piwik no script img

Waldsterben in DeutschlandMehr Wasser, weniger Rotwild

Der Wald muss sich selbst heilen, sagen Experten. Viel menschlicher Umbau sei dafür nicht nötig. Die Jagd spiele jedoch eine wichtige Rolle.

Hungrige Rothirsche: Sie essen im Winter besonders gerne junge Nadelbäume Foto: S. Meyers/blickwinkel/imago

Berlin taz | Was tun, wenn der Wald stirbt? Bäume pflanzen? Rehe schießen? Abwarten? Der Verband „Die Waldeigentümer“ fordert, „die verbliebenen Wälder so schnell wie möglich an das veränderte Klima“ anzupassen. Das will er durch eine „systematische Waldpflege durch eine nachhaltige Holznutzung“ erreichen. „Nur so werden die Wälder angemessen licht gehalten, damit sich stabile Einzelbäume mit großen Kronen und eine möglichst baumartenreiche Naturverjüngung entwickeln können“, schreiben die Waldbesitzer als Reaktion auf den Waldzustandsbericht 2022.

Für die Sicherung der Holzversorgung sei es zudem wichtig, dass neben heimischen Laubbaumarten auch zuwachsstarke Nadelbäume nachgepflanzt werden, heißt es weiter, schließlich sei Holz ein zentraler nachhaltiger Rohstoff. Das heißt: Die Waldbesitzer wollen so weitermachen wie bisher.

Mathias Graf von Schwerin bewirtschaftet im Nordosten einen Mischwald. „Wir hatten zwar Regen in diesem Winter, doch unsere alten Eichen leiden sehr und sterben sukkzezive ab“, sagt von Schwerin. Die Fichte hat er längst abgeschrieben, „die wird aus Brandenburg verschwinden, wie aus dem Harz oder dem Sauerland“. In Brandenburg ist der Wald trotz des feuchten Winters trocken: Im Südosten gab es den ersten Waldbrand des Jahres schon vergangene Woche.

Von Schwerin beobachtet, dass die Trockenheit der letzten Jahre den Waldboden verändert hat: „Die Kapillarwirkung im Boden wurde unterbrochen, bestimmte Schichten sind wohl ausgetrocknet und lassen das Wasser gar nicht mehr weiter nach unten durchsickern.“ Diese Schäden in der Bodenstruktur verhindern, dass der Boden sich durchfeuchtet, junge Bäumchen haben es schwerer, zu wachsen. „Viele Neupflanzungen überleben den ersten Sommer nicht“, sagt von Schwerin. Das Wasser im Wald halten sei Voraussetzung für seinen Umbau.

Bessere Bedingungen schaffen

Das sieht auch Sven Selbert so, Waldexperte des Naturschutzbundes Nabu. Entwässerungsgräben müssten geschlossen, Moore im Wald wieder vernässt werden. „Wir müssen die Bedingungen schaffen, damit der Wald sich selbst helfen kann“, sagt Selbert. Seine Selbstheilungskräfte seien die beste Möglichkeit, einen klimaresilienten und biodiversitätsreichen Wald zu schaffen.

Ein Wald, in dem Bäume verschiedener Arten und verschiedenen Alters stehen, würde Risiken wie Schadinsekten, Stürmen oder Dürren besser standhalten, sagt Selbert. In einem solchen Wald „ändert sich das Waldinnenklima, die Verdunstungsrate, die Verschattung“, sagt von Schwerin, „die Bedingungen im Wald verbessern sich so von Jahr zu Jahr und er stabilisiert sich – wenn wir dazu noch genügend Zeit haben.“

Viel menschlicher „Umbau“ sei dazu nicht nötig, sagt Selbert. „Es wäre schon viel gewonnen, wenn wir dezidiert schädliche Waldbehandlung stoppen würden“, fordert er. So finanziere die Bundesregierung jährlich mit Millionensummen Maßnahmen wie Kahlschläge und Räumung von Schadholzflächen. Tatsächlich sehen die Förderrichtlinien noch immer Zuschüsse für den Bau von Wegen oder die Räumung von Forstflächen vor, die Stürmen oder Borkenkäfern zum Opfer gefallen sind.

Dabei wäre etwas anderes wichtiger, sagt Mathias von Schwerin. „Wir bekommen den Waldumbau nicht hin, weil wir zu wenig jagen“, sagt er. Der zu hohe Wildbestand in Deutschland sei ein entscheidender Faktor dafür, dass der Waldumbau nicht funktioniere. Schossen die Jäger in deutschen Revieren laut Statista im Jahr 2001/2002 noch 57.500 Rothirsche, waren es 2020/21 knapp 76.500.

Reform des Jagdrechts

Rotwild frisst, vor allem im Winter, bevorzugt junge Bäume. Naturschützer fordern daher seit Jahren, das Jagdrecht zu erneuern und den Waldbesitzern mehr Einfluss auf die Jagd zu verleihen. Allerdings waren in den vergangenen Jahren alle Bemühungen erfolglos: Das Bundesjagdgesetz scheiterte in der vergangenen Legislaturperiode an der Union, in NRW schaffte sie das reformierte Jagdgesetz ab. Und in Brandenburg scheitert der grüne Umweltminister in der Sache offenbar an der SPD.

„Im Moment scheint das Jagdgesetz nicht refomierbar“, sagt Selbert, „es steht nicht im Koalitionsvertrag, und bislang setzt die Ampel ja nicht mal das um, was sie sich dort vorgenommen hat.“ Allerdings könnte man das Thema im neuen Bundeswaldgesetz ansprechen und dort eine Pflicht zum Monitoring des Wildes verankern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Ich halte die Jagd im allgemeinen für kontroproduktiv, sie kann kein zentraler Bestandteil einer ökologischen Waldbewirtschaftung sein. Auch die großen Pflanzenfresser sind ein wichtiger Teil des ökosystems Wald. Wenn schon gejagd wird, ist die Art und Weise der üblichen Jagd für ein verjüngung des Waldes vollkommen kontraproduktiv. Schaut man sich an wie in unserer Landschaft die Hochsitze stehen, meist mit Blick auf die Freiflächen, kann man sich nur die Augen zu Halten, fördert die bejagung so doch beim Wild die Angst vor der Freifläche wo es mit seiner äsung keinen Schaden anrichtet - und zwingt das Wild ängstlich in die Bestände wo es die jungen Bäume schädigt.



    Schade das auch der Nabu im wesentlichen dem Narrativ der Jäger folgt, wundern tut dies allerdings nicht, wo doch viele NABU Mitglieder samt des Chefs gerne Ihr Hobby mit der Waffe nachgehen.



    Ich wünschte mir das beim Thema Jagd mehr auf Menschen wie Josef Reichholf gehört werden würde.



    Eine sehr gute Schrift, ist die vom NABU Mitgliedern verfasste verlinkte Studie - leider ist es nicht die offizielle Nabuposition und wird auch von der öffentlichkeit kaum beachtet.



    www.wildes-bayern....nagement_final.pdf

  • Hm, wie ist das nochmal mit dem Jagen und der Anzahl an mit Vernunft vertretbaren zu jagenden Tiere? taz.de/Kritik-an-R...rechtes/!5745563/?



    Liebe Jäger, hört erst mal auf, die Beutegreifer zu jagen, wenn sie nicht krank sind. Und züchtet Euch keine Geweihträger für Eure Trophäen heran. Damit wäre schon viel gewonnen.

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Wolf und Luchs können nur einen Teil dazu beitragen, das zu richten, was schnellst möglich umzusetzen nötig ist. Am Ende können Beutegreifer die Beute nicht allein so in Kontrolle halten, wie dies in bewirtschafteten Wäldern wegen der dort unvermeidlichen Eingriffe und damit verbundenen Unterschiede zu vollständig natürlichen Bedingungen erforderlich ist. Das Populationsgleichgewicht zwischen Beute und "Räuber" wird auch in Naturgebieten von der Lebensgrundlage der Beute bestimmt, nicht vom Beutegreifer.



    "Skandal" ist ein abgedroschenes und untertreibendes Wort für die Geschichte der Jagdgesetzgebung in der BRD. Die Dreistigkeit der Grünröcke, dafür zu sorgen, auf Kosten der Allgemeinheit ihrem Privilegiendünkel zu folgen, ist nahezu beispiellos. Das ist viel zu wenig in der Öffentlichkeit. Die Lobby ist bestens in den entsprechenden sozialen Schichten verfilzt.

  • jagen?

    Der Wolf und der Luchs müssen und können das richten.

    • @Friderike Graebert:

      Das sehe ich auch so. Der Mensch sollte sein Verhältnis zu anderen Tieren und zur Natur schnell überdenken und verändern. Sich und seine Einflüsse zurücknehmen und Tieren und Pflanzen mehr Raum geben.

    • @Friderike Graebert:

      Ja, auch, aber nicht jedes Waldgebiet ist groß und einladend genug für Wölfe und Luchse. Persönlich finde ich ja die Vorstellung von "Rette den Wald! Iss regionales Hirschragout!" durchaus verlockend für den Übergang...

    • @Friderike Graebert:

      Die werden in den größten Teilen Deutschlands nicht so heimisch werden wie in der Lausitz. Dazu sind die Waldflächen zu klein. Aber richtig - sie fressen fast alles kahl.

      • @Wombat:

        Damit nennen Sie einen weiteren Zustand, der auch geändert werden muss. Die Beendigung von Flächennutzung und stattdessen Renaturierung. Stopp der Ausweisung neuer Bebauungsgebiete und Straßen. Transformation der Landwirtschaft hin zu einer hauptsächlich bio veganen. Ein Großteil jetziger Flächen für Futtermittelanbau sollte renaturiert werden. Es müssten zusammenhängende Naturgebiete geschaffen werden - jetzige Wälder könnten erweitert und mittels Korridoren verbunden werden. Andernorts könnte mensch Entwässerung zurücknehmen und Moore entstehen lassen. Dadurch würde mensch nicht zuletzt auch den Lebensraum für Luchs und Wolf vergrößern.

        • @Uranus:

          Und was hilft die biovegane Landwirtschaft nun gegen den Verbiss von Rotwild im Wald? Eben gar nichts.

          Und den Wolf haben Sie in den Wälder nur in der BLÖD-Zeitung als Raptor in jedem Wald gegen Rehchen und Rotkäppchen herum laufen.

          Der allergrößte Teil DEs insbesondere die Waldreichen Mittelgebirge sind aber Wolf-frei ( de.wikipedia.org/w...land_2020-2021.svg )

          • @Rudolf Fissner:

            " Und was hilft die biovegane Landwirtschaft nun gegen den Verbiss von Rotwild im Wald?"



            Wenns denn unbedingt nötig ist hilft Enzelbaumschutz, wahrscheinlich essen sich allerdings die grossen Pflanzenfresser im wesentlichen angstfrei ohne jagddruck in der freien Landschaft an Gräsern undwildkräutern satt. Auch im jagdfreien Engadin Nationalpark verjüngt sich der Wald - trotz Jagd verjüngen wir in Deutschland den Wald meistens verbisssicher hinter Zäunen.