: Wasser- und Windkraft mit Verfassungssegen
■ Bundesgerichtshof hält Stromeinspeisegesetz für verfassungsrechtlich unbedenklich. Stromkonzerne müssen Erzeuger auch künftig ordentlich bezahlen
Berlin (taz/dpa) – Gute Zeiten für Windräder und Wasserkraftwerke. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat gestern in einem Grundsatzurteil entschieden, daß das sogenannte Stromeinspeisegesetz zur Förderung erneuerbarer Energien verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Der Betreiber zweier kleiner Wasserkraftwerke im Schwarzwald setzte sich gegen seinen regionalen Stromkonzern Kraftwerke Rheinfelden durch, der die Zahlung der gesetzlich vorgeschriebenen höheren Vergütung über Monate verweigert hatte.
Abgesehen von der Freude beim Kläger hat das Urteil des BGH grundsätzliche Bedeutung. Deutschlands Strommonopolisten müssen auf absehbare Zeit den Erzeugern von Wind-, Wasserkraft und Solarstrom einen erhöhten Preis für jede Kilowattstunde (Kwh) Strom bezahlen. Für Windkraft liegt der vorgeschriebenen Preis bei 90 Prozent der durchschnittlichen Verkaufserlöse der Konzerne für eine Kilowattstunde – rund 17 Pfennig. Wichtig vor allem: Die Konzerne müssen den Ökostrom abnehmen.
Diese 1990 vom Bundestag verabschiedeten Regelungen hatten in den vergangenen Jahren zu einem wahren Boom gerade beim Bau von Windkraftanlagen geführt. Weil moderne Windkraftanlagen den Strom billiger als für 17 Pfennig pro Kwh erzeugen können, winkte den Bauherren ein sicherer Gewinn. Wurden 1990 noch 100 Millionen Kilowattstunden Windstrom erzeugt, waren es 1995 schon 1,8 Milliarden Kwh.
In den Küstenländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen, aber zunehmend auch in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg schossen Windfarmen bis 1995 nur so aus dem Boden. Niedersachsen hat sich das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2005 rund 2.000 Megawatt an Windstromkapazität am Netz zu haben, soviel wie zwei Atomkraftwerke.
In diesem Jahr hatte es einen deutlichen Einbruch gegeben. Die jetzt für illegal erklärte Weigerung einiger Stromkonzerne, den erhöhten Preis weiterzuzahlen, hatte Investoren und kreditgebende Banken verunsichert. Die Stromkonzerne rechneten im Sommer vor, sie hätten schon 1994 für immerhin 350 Millionen Mark Strom aus erneuerbaren Energieträgern gekauft und dabei 135 Millionen Mark mehr bezahlt als am Markt notwendig. Der Staat zwinge sie zur Subventionierung der erneubaren Energien. Das Stromeinspeisegesetz sei deshalb verfassungswidrig und ein schwerwiegender Eingriff in die wirtschaftliche Freiheit der Konzerne.
Dem widersprach gestern der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs. Nach seiner Ansicht war der Gesetzgeber berechtigt, die Stromkonzerne zur Zahlung der höheren Preise zu verpflichten, zumal die finanzielle Belastung relativ gering sei und das Gesetz eine Härteklausel enthalte.
Die Stromkonzerne trügen als Monopolisten eine besondere Verantwortung dafür, daß bei der Energieversorgung auf das Erfordernis der Ressourcenschonung und die Belange des Klima- und Umweltschutzes Rücksicht genommen werde. ten
(Aktenzeichen: KZR 19/95, 22. Oktober 1996)
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