AfD und Kulturpolitik: Rechte Angriffe auf die Kunst

Nach der Sonneberg-Wahl: Was das Erstarken einer rechtsextremen Partei für die Kunstfreiheit bedeutet, liest man in Peter Laudenbachs „Volkstheater“.

Ein Mann wird von der Menge getragen

Rapper Trettmann von der Menge getragen: „Wir sind mehr“-Demo in Chemnitz Foto: Wolfgang Schmidt/epd/imago

„Wir sind mehr“ – erinnern Sie sich noch? 2018 organisierten MusikerInnen ein Soli-Konzert in Chemnitz, um gemeinsam mit 65.000 BesucherInnen ein Zeichen gegen rechts zu setzen. „Wir sind mehr“ könnte sich heute, fünf Jahre später, leider auch die AfD auf die Fahne schreiben. Zwar 160 Kilometer entfernt von Chemnitz in Thüringen, nicht in Sachsen und dort „nur“ in Ostdeutschlands einwohnerschwächstem Landkreis, aber dennoch. Sonneberg hat mit Robert Sesselmann einen Landrat aus einer rechtsextremen Partei gewählt.

Welche Auswirkungen das Erstarken der AfD hat, zumindest auf kulturpolitischer Ebene, davon lässt sich ein aufschlussreiches Bild gewinnen, liest man „Volkstheater“ von Peter Laudenbach. In ihm untersucht der Journalist und Autor rechte Angriffe auf Kulturinstitutionen zwischen 2016 und 2021 im gesamten Bundesgebiet.

Anhand von über hundert Beispielen zeigt Laudenbach auf, dass rechte Übergriffe auf die Kunstfreiheit kein rein ostdeutsches Phänomen in der Bundesrepublik sind, sondern landesweit stattfinden. Neben Anträgen zu Budgetkürzungen, die die Arbeit von Institutionen erschweren würden, häufen sich auch direkte Angriffe in Form eingeworfener Scheiben, Bombenattrappen und Morddrohungen.

Von rechten Aggressionen betroffen sind vor allem AkteurInnen, die sich mit der Aufarbeitung des Nationalsozialismus und dem aufkeimenden Rechtsextremismus beschäftigen, sowie jene, die Projekte zu Themen wie Migration und Diversität fördern. Auch vor Einzelpersonen wird nicht Halt gemacht; so erhielten unter anderem die Aktivistin Jasmina Kuhnke, die Kabarettistin İdil Baydar und der Pianist Igor Levit Morddrohungen an ihre Privatadressen.

Angriffe auf die Grundlagen einer Demokratie

Rechte Aktivitäten mögen zwar kein ostdeutsches Problem per se sein, „der Zusammenhang zum Aufstieg der AfD ist aber evident“, schreibt Laudenbach. 40 Prozent der in einer Studie der Universität Kassel befragten Bundesverbände sowie 57 Prozent der Landesverbände sehen demnach ein zunehmendes Gefahrenpotenzial, besonders dort, wo der Zweitstimmenanteil der AfD hoch ist, und das betrifft vorneweg die „neuen“ Bundesländer.

Das unterstreicht auch eine neue Studie des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts (EFBI) der Universität Leipzig. Ihre Ergebnisse zeichnen ein erschreckendes Bild: Nicht nur sei eine Verschwörungsmentalität in Ostdeutschland verbreitet, auch sehnten sich dort viele nach einem autoritären Staat. Rechtsextreme Einstellungen konnten dabei besonders in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen festgestellt werden.

Peter Laudenbach: „Volkstheater. Der rechte Angriff auf die Kunstfreiheit“. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2023, 144 Seiten, 12 Euro

Die rechten Bedrohungsszenarien dienen nicht nur dazu, Institutionen und Einzelpersonen einzuschüchtern, wenngleich die Bedrohung hier reale Menschen und ihre Angehörigen trifft, sie richteten sich allgemein gegen „Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft“, schreibt Laudenbach. Dass diese Attacken – von denen eine Auswahl im Buch protokolliert ist – besonders in überregionalen Medien zu wenig Aufmerksamkeit erhalten, sie zu oft zu Einzelfällen stilisiert werden, kritisiert er.

Zwar seien es nicht AfD-PolitikerInnen, die diese Anschläge verübten, Aussagen, die die „Entsiffung des Kulturbetriebs“ oder einen „Kulturkampf“ betonten – deren sich etwa der kulturpolitische Sprecher der AfD-Bundesfraktion Marc Jongen und der AfD-Extremist Björn Höcke bedienten –, legitimierten aber Hass und Gewalt gegenüber jenen, die sich für eine demokratische Gesellschaft einsetzen.

Der Soziologe Wilhelm Heitmeyer, den Laudenbach hierfür zitiert, bezeichnet dies als „Modell der Bedrohungsallianzen“. Nach diesem gibt es AkteurInnen, die ihre öffentliche Bühne nutzen, um gegen alles zu polemisieren, was nicht in ihr Weltbild passt. Andere wiederum sähen sich dadurch in ihrer Haltung bestätigt und zum Handeln berufen. Was darauf folgt, zeigen unter anderem der Mord an Walter Lübcke sowie die Anschläge in Halle und Hanau.

Ein „Wir sind mehr“-Aufkleber ziert das Cover von Laudenbachs Buch. Damit das auch so bleibt, müssen wir uns dem Problem des wachsenden Rechtsextremismus künftig noch aufmerksamer zuwenden.

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