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Wasserkrise in BerlinDie Hitze und das Wasser

An Hitzetagen steigt der Wasserverbrauch. Was aber, wenn nicht erst mit dem Kohleausstieg das Wasser knapp wird, sondern schon jetzt? Eine Erkundung.

Einer der 240 Trinkbrunnen der Wasserbetriebe in Berlin Foto: Archiv

Berlin taz | 37 Grad im Schatten, dazu tropische Nächte ohne abkühlendes Lüftchen. Hoch „Bettina“ hat am vergangenen Mittwoch nicht nur die Berlinerinnen und Berliner schwitzen lassen, sondern auch die Berliner Wasserbetriebe. 880.000 Kubikmeter Trinkwasser hat das Unternehmen am bisher heißesten Tag des Jahres ins Netz der Hauptstadt eingespeist. An normalen Tagen sind es 600.000 Kubikmeter.

Wenn es heiß ist, trinken die Menschen mehr Wasser aus dem Hahn, duschen vielleicht zweimal statt einmal am Tag, und die Blumen oder Gärten wollen auch gegossen werden. Mit dem Mehrverbrauch an Trinkwasser steigt gleichzeitig die Abwassermenge. Und mit ihr, sagt Verena Fehlenberg, die Menge an Klarwasser, also in den Klärwerken gereinigtes Abwasser, das dann in die Havel, den Tegeler See, den Müggelsee oder die Spree geleitet wird. Mit dem Klarwasser, so Fehlenberg, gelangten allerdings auch Medikamentenrückstände oder PFAS, sogenannte Ewigkeitschemikalien, ins Grundwasser.

Verena Fehlenberg ist Referentin für Stadtnaturschutz des BUND Berlin und verweist darauf, dass die Wasserbetriebe seit Jahren schon keine nachhaltige Nutzung des Grundwassers mehr betreiben können. „Es wird dauerhaft mehr Grundwasser entnommen als sich neu bilden kann“, sagt Fehlenberg der taz.

Ihre Beobachtung wird gestützt von einem aktuellen Gutachten, das der BUND beim Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) in Auftrag gegeben hat. Das Ergebnis: In Berlin stünden alle Grundwasserkörper unter Stress. Besonders betroffen sei der Südosten Berlins: „Dort wird 40 Prozent mehr gefördert als durch Niederschlag wieder ausgeglichen werden kann.“

Liegt Berlin auf dem Trockenen?

Liegt Berlin bald auf dem Trockenen? Diese Frage wird seit den Hitzesommern ab 2018 immer wieder gestellt. Nein, sagen die Wasserbetriebe und verweisen darauf, dass 60 Prozent des Berliner Trinkwassers nicht direkt aus dem Grundwasser, sondern aus sogenanntem Uferfiltrat gewonnen werde. Über Tiefbrunnen fördern die Wasserwerke versickertes Wasser aus Spree, Havel und Co. Aus den Grundwasserleitern selbst wird nur ein Drittel des Trinkwasserbedarfs gefördert. Weitere zehn Prozent sind angereichertes Grundwasser.

Es gebe trotzdem keinen Grund für Entwarnung, sagt Verena Fehlenberg. Denn nicht nur das Grundwasser stehe in Berlin unter Stress. Auch die Spree führe immer weniger Wasser. „Die Lage wird nicht erst dramatisch, wenn die Spree nach dem Kohleausstieg weniger Wasser führen wird“, sagt sie. „Die Lage ist schon jetzt dramatisch.“

Bereits vor der jüngsten Bullenhitze hatte die B.Z. über eine interne Analyse der Senatsumweltverwaltung berichtet. Demnach führte die Spree im Mai nur halb so viel Wasser wie im langjährigen Mittel. Noch weniger wird es sein, wenn 2038 der Braunkohletagebau in der Lausitz endet und kein abgepumptes Grundwasser mehr in die Spree geleitet wird. Solche „Sümpfungswasser“ machen im Jahresmittel 50 Prozent, im Sommer sogar 75 Prozent des Spreewassers aus. Das hatte 2023 ein Gutachten des Umweltbundesamtes ergeben.

Vor allem die Politik diskutiert seitdem immer wieder mögliche Lösungen. Der Bund soll eine 500 Millionen teure Überleitung von der Elbe in die Spree bezahlen, forderten die Ministerpräsidenten von Sachsen, Brandenburg und Berlin auf einem Spreegipfel vergangenes Jahr. Die Grünen verlangen, dass der Bergbaubetreiber Leag nach dem Ende des Tagebaus Welzow-Süd die Grube nicht einfach so mit Spreewasser volllaufen lassen darf wie beim Tagebau Cottbus-Nord, aus dem inzwischen der Cottbuser Ostsee wurde. Und warum nicht die Tagebauseen zu Wasserspeichern machen?

„Das sind politische Entscheidungen“, sagt dazu Stephan Natz, der Sprecher der Berliner Wasserbetriebe. Allerdings plädieren auch die Wasserbetriebe dafür, Welzow-Süd nicht einfach nur zu fluten. Auch mehr Wasserrückhalt in der Landschaft, der Waldumbau oder das Schwammstadtprinzip finden die Zustimmung der Wasserbetriebe. Viele dieser Forderungen stehen ohnehin im „Masterplan Wasser“, mit dem der Senat auf die drohende Wasserkrise reagiert.

Trinkkwasser aus Abwasser?

Was aber, wenn nichts oder nur wenig davon umgesetzt wird? Was, wenn das Grundwasser noch mehr unter Stress gerät und der Spree das Wasser ausgeht? Kann auch aus Abwasser Trinkwasser gewonnen werden?

Auf der Jahrespressekonferenz der Wasserbetriebe lobte Vorstand Frank Brockmann Ende Juni die „Resilienzstrategie“ des Unternehmens. Dazu gehörten nicht nur die Wiederinbetriebnahme der Wasserwerke Johannisthal und Jungfernheide. Auch in neue Reinigungsstufen der Klärwerke werde investiert. So bekam etwa das Klärwerk Waßmannsdorf bei Schönefeld eine neue „Flockungsfiltrationsanlage“, mit der Phosphor aus dem Abwasser gefiltert werden kann.

Mit der von der EU beschlossenen Herstellerverantwortung werden die kommunalen Wasserunternehmen künftig auch finanziell entlastet. Denn die Hersteller von Pharmazeutika und Kosmetika sollen mindestens für 80 Prozent der Kosten aufkommen, die durch die zusätzliche Behandlung in den Klärwerken anfallen. All das wird aber nicht dazu führen, dass eines Tages Trinkwasser nur aus Abwasser gewonnen werden kann. Einen „schönen Traum“ nennt das Natz. Und es wäre wohl auch ein teurer.

Also arbeiten die Wasserbetriebe mit einer Doppelstrategie gegen die Wasserkrise an: so viel wie möglich aus dem Abwasser filtern, damit das Klarwasser das Grundwasser möglichst wenig beeinträchtigt – und dazu beitragen, dass der Wasserverbrauch sinkt. Nur eines wollen die Wasserbetriebe nicht: Diejenigen (auch unter den Unternehmen) zur Kasse bitten, die viel Wasser verbrauchen. Oder diejenigen mit einem niedrigen Preis zu belohnen, die bereits sparen.

Den Berliner Grünen ist das zu wenig. Sie fordern vom Senat, die 32 Maßnahmen, die im „Masterplan Wasser“ genannt werden, deutlich schneller umzusetzen. Dazu gehört auch, möglichst viel Wasser in der Stadt zu halten, sagt June Tomiak der taz. Tomiak ist Sprecherin der Grünen-Fraktion für Gewässerschutz und fordert, das Wasser von Dächern nicht in die Kanalisation zu lenken, sondern zu den naheliegenden Kleingewässern.

Denn auch viele der „blauen Perlen“ drohen auszutrocknen. Zum Beispiel der Kiezteich im Thälmannpark in Prenzlauer Berg. Lange Zeit wurde er mit Trinkwasser befüllt, um ihn zu erhalten. Dann wurden in der umgebenden Grünanlage Filter eingebaut, die ihn mit Regenwasser füllen. All das kostet Geld. „Wir fordern für die Kleingewässer deshalb mehr Geld für die Sanierung und Geld für die Bezirke zur Pflege“, sagt Grünen-Politikerin Tomiak.

Es sind die vielen kleinen Maßnahmen, die nötig wären. So könnten die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften mit gutem Beispiel vorangehen und auf einen zweiten Wasserkreislauf setzen: Toiletten müssen nicht mit Trinkwasser gespült werden, Brauchwasser reicht.

„Auch wenn es noch keine Not gibt bei der Wasserversorgung wissen wir, was die Auswirkungen sein werden“, sagt June Tomiak. „Ich glaube, es ist der Moment da, dass wir krass Alarm schlagen müssen.“

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