Warentester über EU-Staubsaugerregel: „Diese Watt-Protzerei ist Unsinn“

Ab Montag dürfen nur noch Staubsauger mit weniger als 1.600 Watt Leistung verkauft werden. Kein Problem für die Kunden, sagt Werner Hinzpeter von der Stiftung Warentest.

„Es saugt und bläst der Heinzelmann, wo Mutti sonst nur blasen kann“: Staubsaugervertreter in einem Sketch von Loriot. Tabelle: youtube.com

taz: Herr Hinzpeter, jetzt dürfen keine Staubsauger mehr in den Handel gebracht werden, die mehr als 1.600 Watt Leistung haben. Manche Verbraucher überlegen, noch schnell eins der letzten Geräte mit viel Power zu kaufen. Wäre das klug?

Werner Hinzpeter: Auf keinen Fall. Diese Watt-Protzerei ist Unsinn. Unsere Tests zeigen seit Jahren: So viel Leistung braucht kein Mensch.

Aber für Laien klingt es logisch, dass hohe Wattzahl eine hohe Saugleistung bedeutet. Warum stimmt das nicht?

Die Motorleistung sagt nichts darüber aus, wie viel Saugkraft tatsächlich am Boden ankommt. Entscheidend dafür ist, dass die Düsen aerodynamisch konstruiert und alle Bauteile gut aufeinander abgestimmt sind. Und wenn wirklich die volle Kraft von 2.000 Watt auf den Boden gebracht wird, dann kann man die Sauger kaum mehr schieben. Die kleben praktisch am Teppich.

Die EU-Vorgaben sind also kein Problem?

Nein, überhaupt nicht. Den Grenzwert von 1.600 Watt erfüllen allein seit 2011 schon 27 Staubsauger, die von uns die Note „Gut“ bekommen haben. Und einer der beiden Sieger beim letzten Test brauchte nur 870 Watt. Damit erfüllt er jetzt schon den Grenzwert, der erst ab 2017 gilt. Viele sind längst da, wo die EU hinwill.

Staubsauger, die in der EU verkauft werden, müssen ab dem 1. September mit einem neuen Label versehen sein. Dieses enthält Angaben von A (gut) bis G (schlecht) über die Energieeffizienz, die Reinigungsleistung auf Teppich und Hartboden sowie den Staubgehalt der Abluft. Zudem werden der Lärmpegel und der jährliche Stromverbrauch angegeben.

Andere Haushaltsgeräte tragen schon lange ein ähnliches Label. Die Effizienzskala wurde über die Jahre teilweise verändert. Bei Lampen geht sie von A++ (gut) bis C (schlecht), bei neuen Waschmaschinen, Kühlschränken und Geschirrspülern von A+++ (gut) bis A+ (schlecht).

Im nächsten Jahr folgen EU-Regeln unter anderem für Kaffeemaschinen, WLAN-Router, Backöfen und Dunstabzugshauben. (mkr)

Wenn es so einfach und sinnvoll ist: Warum erfüllen nicht längst alle Modelle diese Anforderungen ganz ohne Zwang?

Ich glaube, die Hersteller sind Opfer ihrer eigenen Werbestrategie geworden. Eine Wattzahl versteht jeder Kunde sofort, auch wenn sie nichts über die tatsächliche Saugleistung aussagt. Teilweise sind die Angaben auch reine Protzerei: Der Testsieger von Siemens hat real nur 870 Watt aufgenommen, auf der Packung waren aber 1.200 Watt angegeben. Offenbar galt auch da die Annahme, dass sich vermeintlich hohe Leistung besser verkauft als hohe Effizienz.

Gilt das Verbot auch für Internetanbieter?

Die Regelung sagt, dass der Handel ab Montag keine neue Ware oberhalb der Wattgrenze mehr einkaufen kann. Da das für die ganze EU gilt, dürfte Internethandel weitgehend abgedeckt sein, denn der läuft meist über Tochterfirmen oder Importeure in der EU. Möglich bleibt natürlich, ein Watt-Monster direkt in den USA zu bestellen, dann zu verzollen und mit einem passenden Stecker zu versehen und zu hoffen, dass es auch mit 230 Volt funktioniert.

Demnächst nimmt sich die EU Kaffeemaschinen und Wäschetrockner vor. Ist das sinnvoll?

Der 48-jährige Wissenschaftsjournalist arbeitet bei der Stiftung Warentest. Als Hausstauballergiker interessiert er sich auch privat für gute Sauger.

Bei Geschirrspülern, Kühlschränken oder Lampen gibt es seit vielen Jahren Vorgaben und dort hat sich gezeigt, dass sie zu erheblichen Innovationen führen, von denen die Verbraucher profitieren. Allerdings sind die Angaben auf dem EU-Label teilweise verwirrend, weil da auch noch Effizienzklassen draufstehen, die gar nicht mehr erhältlich sind. Zudem ist das Label mitunter wenig realitätsnah. Bei Waschmaschinen etwa beurteilen sie nur das Energiesparprogramm. Das optimieren die Hersteller dann, aber viele Kunden verwenden es gar nicht. Bei der Stiftung Warentest machen wir hingegen das tatsächliche Nutzerverhalten zur Grundlage für unsere Bewertung.

Wenn die effizienten Geräte so gut sind – warum kann man nicht auf Grenzwerte verzichten und auf den mündigen Verbraucher setzen?

Verbraucher werden von den Grenzwerten profitieren. Sie sparen Strom, ohne auf gute Geräte verzichten zu müssen.

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