Was kann die Fifa-Reform?: Geplante Selbstentmachtung
Der Wahlkampf um die Präsidentschaft ist im Gange. Bedeutsamer ist die Abstimmung über Reformen. Ein Überblick.
Es sind nicht nur Fifa-Funktionäre, die noch fremdeln mit den Reformen. Auch die Fifa-Online-Abteilung steht offenbar mit den Neuerungen, die am Freitag auf dem Fifa-Kongress in Zürich zur Abstimmung stehen, auf Kriegsfuß, denn klickt man auf das viel versprechende Wörtchen „Reformpaket“, dann heißt es auf fifa.com: „Sie haben das Ziel verfehlt.“ Das könnte auch bei der Abstimmung am Freitag passieren. Die Reformen müssen mit einer Dreiviertelmehrheit beschlossen werden, also mindestens 157 von 209 Delegierten dafür stimmen. Das wird schwierig genug. Aber worüber stimmen sie konkret ab?
1. Umgestaltung der Fußballregierung: Bisher bestimmte das Exekutivkomitee der Fifa (Exko) die grundsätzliche Ausrichtung und die Vergabe von Weltmeisterschaften. In diesem Komitee saßen 25 Personen, darunter der Präsident und seine acht Vizepräsidenten sowie eine einzige Frau. Das Exko leitet derzeit der 69-jährige Kameruner Issa Hayatou. Künftig soll es einen sogenannten Fifa-Rat mit 36 Köpfen geben, darunter 6 Frauen. Jeder Kontinentalverband entsendet, je nach Größe und Bedeutung, unterschiedlich viele Delegierte in den Aufsichtsrat der Fifa. Die Uefa soll 9 Plätze erhalten (vorher: 8). Andere, wie der asiatische Verband, bekämen prozentual mehr Einfluss.
2. Der Geschäftsführer als neues Machtzentrum: Dieser Posten, der einem Chief Executive Officer, also einem Vorstandsvorsitzenden in einem Unternehmen entspricht, wird künftig viel wichtiger, denn die Fifa-Geschäftsführung soll zum Strategiezentrum ausgebaut werden. Hier werden die wichtigsten Entscheidungen vorbereitet und das Tagesgeschäft erledigt. Der CEO erhält zusätzliche Kompetenzen und wird durch den Fifa-Rat, dem der Präsident als eine Art Aufsichtsratsvorsitzender vorsitzt, kontrolliert. Der Generalsekretär hat wiederum eine Berichtspflicht an den Fifa-Rat.
3. Frauenquote im Fifa-Rat: Lydia Nsekera aus Burundi war bislang die einzige Frau im exklusiven Kreis der Fifa-Oberen. Die Australierin Moya Dodd fungierte als „kooptiertes Mitglied für spezielle Aufgaben“. Künftig soll die Frauen-Quote im Fifa-Rat bei 16,6 Prozent liegen, wobei die Unterschiede zwischen den einzelnen Kontinentalverbänden gravierend sind. Die Quoten reichen von 33 Prozent (Ozeanien) bis 11 Prozent (Europa).
4. Reduzierung der Ausschüsse: Über die Jahre hat man das Organisationssystem so lange aufgebläht, bis sich auch jedes einzelne der 209 Mitgliedsländer wichtig fühlen konnte. 26 Kommissionen gab es zuletzt. Nun soll das System gestrafft und effizienter werden. Neun Kommissionen bleiben übrig. Und die zu verteilenden Ämter werden auch dort verknappt, um Kungelei zu verhindern. In den wichtigen, wie der Finanzkommission oder der Governance-Kommission müssen mindestens 50 Prozent der Mitglieder, der Vorsitzende und sein Stellvertreter externe Kandidaten sein. Das genaue Prozedere zur Besetzung der Kommissionen muss aber noch festgelegt werden.
5. Amtszeitbegrenzung und Integritätscheck: Bis zuletzt war die Fifa ein geschlossener Klub, der illustre Senioren mit reichlich krimineller Energie vereinte. Künftig sollen die Mitglieder des neu eingeführten Fifa-Rats und der Präsident maximal 12 Jahre ihre Amtsgeschäfte in der Fifa ausüben dürfen. Dafür müssen allerdings erst einmal 75 Prozent des Seniorenklubs votieren. Bereits auf dem Fifa-Kongress 2014 wurden die beiden Reformvorhaben zur Abstimmung gebracht. Weil nur so wenige Delegiertenhände in die Höhe gestreckt wurden, verzichtete man auf eine genauere Auszählung.
6. Unabhängigkeit der rechtlichen Instanzen: Bislang wurde die Besetzung der Kontrollgremien danach ausgerichtet, dass auch mal ein Verbandsfunktionär – ob aus Papua-Neuguinea oder von den Turks- und Caicosinseln – ein wichtiges Pöstchen bekam. Lediglich die Führungspositionen der Organe wurden unabhängigen Experten anvertraut. Künftig hingegen soll die Ethikkommission, die Compliance-Abteilung, Disziplinarkommission oder das Berufungskomitee ausschließlich mit externen und unabhängigen Experten besetzt werden, die nicht der großen Fußballfamilie angehören.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen