Welternährungsprogramm warnt: Nordkorea droht Hungersnot

Die beendete Düngerhilfe Südkoreas, die hohen Weltmarktpreise für Nahrung und Energie sowie eine falsche Politik sind die Ursachen.

Zu wenig zu essen: In Nordkorea droht eine Hungersnot. Bild: dpa

Im kommunistischen Nordkorea sind nach Einschätzung des Welternährungsprogramms (WFP) mehr als 8 Millionen der 23,5 Millionen Einwohner bis zur nächsten Ernte im Oktober auf Lebensmittelhilfe angewiesen. Trotz zugesagter internationaler Nahrungshilfe von 450.000 Tonnen und geschätzten Importen von 500.000 Tonnen fehlten dem Land weitere rund 800.000 Tonnen, sagte der Leiter des WFP-Büros in Nordkorea, Torben Due, am Dienstag vor Journalisten in Berlin. Die Lage sei "sehr kritisch". Experten schätzen Nordkoreas Gesamtbedarf auf 5 Millionen Tonnen.

Schon ab Februar rechnet Due mit einem massiven Rückgang der zur Verfügung stehenden Nahrungshilfe, sollte diese nicht noch kurzfristig erhöht werden können. "Unser Hilfsprogramm war für 6,2 Millionen Menschen ausgelegt," sagte Due, "doch schon jetzt reicht es nur noch für 2,5 Millionen. Bald können wir nur noch ein Zehntel der ursprünglichen Zahl erreichen." Bisher profitierten Kinder, Alte und Krankenhauspatienten von der WFP-Hilfe. Laut einem im Dezember vom WFP gemeinsam mit der Weltlandwirtschaftsorganisation FAO vorgelegten Bericht ist der Nordosten des Landes am stärksten gefährdet.

Bisher kann das stalinistisch regierte Nordkorea laut Due mit seiner eigenen Kollektivlandwirtschaft nur zwei Drittel seines Bedarfs decken. 2008 sei das Klima günstig gewesen, doch blieben die Erträge wegen beendeter Düngerhilfe aus Südkorea trotzdem niedriger als im Vorjahr. Südkoreas konservativer Präsident Lee Myung Bak, der seit Februar 2008 amtiert, hatte die Hilfe für den verfeindeten Norden wegen dessen Atomprogramm eingestellt. So hatte Nordkorea 2008 insgesamt 40 Prozent weniger Künstdünger.

Andere Ursachen des drohenden Hungers sind laut Due die hohen Weltmarktpreise für Nahrungsmittel und Energie 2008. Diese hätten dazu geführt, dass das devisenschwache Land weniger Nahrung wie auch 30 Prozent weniger Treibstoff zum Betrieb der Landmaschinen habe importieren können. Das Regime mache auch eine strukturell falsche Politik. So fehlten Reformen wie in China oder Vietnam, wo die Landkommunen aufgelöst und private Landnutzung gestärkt worden sei, so Due. In kleinen Privatgärten seien auch in Nordkorea die Erträge höher als auf den Staatsfarmen.

Schon Mitte der 90er-Jahre gab es in Nordkorea eine schwere Hungersnot. Zuvor war die gewohnte Hilfe des Ostblocks wegen dessen Zusammenbruchs ausgeblieben. Hinzu kamen Fluten und Dürre. Schätzungsweise eine Million Menschen verhungerten damals. Verzweifelte aßen Gras und Baumrinde. Das WFP arbeitet seit 1995 in Nordkorea, dessen kommunistisches Regime offiziell eine "Juche" genannte Politik der Autarkie verfolgt und Ausländern gegenüber sehr misstrauisch ist. Nachdem sich die Lage gebessert hatte, drängte Pjöngjang ab 2006 das WFP und andere Hilfsorganisationen von der kurzfristigen Not- zu längerfristiger Entwicklungshilfe überzugehen. Viele Organisationen stellten ihre Arbeit aber auch wegen massiver Restriktionen ein.

Due spricht von einer "guten Arbeitsbeziehung" zu den Behörden, die sich über Jahre entwickelt habe. WFP-Mitarbeiter könnten die Hälfte des abgeschotteten Landes bereisen. Durch ein übliches Monitoringsystem sei er sicher, dass die Hilfe auch wirklich die Bedürftigen erreiche. "Vor fünf Jahren hätte ich so eine Aussage nicht machen können," so Due.

Momentan tragen ausgerechnet die USA stark zur WFP-Hilfe in Nordkorea bei. Offiziell sind beide Staaten noch im Kriegszustand, da der Koreakrieg 1953 nur per Waffenstillstand endete. Während Nordkoreas Propaganda die USA verteufelt und das eigene Atomprogramm mit der Bedrohung der USA rechtfertigt, zählt US-Präsident George W. Bush Pjöngjang zur "Achse des Bösen". Die Bush-Regierung schreckte auch nicht davor zurück, humanitäre Hilfe gegenüber Nordkorea für politische Zwecke einzusetzen. Jetzt erfolgt die im September wieder aufgenommene US-Nahrungshilfe an Nordkorea zu 80 Prozent über das WFP. Laut State Department wurden bis Ende 2008 insgesamt 143.000 Tonnen geliefert.

Deutschland beteiligte sich laut Due, der zu Gesprächen mit der Bundesregierung in Berlin ist, 2008 nur mit 700.000 Euro an der WFP-Hilfe für Nordkorea. Von der EU sei nichts gekommen gegenüber 1,75 Millionen Euro 2007. Nordkorea ist in Europa offenbar momentan nicht opportun. 2000/01 lieferten sich EU-Staaten noch einen Wettlauf um die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Pjöngjang. Damals weckte Seouls Entspannungspolitik Hoffnungen auf Reformen im Norden. Und 2002 war Deutschland bei der BSE-Krise noch froh, unter dem Deckmantel der Humanität 30.000 Tonnen Rindfleisch in Nordkorea entsorgen zu können.

Nach Berichten aus Südkorea vom Dienstag wurden im Norden kürzlich fünf Minister ausgetauscht. Gründe könnten die anhaltende Wirtschaftskrise oder Nachfolgefragen sein. Machthaber Kim Jong Il ist gesundheitlich angeschlagen.

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