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Wegen Corona-PandemieEinreisestopp für Erntehelfer

Damit sich weniger Menschen infizieren, dürfen 300.000 Saisonarbeiter in der Landwirtschaft nicht mehr einreisen. Spargel dürfte teurer werden.

Schlecht bezahlte Knochenarbeit: Erntehelfer stechen den ersten Spargel in Brandenburg Foto: Paul Zinken/dpa

Berlin taz | Wegen der Coronapandemie dürfen osteuropäische Erntehelfer und andere Saisonarbeitskräfte der Landwirtschaft nicht mehr nach Deutschland einreisen. „Die neuen Einreisebeschränkungen für Saisonarbeiter gelten ab Mittwoch 17 Uhr und gelten bis auf weiteres“, teilte das Bundesinnenministerium der taz mit. Es begründete die Maßnahme mit der großen Zahl Personen, die andernfalls kommen würden, obwohl soziale Kontakte reduziert werden sollten, um die Ausbreitung des Virus zu bremsen. Wegen der Maßnahme könnte das Angebot beispielsweise von Spargel sinken, die Preise steigen.

Zwar waren laut Statistischem Bundesamt 2016 nur 286.000 der 940.000 Arbeitskräfte in der deutschen Landwirtschaft saisonweise – also bis 6 Monate – beschäftigt. Doch gerade „Sonderkulturen“ wie Spargel oder Erdbeeren werden größtenteils von Saisonkräften aus Rumänien oder Polen geerntet. Bei dem Job werden für vergleichsweise geringe Löhne körperlich anstrengende Tätigkeiten erledigt. Meist wird nur der Branchenmindestlohn in Höhe von 9,35 Euro brutto gezahlt, von dem oft auch noch etwas für die Unterkunft abgezogen wird.

„Die Grundversorgung mit Lebensmitteln ist auch ohne Saisonarbeitskräfte weitgehend gesichert“, sagte Sebastian Lakner, Professor für Agrarökonomie an der Universität Rostock, der taz. Rund 55 Prozent der Kulturen auf Ackerflächen in Deutschland seien bereits im Herbst ausgesät worden. „Grundnahrungsmittel wie Getreide, Kartoffeln werden vor allem maschinell geerntet“, ergänzte das Bundesagrarministerium. „Der Selbstversorgungsgrad in Deutschland liegt hier bei über 100 Prozent, genauso wie etwa bei Schweinefleisch, Käse und weiteren wichtigen Erzeugnissen.“

Engpässe könnte es Lakner zufolge vor allem bei der Spargel- und danach der Erdbeerente sowie im Gemüse- und Obstanbau geben. Da die Produktion auch in Südeuropa wegen Corona unter Druck gerät, könnten die Importe beispielsweise aus Spanien sinken.

Bauernverband für lockerere Regeln

„Das Einreiseverbot für unsere Saisonarbeitskräfte trifft unsere Betriebe in der jetzigen Phase sehr hart“, sagte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied. „Dieser Einreisestopp muss so kurz wie möglich gehalten werden. Unsere Betriebe sind bereit, jegliche Maßnahmen zum Infektionsschutz umzusetzen.“

Rukwied forderte Erleichterungen, „um Menschen in und aus Deutschland beschäftigen zu können“. Die bisherigen Lockerungen der Hinzuverdienstmöglichkeiten unter anderem für Bezieher von Kurzarbeitergeld reichten nun nicht mehr aus. Er verlangte, auch die Höchstbeträge für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse zu erhöhen, für die weniger Sozialabgaben fällig werden.

Gewerkschaft: Bauern müssen mehr zahlen

„Das hilft ja jetzt auch nicht, alle möglichen Leute in eine geringfügige Beschäftigung zu treiben“, antwortete Harald Schaum, Vize-Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt. Stattdessen sollten die Arbeitgeber die Löhne erhöhen. „Würden die Löhne für Saisonarbeit über dem gesetzlichen Mindestlohn sein, würde man mehr Beschäftigte aus dem Inland bekommen“, sagte Schaum der taz. Betriebe, die bereits bessere Bedingungen anbieten, bewiesen das. Etwas höhere Löhne würden die Preise nur wenig steigern.

Das Agrarministerium will nun branchenfremde Arbeitskräfte im Inland gewinnen. Bis Dienstagabend hätten 15.000 Menschen auf der vom Ministerium unterstützten Job-Vermittlungsplattform daslandhilft.de ihre Unterstützung angeboten. Man spreche zudem derzeit mit dem Innenministerium darüber, Asylbewerbern ohne Arbeitserlaubnis eine Saisontätigkeit in der Landwirtschaft zu ermöglichen.

Die migrationspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Filiz Polat, bezeichnete den Einreisestopp für Saisonarbeitskräfte als „nicht nachvollziehbar“. Eine Einreisesperre, die nur ausländische Erntehelfer treffe, während andere Berufsgruppen weiterhin einreisen dürften, sei zudem „europarechtlich fragwürdig“. Es sei nun „unerlässlich, dass der Bund sich mit den betroffenen Bundesländern auf ein abgestimmtes weiteres Vorgehen einigt“. (mit afp)

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9 Kommentare

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  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Den Hinweis auf die Spargelernte habe ich als Armutsrentner und Feinschmecker schon vermisst und deshalb mit ganz besonderer Freude aufgenommen.

    Ich kann die Zurückhaltung der GroKo nicht verstehen: es gibt doch wahrlich 'vorbildhafte Modelle' für Arbeitseinsätze auf teutschen Spargelfeldern. Ging doch fröher auch. Natörlich.

    Kranke an die Erntefront! ^^

  • "Man spreche zudem derzeit mit dem Innenministerium darüber, Asylbewerbern ohne Arbeitserlaubnis eine Saisontätigkeit in der Landwirtschaft zu ermöglichen."

    Das ist mal ein guter Ansatz. Es gibt sicherlich noch viele andere Menschen ohne Arbeit, die an der frischen Luft Spargen ernten sich etwas dazu verdienen möchten. Auch SchülerInnen und StudentInnen, wo doch Schulen und Unis ohnehin geschlossen sind.

  • Nachrechnen:



    Wenn die Erntehelfer 5 Euro pro Stunde mehr verdienen wuerden (also ueber 50 % Mehrverdienst) wuerde sich der Spargelpreis um 50 Cent pro Kilo erhoehen: 10,5 Euro statt 10 Euro pro Kilo.



    Was soll also dieses Jammern ?

  • Fresst einfach mal keinen Spargel, ihr verwöhnten Bratzen und spendet das Geld denen, die unterbezahlt sonst dafür buckeln!!!

  • 1968 bin ich mit meiner Schwester zusammen konfirmiert worden.



    Volles Haus, naklar.



    Mittags gab es Spargel mit treudeutsch lekker vom Niederrhein.



    Hat die Eltern ein Vermögen gekostet, damals.



    Tut mal gut, nicht ab normalerweise jetzt an jeder Ecke über Spargel zu stolpern.

    Bleibt gesund, auch ohne Spargel.

  • "Man spreche zudem derzeit mit dem Innenministerium darüber, Asylbewerbern ohne Arbeitserlaubnis eine Saisontätigkeit in der Landwirtschaft zu ermöglichen." Mit Asylsuchenden ohne Arbeitserlaubnis sind jene aus "sicheren" Herkunftsstaaten gemeint (und wurden von Frau Klöckner auch konkret angesprochen) die besonders schlechte Chancen auf Asyl haben. Der Vorschlag lautet im Klartext also: diejenigen die quasi schon auf den (in der Corona Pandemie ausgesetzten) Abschiebelisten stehen noch in dieser Spargelsaison ausbeuten und danach abschieben. Fazit: Menschenverachtend und rechtlich fragwürdig Menschen nur eine Arbeitserlaubnis für einen unterbezahlten Saisonarbeitsjob und zwar einen ganz bestimmten zu erteilen. Sauber wäre hingegen wenn alle Asylsuchende ab Antragsstellung ganz einfach eine Arbeitserlaubnis erhalten. Und wenn sie über die Tätigkeit in chronisch unterbesetzten Branchen (damit sind auch etliche Handwerksberufe gemeint) dann auch aus wirtschaftlichen Gründen (im Sinne der Neuankömmlinge sowie der Wirtschaftsbetriebe die ihre Stellen endlich besetzen konnten) bleiben können wäre das eine win-win Situation.

  • Die jammernden Spargelbauern sollten lieber mal den Mindestlohn zahlen. Da wurde oft getrickst: www.zeit.de/arbeit...hel-peco-insititut



    Corona könnte hier ein reinigendes Gewitter sein.

    • 9G
      91491 (Profil gelöscht)
      @Linksman:

      Genau so ist das 👍



      Ausserdem wird die Spargelsaison ,Jahr für Jahr künstlich, mit immer mehr und dickere Plastikfolien , vorgezogen. Nur um die Spargelgeilheit der Verbraucher zu stillen . Was zu riesigen Plastikbergen führt , wovon der kleinste Teil recycelt wird.

  • Dass Spargel teurer werden könnte, stört mich nun wirklich nicht. Dass der einzige Ausweg mehr Mechnisierung sein wird und dass das kleine landwirtschaftliche Betriebe gegenüber den Großbetrieben weitere Nachteile bringen wird, dagegen schon.



    Da hilft ein höherer Lohn auch nicht - der ist für stark mechanisierte Grossbetriebe leichter zahlbar als für kleine, zwangsläufig weniger maschinell aufgerüstete, Betriebe.