Walter Rosenkranz: Stramm rechter Nationalratspräsident
Walter Rosenkranz (FPÖ) ist nun Österreichs Erster Nationalratspräsident. Er relativierte NS-Verbrechen und ist Mitglied bei „Libertas“.
Die Ruhe vor dem Sturm währte nicht lange. Erst letzten Donnerstag wurde Walter Rosenkranz, 62, zum Ersten Nationalratspräsidenten gewählt. Es ist das zweithöchste Amt der Republik Österreich und nicht nur repräsentativ wichtig. In geheimer Wahl stimmten 100 der 183 Abgeordneten für ihn, weit über die FPÖ-Parteigrenzen (57 Abgeordnete) hinaus. Damit setzen die Parlamentarier die üblichen Gepflogenheiten fort. Nämlich, dass die erstplatzierte Partei auch den Parlamentspräsidenten stellt. Diesmal eben die FPÖ, die bei der Wahl vor einem Monat erstmals auf Platz eins kam.
Bereits drei Tage später, am Sonntag, platzte die erste Bombe: Rosenkranz empfängt am Donnerstag Viktor Orbán in Wien. Ausgerechnet den Mann, der nichts vom Parlamentarismus und kritischer Opposition hält und die ungarische Justiz zerstörte. Es ist die größtmögliche Provokation. Zumal Rosenkranz in seinem Amt überparteilich agieren müsste.
Wer Rosenkranz kennt, kann aber kaum verwundert sein. Der Strafverteidiger und langjährige FPÖ-Abgeordnete gilt als stramm rechts. Mehrmals hat er für die rechtsextreme Zeitschrift Aula geschrieben. Seit 1981 ist er Mitglied der schlagenden Burschenschaft Libertas, die 1878 als erste im deutschsprachigen Raum einen „Arierparagraphen“ eingeführt hatte, also Juden explizit ausschloss.
Im Sammelband „150 Jahre Burschenschaften in Österreich“ hatte Rosenkranz 2009 mehrere Nationalsozialisten als „Leistungsträger“ bezeichnet. Unter ihnen Johann Karl Stich, der als Generalstaatsanwalt am Oberlandesgericht Wien „an maßgeblicher Stelle für den NS-Justizterror verantwortlich war“, so der Historiker Andreas Kranebitter. Stich ließ unter anderem mehr als 40 politische Häftlinge im April 1945 erschießen.
Der „braune Wolf im Schafspelz“
In einem ORF-Interview meinte Rosenkranz nun, die Liste unkritisch „abgeschrieben“ zu haben. Neuerlich distanzierte er sich aber nicht von Stich und Konsorten. Im ORF verteidigte er, sein erstes großes Interview nach Amtsantritt dem rechtsextremen Sender AUF1 gegeben zu haben: „Es sind keine Verbrecher am Mikrofon und hinter der Kamera. Warum soll ich mit denen nicht reden?“ Dass der Verfassungsschutz AUF1 als rechtsextrem einstuft, beirrt ihn nicht.
Ebenso wenig, dass zahlreiche zivilgesellschaftliche und jüdische Organisationen ihn vehement kritisieren. Zur Gedenkveranstaltung der Pogrome vom 9. November 1938 in Wien werde er jedenfalls erscheinen, egal ob auch jüdische Vertreter teilnehmen oder eben nicht.
Als „braunen Wolf im Schafspelz“ bezeichnete ihn Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, bereits vor zwei Jahren. Damals wollte Rosenkranz Bundespräsident werden, unterlag aber dem wiedergewählten Alexander Van der Bellen. Vor seiner Wahl zum Parlamentspräsidenten erinnerte Deutsch die Abgeordneten an die umfassenden Rechte und Pflichten ihres Präsidenten: „Wird ein Mitglied deutschnationaler Verbindungen dieser Verantwortung gerecht?“
Als „betont versöhnlich“ hatten viele Beobachter Rosenkranz’ Antrittsrede vom Donnerstag noch beurteilt. Eine Einschätzung, die sich überholt haben dürfte. Am Sonntag sagte Rosenkranz, dass er den russischen Präsidenten Wladimir Putin empfangen würde, wenn es einem Friedensschluss dienlich sei.
Klar ist: Auch wenn die FPÖ nicht mitregieren wird – was noch nicht ausgemacht ist –, sitzt sie an immer mehr Schalthebeln der Republik. Rosenkranz kann zudem als Nationalratspräsident nicht abgewählt werden. Österreich steht vor langen fünf Jahren.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott
Autoritäre Auswüchse beim BSW
Lenin lässt grüßen
Pro und Contra Sanktionen gegen Iran
Lauter Druck versus stille Diplomatie
BSW in Thüringen auf Koalitionskurs
Wagenknecht lässt ihre Getreuen auf Wolf los
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument
Krise bei VW
Massiver Gewinneinbruch bei Volkswagen