Weidel bei Ungarns Ministerpräsident: Alice im Orbánland
Autoritäre Wahlkampfhilfe: AfD-Alice Weidel ließ sich in Ungarn wie ein Staatsgast hofieren. Den Autokraten Orbán nannte sie ein „großes Vorbild“.
![Ein Mann (61 Jahre, untersetzt, grauer Mittelscheitel, blauer Anzug und hellblaue Krawatte) und eine Frau (Blondine Mitte Vierzig, Anzug, weißes Hemd, Perlenkette, Eintecktuch) stehen grinsend neben einem Vorhang Ein Mann (61 Jahre, untersetzt, grauer Mittelscheitel, blauer Anzug und hellblaue Krawatte) und eine Frau (Blondine Mitte Vierzig, Anzug, weißes Hemd, Perlenkette, Eintecktuch) stehen grinsend neben einem Vorhang](https://taz.de/picture/7527097/14/37661627-1.jpeg)
In ihren Statements unterstrichen beide Gemeinsamkeiten, während sie düstere Abstiegsszenarien der EU zeichneten und rassistisch gegen Flüchtlinge hetzten. Orbán sagte mit Bezug zu Migration, er wolle nicht, dass Ungarn wie Deutschland aussehe. Weidel sagte, „was in Deutschland passiert, auch in Frankreich, werden wir sofort beenden“. Beide stellten außerdem die Legitimität der EU und ihrer Institutionen infrage.
Orbán machte sich nach der Wahl von Trump auch über die europäischen Regierungsoberhäupter lustig, die sich wie „ängstliche Hühner“ im Feld versteckten und auf ihr Schicksal warteten: „Ängstliche Hühner haben keine Zukunft“, so Orbán grinsend. Er glaube, dass der AfD die Zukunft in Deutschland gehöre.
Weitere Gemeinsamkeit war die offensichtliche Nähe zu Russland: Orbán sprach sich für die Aufhebung von Sanktionen aus, Weidel forderte ein Ende der „Eskalationsspirale“ – womit sie nicht Putin meinte. Dessen Angriffskrieg wurde selbstredend nicht verurteilt. Ansonsten biederte sich Weidel sichtlich bei Orbán an, als sie den Autokraten dreimal als „großes Vorbild“ bezeichnete. Orbán gab das Lob seinerseits zurück, indem er Weidel eine „tapfere Frau und Anführerin“ nannte.
Unfreiwillig komisch wurde es, als Weidel gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland wetterte. Denn sie beschrieb exakt das, was Orbán mit der Medienlandschaft in Ungarn gemacht hatte: Sie kritisierte kontrafaktisch, dass der Rundfunk die Regierungspolitik unterstütze und nicht kritisch hinterfrage. Sie wolle den Rundfunk von Grund auf reformieren. Deutschland ist weltweit auf Platz 10 des Pressefreiheits-Index von Reporter ohne Grenzen, die Redaktionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind unabhängig und frei. Ungarn hingegen ist auf Platz 67.
Medien unter Orbáns Kontrolle
Nach der Machtübernahme hat Orbáns Partei Fidesz Schritt für Schritt die Medien unter Kontrolle gebracht. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und Ungarns einzige Nachrichtenagentur wurden in einer staatlichen Medienholding zentralisiert. Regionale Presse gehört seit 2017 Orbán-freundlichen Unternehmern, kritische Medien wurden eingestellt. Unabhängige Berichterstattung findet sich nur online, es existieren „schwarze Listen“ mit Journalist*innen. Der gemeinsame Freund Russland übrigens liegt auf der Rangliste der Pressefreiheit Platz 162.
Das Treffen zwischen Orbán und Weidel ist auch ein Nachbeben des Tabubruchs von Friedrich Merz (CDU), nachdem dieser erstmals im Bundestag einen Antrag zu Migration mit den Stimmen der Rechtsextremen durchgesetzt hatte. Orbán hatte stilecht auf X kommentiert: „Guten Morgen, Deutschland! Welcome to the club!“ Danach kündigten beide Weidels Budapest-Besuch an. Orbán freue sich darauf, dass wieder Mauern in Berlin eingerissen würden, sagte er.
Für die AfD ist das eine kleine Zeitenwende: Die AfD war wegen ihrer ungebremsten Radikalisierung bei den europäischen Rechtsaußenparteien eigentlich in Ungnade gefallen. Nachdem sie den völkische gelesenen Begriff von „Remigration“ normalisiert hat, war der Rassemblement National von Marine Le Pen auf Abstand gegangen. Als dann im EU-Wahlkampf 2024 AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah bestritten hatte, dass es sich bei SS-Offizieren grundsätzlich um Verbrecher gehandelt habe, brach die gemeinsame Fraktion im Brüsseler Parlament auseinander.
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Die AfD musste nach der EU-Wahl eine neue Fraktion mit der extrem rechten Resterampe aus dem Brüsseler Parlament bilden. Nach der Wahl von Trump, der offenen AfD-Unterstützung durch Tech-Milliardär Elon Musk, der möglichen FPÖ-Kanzlerschaft in Österreich, aber auch der begonnenen Demontage der Brandmauer im Bundestag durch CDU-Chef Friedrich Merz haben sich die Zeiten offenbar geändert.
Bei Orbáns rechtsautoritären Familientreffen war die AfD bisher selten zu Gast, was innerhalb der Partei stets für Zerknirschung sorgte. In der AfD wird Orbán und sein autoritärer Staatsumbau Ungarns schon lange als Role Model angehimmelt. Auch in Deutschland zeigt die AfD bereits, wie sie versucht, demokratische Prozesse mit ihrer Sperrminorität zu blockieren.
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