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„Weiße Rose“ in Stollberg“Ein Klima des Wegduckens

In Stollberg wird nach rechten Attacken in eine Schüler-Inszenierung der „Weißen Rose“ eingegriffen. Druck kam unter anderem von der AfD.

Gibt es Berührungspunkte mit heute? Ein Graffiti zur Weißen Rose Foto: Jürgen Hasenkopf/imago

Drei Wochen lang musste sich der Theaterpädagoge und Regisseur Falko Köpp nach einem Burnout in die Einsamkeit zurückziehen. Erst seit Mitte Juni ist er wieder ansprechbar. Zugesetzt hatten ihm im Frühjahr rechte Attacken auf seine Schülerinszenierung der „Weißen Rose“ und mangelnde Rückendeckung am theaterpädagogischen Zentrum Burattino im sächsischen Stollberg.

Dabei sei das Burattino „so phänomenal und wichtig für die künstlerische Ausbildung und Freizeitgestaltung der Jugendlichen“ im Erzgebirgskreis, sagt Köpp im Gespräch mit der taz. Zu DDR-Zeiten ein Pioniertheater, erschöpfte es sich lange in einer Märchenwelt. Umso begeisterter sei Köpp deshalb, dass die jungen Darstellenden des Stollberger Gymnasiums sein Bemühen hin zu einem emanzipatorischen und künstlerisch ambitionierten Theater seit 2020 mitgetragen hätten.

Und doch waren es einige ihrer rechtsgerichteten Mitschüler, die der Inszenierung in den Rücken fielen. Mit haltlosen Behauptungen über angebliche linksradikale Indoktrination schwärzten sie das Stück bei der ehemaligen AfD-Kreisrätin Sylvia Vodel an. Der Erzgebirgs-Kreistag debattierte deren Anfragen zwar nicht. Die Leiterin des Kultur-Eigenbetriebes im Erzgebirgskreis Susanne Schmidt aber musste sich rechtfertigen und stellte Falschbehauptungen richtig.

Köpp, der sich in erster Linie als Theaterpädagoge sieht, wirkt im Gespräch immer noch fassungslos, dass es ausgerechnet gegen die „Weiße Rose“ ging. Um einen Stoff also, an dem es nach Ende der NS-Diktatur 1945 nie etwas zu deuteln gab. Es ist die Geschichte des Widerstands der Geschwister Hans und Sophie Scholl und ihrer Münchner Studentengruppe gegen die NS-Herrschaft. Beide wurden 1943 hingerichtet.

Historische Fakten und heutige Analogien

In seiner aus Leipzig mitgebrachten Bühnenfassung von 2017 pendelt Köpp bewusst zwischen den historischen Fakten und heutigen Analogien und nutzt dabei Kommunikationsformen und künstlerische Ausdrucksmittel der aktuellen Schülergeneration. Der Laptop gehört auf die Bühne, es wird mobil telefoniert und organisiert, gerappt und getanzt.

Es ist kaum vorstellbar, dass diese emotional wie eindringlich gespielte Theaterversion jemanden kaltlassen kann. Erst recht nicht im Saal des ehemaligen Frauengefängnisses Hohen­eck-­Stollberg, das der Schüler-Bürgerbühne seit vorigem Jahr als Aufführungsort dient. Die jungen Zuschauenden der gymnasialen Oberstufe fühlen sich spontan angeregt und verstehen schnell.

„Grundsätzlich gibt es Berührungen zu heute, man sollte das politische Geschehen ebenso wenig ignorieren wie vor 80 Jahren“, von Parallelen will ein junger Mann noch nicht sprechen, aber von Tendenzen. „Noch haben wir die Chance, unter Nutzung demokratischer Institutionen gegen den Rechtsruck aufzustehen“, sagt eine Schülerin im Publikum.

Falko Köpp würdigt, dass Kulturbetriebsleiterin Schmidt ursprünglich die Aufnahme des Stoffs der „Weißen Rose“ begrüßte. Bei seinem Einstellungsgespräch habe sie sich zu politischem und diskursivem Theater bekannt. Dass sie im März dennoch in die Inszenierung eingriff, schreibt er ihrer Absicht zu, weiteren Ärger mit der AfD abzuwenden.

Ursprüngliche wurden heutige Faschisten gezeigt

Der Parteiname AfD durfte in der Aufführung nicht mehr genannt werden. Bei einer Büroszene wechselte ursprünglich das Hitler-Bild im Hintergrund mit Fotos heutiger Faschisten und Diktatoren, die auch so genannt werden dürfen: unter anderem Björn Höcke, Wladimir Putin oder Xi Jinping. Jetzt wird dort acht Minuten lang großformatig Adolf Hitler gezeigt, unkommentiert.

„Schlimmer kann es nicht kommen“, sagt Köpp. Auf einmal durfte er die Darstellenden bei einer Vorstellung nicht mehr begleiten, musste im Büro sitzen bleiben. Das habe nicht nur ihm wehgetan, sondern auch Wut bei den jungen Schauspielenden ausgelöst. Bei den seit dem Vorjahr stattfindenden Nachgesprächen sei zudem dem 22-jährigen Jakob Springfeld, der durch seine anti­nazistischen Bücher bekannt wurde, das Mikrofon entzogen worden.

Frau­ke Wetzel, Kulturwissen­schaftlerin vom Chemnitzer ASA-FF-Netzwerk für globales Lernen, moderiert diese Gespräche. Den Vorwurf der Indoktrination Jugendlicher weist sie zurück: „Ich lasse die Schüler selber reden und frage nur, wo sie heute Zivilcourage zeigen würden und was ihnen an einer Gruppe angenehm oder unangenehm ist.“ Das seien, so Wetzel, Grundlagen der Gedenkstättenpädagogik.

Indirekt kritisiert Frauke Wetzel aber auch die langjährige Burattino-Leiterin Annekathrin Rottstädt-Hänel. Sie habe nicht hinter der Inszenierung gestanden, müsse wohl taktisch agieren, um die Förderung durch den Kreis nicht zu verlieren.

Opportunistisches Anpassungsdenken der DDR

Theaterpädagoge Falko Köpp sagt, er habe Rottstädt-Hänel in seinen vier Stollberger Jahren als noch stark vom opportunistischen Anpassungsdenken der DDR geprägte Leiterin wahrgenommen. Er selbst wechselt zur nächsten Spielzeit ans Schauspiel und Figurentheater Chemnitz.

Kulturbetriebsleiterin Susanne Schmidt wollte sich zur Personalie Köpp nicht äußern. Hinsichtlich der Burattino-Fassung der „Weißen Rose“ bestreitet sie auf Anfrage „jeden Durchgriff auf die Inszenierung“. Diese laufe wie geplant. „Die Textbücher schreiben wir, die muss ich niemandem vorlegen. Ich stehe dafür, was hier auf der Bühne gezeigt wurde.“ Bei Burattino zeigt sich darüber indes niemand erstaunt. Denn die Pressemitteilungen der Bühne gingen ohnehin über den Tisch von Frau Schmidt.

Der leidenschaftliche Theatermann und Demokrat Falko Köpp aber fühlt sich alarmiert vom schleichenden vorauseilenden Gehorsam gegenüber immer dominanter werdenden rechten Kreisen: „Es braucht die AfD gar nicht mehr, weil das Klima des Wegduckens schon von Konservativen kommt.“ Das sei schockierend, weil es bei der „Weißen Rose“ genau darum gehe.

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2 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • und dann sagen wieder alle: wir haben dochnichts gewusst. Was hätten wir denn machen sollen.

  • Ja, der Anfang ist schon gemacht und es wird immer schlimmer werden.