er keine schimmernden Regenbogenflossen hat, ist wahrscheinlich der Grund, warum er noch hier ist.

Beliebte Fische wie Guppys wurden bereits verkauft, viele Becken sind schon leer, das Wasser ist abgepumpt. Die Fische, darunter ein großes Piranhabecken, und ein paar Korallen sind überhaupt die letzten sichtbaren Tiere auf dem Gelände der laut Guinness Buch der Rekorde größten Zoohandlung der Welt in einem Industriegebiet von Duisburg.

Zoo Zajac musste Anfang des Jahres nach rund 50-jährigem Bestehen Insolvenz anmelden, 150 Mitarbeitenden wurde auf einen Schlag gekündigt. Überraschend sei das nicht gekommen, sagt Herr Gensch, ein Mitarbeiter in sportlichem T-Shirt mit V-Auschnitt und Jeans, der bei der Info am Eingang des Ladens sitzt. Das Ende sei langsam gekommen und habe spätestens vor zwei Jahren begonnen.

Damals verlor die Zoohandlung ihre größte Kultfigur: Norbert Zajac, Besitzer und Marke der Zoohandlung, war eine Institution. Der Mann mit stechend blauen Augen, prallrotem Gesicht und einer Vorliebe für gebatikte T-Shirts mit Tieraufdruck, die über dem kugeligen Bauch etwas spannten, kommt irgendwie in allen Geschichten vor, die Kun­d:in­nen und Mitarbeitende erzählen.

Weil Norbert Zajac sich gekümmert habe, weil er mit seinem kleinen Elektroroller durch die Ladenzeilen fuhr und Kun­d:in­nen zu Hause besuchte, und weil er ein von den Eltern verstoßenes Faultierjunges mit der Flasche aufzog, heißt es; und weil er Dinge sagte wie: „Ah ja, dann muss ich dat wohl mal delegieren.“ 2022, mit 67 Jahren, ist er plötzlich verstorben.

Auch Wildtiere dabei

Mit 12.000 Quadratmetern und zeitweise 200.000 Tieren, darunter Spinnen, Schlangen, Erdmännchen, Capybaras und kleine Krokodile, schaffte er es, eine Welt aufzubauen, die sowohl für exzentrische Tier­lieb­haber:in­nen als auch für Familien, die sich nur ein kleines Kaninchen kaufen wollten, anziehend war. Mit der Schließung ginge daher ein wichtiger Begegnungsort zugrunde, beklagen viele Kund:innen, wenn man sie an diesem Mittwoch, zwei Tage vor dem endgültigen Schließen, fragt.

Auf der anderen Seite stehen Tierschutzorganisationen wie Peta, die das Ende des Geschäfts begrüßen. Durch die Schließung werde „jahrelanges Tierleid beendet“, sagt Jana Hoger von Peta. Eine private Haltung von Wildtieren ist für Peta grundsätzlich nicht mit einer artgerechten Haltung der Tiere vereinbar.

In der Vergangenheit sorgte auch der Welpenverkauf bei Zoo Zajac für Kritik, der 2023 schließlich eingestellt wurde. „Die Tierheime sind immer überlastet. Und die meisten Tiere dort kommen aus Zoohandlungen, weil Leute hingehen, und ohne sich viele Gedanken zu machen, wie lang so ein Tier lebt, eines kaufen“, sagt Hoger.

„So ein Geschäft gibt es sonst nirgends mehr“, sagt ein älterer Herr, der heute mit seiner Frau da ist. Er überlegt, ob es nicht mal wieder Zeit für ein Aquarium wäre. „Ist ja auch schön für die Enkelkinder.“ Das Paar hält sich fast den ganzen Nachmittag im Laden auf, mal halten sie ein Futterzusatzmittel, mal einen Wasserfilter prüfend in den Händen. Vierzig Jahre seien sie Norbert Zajac treu geblieben.

Typisch Ruhrgebiet

Mark Fröder, ein 45-jähriger Stammkunde, sieht sich um. Seit zwanzig Jahren kaufte er hier Tiere und Zubehör für sein Aquarium. Heute nimmt er nur noch Kleinigkeiten mit. Ein grünes Gewächs, auf dessen Verpackung „0,0 Euro“ steht. Er fragt eine Verkäuferin: „Wie soll dat denn an der Kasse eingescannt werden?“, und bedankt sich noch einmal für den freundlichen Service der vergangen zwei Jahrzehnte.

Für ihn ist die Insolvenz von Zoo Zajac „Teil des Scheiterns des Ruhrgebiets“, erzählt er. Nirgendwo anders sehe man einen solchen Rückgang wie hier, und er verweist auf die drohende Schließung des Fordwerkes in Köln.

Herr Dhamasena, der extra aus Bottrop gekommen ist, steht vor einer Art Sandkasten ohne Sand und zeigt seiner kleinen Tochter ein Förmchen. Eigentlich wollten sie Tiere anschauen. „Jetzt sind wir etwas verwundert, dass alles weg ist“, sagt er. Seine Tochter hätte gerne Ameisen oder Warane gesehen, Tiere, die sie aus Sri Lanka kennt. „Na gut, warum Leute die in ihrem Wohnzimmer haben wollen, verstehe ich auch nicht“, fügt er hinzu. Eine ehemalige Praktikantin der Zoohandlung kommt nur noch einmal vorbei, um „nach dem Rechten zu sehen“, wie sie sagt. Vor allem für die Mitarbeitenden findet sie es sehr traurig.

Es wirkt, als wollten alle noch einmal Erinnerungen sammeln, auch an den ehemaligen Inhaber Norbert Zajac. Manche der Mit­ar­bei­te­r:in­nen tragen Westen mit der Aufschrift „Norberts Welt – Treffpunkt der Tierfreunde“. Zum Verkauf stehen kleine 15 cm große Stoffpuppen, die ihn darstellen sollen: Die großen blauen Augen sind gut getroffen, auch das Shirt mit Fischmotiv – nur der kugelförmige Bauch fehlt. Dass Zajac sich diesen Merch zu Lebzeiten ausgedacht hat, sagt eigentlich schon viel über ihn aus.

Auch die Wegweiser im Laden stehen als Andenken zum Verkauf. Ein letzter Rest Ruhrpotthumor zeigt sich in den Beschriftungen im Laden: „Liebe Krebs- und Garnelenfreunde“ oder ein Kühlschrank für Hundefutter mit der Aufschrift „Fleischeslust“, sonst ist nicht mehr viel da.

Erfolgreich auf Social Media

Wer den einstigen Spirit verstehen will, kann sich heute noch den Youtube-Kanal mit immerhin 296.000 Abon­nen­t:in­nen anschauen. Auch diesen hat Norbert Zajac erfolgreich gemacht. Er ist auf Stippvisite bei Kun­d:in­nen zu sehen, wo er Heuschrecken an die in seinem Laden erworbenen Reptilien verfüttert, oder bei der Vorstellung seiner Ware.

Ein Video mit dem Titel: „ROTFEUERFISCH tötet Norbert Zajac 3 Mal!“, in dem er, passend im Fisch-T-Shirt gekleidet, erklärt, dass er von dem giftigen Fisch gestochen wurde und infolgedessen im Krankenhaus mehrfach einen Herzstillstand erlitt, hat 3,3 Millionen Aufrufe. Nach Zajacs Tod sind die Videos nicht mehr so erfolgreich, aber sie bleiben witzig, lassen Versprecher und lockere Witze der Mitarbeitenden drin.

Diese familiäre Atmosphäre beschreiben einige Mitarbeitenden auch im täglichen Arbeitsklima. Ein Rentner, der sich bei Zoo Zajac etwas hinzuverdient hat, sagt, er habe in seinen rund 55 Jahren Arbeitserfahrung nie einen besseren Job als hier gehabt. „Wegen des Geldes kam hier niemand hin, aber die Leute sind nicht gehässig, alle werden akzeptiert, wie sie sind.“ Er ist sich sicher, dass alle sofort wiederkämen, hieße es, dass es nächste Woche doch weitergeht.

Nach der Schließung sind die Mitarbeitenden beim Griechen verabredet, das soll aber kein Abschied sein, betont eine Mitarbeiterin, denn sie wären sowieso regelmäßig mal alle zusammen essen gewesen. Doch die Realität ist auch, dass viele ihren Arbeitsplatz verlieren. Zum Glück hätten einige bereits neue Jobs etwa in der Logistik oder im Baumarkt gefunden, sagt Gensch. „Doch nicht alle haben das Glück.“

Der Zoo Zajac ist fast Geschichte. Nur noch ein paar Tage, dann bleiben von der einst größten Zoohandlung der Welt nur noch algige Fischbecken und leere Regalreihen. Der Spatelwels dreht noch ein paar Kreise, bald muss er abgeholt werden. Wohin er kommt, ist unklar. Laut der Insolvenzverwaltungsfirma Anchor sind „alle Tiere bereits vermittelt, kein Tier bleibt übrig“. Laut einem Sprecher des Zoos in Duisburg gibt es aktuell keinen Austausch zwischen dem Zoo Zajac und dem Zoo Duisburg wegen einer Übernahme von Restbeständen.

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5 Kommentare

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  • Was ist denn eine artgerechte Hundehaltung ?

  • Endlich. Durch die Schließung wurde jahrelanges Tierleid beendet.

  • Journalismus ist für mich, zu recherchieren. Zoohandlungen haben teil an einem großen Problem, dass Arten von Leuten gehalten werden, die es nicht können (Kenntnis, Platz, Ausstattung) und dafür Tiere aus ihrem angestammten Lebensraum entnommen werden, wobei dabei bereits viele und beim nachfolgenden Transport nochmehr sterben. Und wenn es dann nicht mehr passt, werden diese Tiere in eine Umwelt ausgesetzt, in die sie nicht reingehören, und verdrängen dort die heimischen Arten, die es aufgrund der intensiven Landnutzung und allgegenwärtigen Hintergrundbelastung eh schwer haben. Oder die Tiere überlasten die Tierheime, was besser, aber nicht gut ist. Hinzu kommt ein nicht immer sauberes artenschutzrechtliches Geschäftsgebahren der Zoohandlungen, Züchter oder einzelner Tierhalter. Davon findet sich im Artikel leider nichts, außer in einem Nebensatz.

    • @JKPotsdam:

      Es geht um Artikel auch nicht um Tierhaltung oder Zoohandlungen an sich, sondern um die Schließung dieses Ladens.

  • Das Einsperren von Tieren und den Handel mit Lebewesen finde ich verwerflich. Tiere sollten ganz in Ruhe gelassen werden!



    Sie wollen ihre Ruhe und ihre Freiheit.



    Das ist typisch Mensch, dass so etwas nicht verstanden wird oder bewusst missachtet wird.