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Wegen Abschiebung von TschetschenenReporterin gibt Preis zurück

Die russische Journalistin Elena Milaschina war für ihr Engagement geehrt worden. Wegen einer Abschiebung hat sie die Medaille nun zurückgegeben.

Elena Milaschina hat 2013 auch den International Women of Courage Award bekommen Foto: dpa

Mönchengladbach taz | Am Freitag hat die russische Investigativjournalistin Elena Milaschina von der Nowaja Gaseta eine kleine Medaille an die französische Botschaft in Moskau geschickt. Mit der Medaille war Milaschina 2017 in eben dieser Botschaft vom deutschen und französischen Botschafter für ihren Mut bei der Aufdeckung von Menschenrechtsverletzungen geehrt worden.

Unter anderem für Milaschinas Aufklärung von außergerichtlichen Hinrichtungen, Folter, ihr Eintreten für Frauenrechte und ihre Texte über die Verfolgung von homosexuellen Tschetschenen hatten die beiden Länder ihr damals den Deutsch-Französischen Preis für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit verliehen. Nun gibt sie ihren Preis zurück.

Der Anlass zu dem wenig diplomatischen Schritt war die Abschiebung des Tschetschenen Magomed Gadajew am Freitag von Paris nach Moskau. Noch wenige Stunden zuvor hatte sich Gadajew aus Protest gegen diese mit einem Messer in der Magengegend verletzt.

Nach seiner Ankunft in Moskau konnte der 37-jährige Gadajew, der 11 Jahre in Frankreich gelebt hatte, zu seinem Bruder in der westsibirischen Stadt Nowy Urengoj weiterreisen. Am Sonntag, so die Nowaja Gaseta, war er von der Polizei von Nowy Urengoj tschetschenischen Polizisten übergeben worden, die ihn sofort nach Tschetschenien brachten.

Gadajew wäre nicht der erste, der spurlos verschwindet

Milaschina fürchtet um das Leben von Gadajew. Dieser war 2010 nach Frankreich geflohen, nachdem er einem Geheimgefängnis in Tschetschenien entronnen war. Anschließend hatte er sich bereit erklärt, die dort erlebten Folter vor Gericht zu bezeugen.

Sollte Gadajew etwas zustoßen, wäre er nicht der erste aus Frankreich abgeschobene Tschetschene, der die Abschiebung nicht überlebt. Die am 12. März beziehungsweise 5. April abgeschobenen Iljas Sadulajew und Lesi Arzujew seien seit ihrer Abschiebung spurlos verschwunden, so Milaschina.

Seit der Enthauptung eines Lehrers durch einen Tschetschenen im vergangenen Jahr würden Tschetschenen in Frankreich einem Generalverdacht ausgesetzt, beklagt sich Milaschina. Ein Frankreich, das nun alle Tschetschenen für das Handeln eines Mörders verantwortlich mache, lasse sich von einem Denken leiten, wie man es von Stalin kenne, der 1944 alle Tschetschenen und Inguschen nach Kasachstan deportiert hatte.

In Frankreich habe offensichtlich nun nicht mehr das Gesetz Vorrang, sondern die Angst, so Milaschina. Sie hätte nie in Tschetschenien arbeiten können, wenn sie Angst gehabt hätte. „Mit Feiglingen gehe ich nicht gemeinsam einen Weg. Und schon gar nicht lasse ich mich von ihnen mit einem Preis auszeichnen“, schreibt Milaschina in der Nowaja Gaseta.

Auch aus Deutschland abgeschobene Tschetschenen sind in Russland nicht sicher. So berichtet die russische Menschenrechtsorganisation „Memorial“, der am 24. März 2021 von Berlin nach Moskau abgeschobene Tschetschene Nurmagomed Mamujew sei seit Ende März spurlos verschwunden.

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2 Kommentare

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  • Es zeigt sich hier wieder einmal ganz deutlich wie Scheinheilig bis Verlogen die Politik der "westlichen Demokratien" ist. Gro0e Achtung vor der russischen Journalistin!

  • Ganz grossen Respekt, Frau Milaschina!

    Wir bilden uns ein, hier in Westeuropa blitzsaubere rechtsstaatliche Demokratien zu haben. Unsere schmutzige Wäsche jedoch... stinkt :-(