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Weiter Weg in die PrivatschuleKein Ticket ins Privilegien-Land

Eltern, denen die staatliche Schule nicht gut genug ist, müssen die Fahrt zur Privatschule selbst zahlen. So urteilte ein Sozialgericht.

Für den Transport zur Privatschule muss der Landkreis nicht aufkommen Foto: Franziska Kaufmann/dpa

Celle taz | Für die Fahrtkosten zur Privatschule müssen Eltern selbst aufkommen – vor allem, wenn diese Kosten überhaupt bloß entstehen, weil sie die staatliche Schule in der Nachbarschaft ablehnen. Das hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) in dieser Woche entschieden.

Ein Vater aus dem niedersächsischen Landkreis Wesermarsch hatte sich durch zwei Instanzen geklagt, weil er es seinem Sohn ersparen wollte, im nächstgelegenen Gymnasium auf „Schüler mit niedrigem Sozialstatus und nichtdeutscher Herkunftssprache“ zu treffen, wie er es ausdrückt.

Das Landesozialgericht setzte sich ausführlich mit den Begründungen des Mannes für sein Anliegen auseinander. Der Mann versuchte geltend zu machen, dass das staatliche Gymnasium keineswegs gleichwertig sei, weil es ja zunehmend ausgehöhlt werde durch „bildungsferne Bevölkerungsschichten“, „Willkommenskultur und Familiennachzug“. Die Familie schickte ihr Kind deshalb auf eine 25 Kilometer entfernte Privatschule – und wollte die Fahrtkosten von 95 Euro monatlich dann vom Landkreis erstattet bekommen.

Das Gericht fand deutliche Worte

Diese Haltung lehnte das LSG mit deutlichen Worten ab: „Zweck von Bildungs- und Teilhabeleistungen ist die Verwirklichung der Chancengleichheit von Kindern aus einkommensschwachen Familien, nicht jedoch der Besuch von Privatschulen mit Kindern aus besser situierten Familien, welche die pluralistische Zusammensetzung der Gesellschaft nicht abbilden.“

Schülerbeförderungskosten werden grundsätzlich nur für die nächstgelegene Schule übernommen, so das Gericht. Ausnahmen gelten für besondere Förderschwerpunkte, zum Beispiel sportlicher oder musischer Art. Auf ethnische oder soziale Unterschiede der Schülerschaft komme es jedoch nicht an. Eine Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen.

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6 Kommentare

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  • Ich kann die Gründe des Vaters, das Kind auf eine Privatschule zu schicken, gut nachvollziehen, nur war seine Klage auf Kostenerstattung von Anfang an aussichtslos. Bessere Bildung ist halt Privatsache.

    • @DiMa:

      "...weil er es seinem Sohn ersparen wollte, im nächstgelegenen Gymnasium auf „Schüler mit niedrigem Sozialstatus und nichtdeutscher Herkunftssprache zu treffen".



      Diese Gründe können sie nachvollziehen? Rassismus und soziale Ächtung?

      • @Andreas J:

        Lieber Andreas J,

        bedauerlicherweise werden in unserem Land Schüler eingeschult, die weder mit einer Schere umgehen, noch eine gerade Linie laufen können. Ganz zu schweigen von sprachlichen Fähigkeiten. Staatliche Schulen müssen also mit gewissen Benachteiligungen umgehen und sind insofern nicht in der Lage, das gewünschte Lernziel zu erreichen. Gesamtgesellschaftlich ist das möglicherweise hinnehmbar.

        Eltern, die ihre Kinder mit großem eigenen zeitlichen und finanziellen Aufwand fördern haben hingegen möglicherweise andere Ziele und Erwartungen.

        Wenn man einem Kind beispielweise den Besuch einer angesehenen ausländischen Universität ermöglichen möchte, dann sollte man rechtzeitig Vorsorge tragen und das Kind auf die entsprechenden Tests vorbereiten.

        Ein mittelklassiges Abitur eines mittelklassigen Gymnasiums wird dazu nicht ausreichen.

        Gerade in Zeiten wie diesen trennt sich die Spreu vom Weizen. Welche Schule schafft es, den Unterricht vollständig digital für die gesamte Schülerschaft über eine geeignete Plattform anzubieten? Schulen die dies nicht schaffen (egal aus welchen Gründen) sind einfach ungeeignet.

        Mit Rassismus und sozialer Ächtung hat alldies wenig zu tun, oder?

      • @Andreas J:

        Rassismus und soziale Ächtung?

        Oder schlechte Mischung.



        Der einzelne Schüler kann nichts für schlechte Schulpolitik.

        Das sind Schulen, auf die schicken auch viele PoC ihre Kinder nicht.

        • @rero:

          Der Herr Vater spricht von "nichtdeutscher Herkunftssprache" und nicht davon das einige vielleicht nicht gut deutsch Sprechen. Das ist Rassismus pur.



          Und niedriger Sozialstatus sagt nichts über Intelligenz aus. Das ist Verachtung und elitäres Denken. Selektion nach sozialem Status. Ich komme auch aus einer sozial schwachen Familie und bin in einer scheiß Gegend aufgewachsen. Ich habe Studiert und arbeite heute als Fotograf und Kameramann. Herkunft und sozialer Status sagt nichts über Intelligenz und Fähigkeiten aus. Das Kind kann von dem kann einem nur leid tun, von klein auf mit solch einem Scheiß indoktriniert zu werden. Der Vater ist ein elitärer Rassist!

          • @Andreas J:

            Ich spreche auch von nichtdeutscher Herkunftssprache. Das ist es, worauf einige PoC-Eltern achten.

            Ein Vater sagt mir mal ganz klar, er ist in eine Klasse in Kreuzberg gegangen, in der es nur türkische Kinder gab. Er wollte, dass es seine Tochter mal besser hat und hat sie in eine Grundschule geschickt, wo sie in in der Klasse das einzige Kind mit Eltern war, die aus der Türkei stammen.

            Ich habe persönlich viele migrantische Eltern erlebt, für die die Quote von Kindern nichtdeutscher Herkunftssprache ein hochrelevantes Kriterium bei der Schulwahl war.

            Richtig, ein niedriger sozialer Status sagt nichts über die Intelligenz aus. (Auch ich komme aus einem solchen Elternhaus und habe einen Uniabschluss. In meiner weiteren Familie war bisdahin niemand, der auch nur ein Abitur hat.)

            Ich habe die Jugendlichen erlebt, die in Berlin geboren sind, 10 Jahre hier zur Schule gegangen sind und kein akzentfreies Deutsch können. (Über "Kiezdeutsch"-Gerede kann ich nur den Kopfschütteln.)

            Auch das hat nichts mit deren Intelligenz zu tun. Es ist auch kein Fehler der Eltern. Ich meine, dafür ist der Staat verantwortlich.

            Studien sollen belegen, dass ab rund 35% Kinder mit nichtdeutscher Herkunftssprache das Lernniveau kippt.



            Außerdem lernt man in der Klasse ggf. auch sehr viel an Sozialcodes, an "Stallgeruch" der Gesellschaft.

            Klassen mit mehr als 40 % sind deshalb in meinen Augen struktureller Rassismus.

            Und gerade linke Landesregierungen fassen dieses Thema nicht an. Lieber strukturellen Rassismus weiter laufen lassen, als sich der Gefahr aussetzen, dass man als Rassist_in gilt.

            Dass der in Rede stehende Vater ein Rassist ist, kann ich mir gut vorstellen. Zwingend ist das nicht.