Waldorfschulen und Leistung: Auch Waldorfkinder haben ein Recht auf Bildung
Ein Platz an der Waldorfschule kostet den Staat weniger als an der Regelschule. Dennoch sollte er dafür sorgen, dass die Bildung vergleichbar ist!
S eit über hundert Jahren werden in Deutschland Kinder und Jugendliche an Waldorfschulen unterrichtet – und es scheint kaum zu interessieren, wie es ihnen geht. Waldorfpädagogik wird finanziert und normalisiert. Aber die inzwischen 252 Waldorfschulen, die nach einem eigenen Lehrplan unterrichten, werden kaum kontrolliert. Geht man wegen der zumeist bildungsbürgerlichen Elternhäuser und der erfolgreichen Abiture davon aus, dass es schon okay sein wird? Und ist nebenbei froh, sparen zu können?
707 Millionen Euro Steuergelder erhielten die Waldorfschulen 2022. Bei 90.578 Waldorfschüler*innen ergibt sich dadurch eine Entlastung der Staatskassen von 2.400 Euro pro Kind im Vergleich zu einem Regelschulplatz. Aber sollte der Staat nicht dennoch Sorge tragen, dass Waldorfkinder eine vergleichbare Allgemeinbildung und Kinderschutz erhalten? Bestandene Abschlussprüfungen alleine reichen als Kontrollmechanismus sicher nicht aus, wie Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern zeigen.
Die britischen Waldorfschulen wurden 2019 von Ofsted (Office for Standards in Education) evaluiert und nur sechs der 26 Waldorfschulen genügten den Anforderungen. Die Chefinspektorin Amanda Spielman stellte fest, dass „es eine Reihe gemeinsamer Schwachstellen in diesen Schulen gibt, was bedeutet, dass die Kinder, die sie besuchen, in vielen Fällen unzureichend geschützt sind und eine schlechte Bildungsqualität erhalten“. Sie forderte daher, die Regierung solle „eine gründliche Untersuchung der zugrunde liegenden Prinzipien der Waldorfpädagogik durchführen“.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kam die Referatsleiterin der schwedischen Schulaufsichtsbehörde Anna Bergqvist nach einer Evaluation 2023, bei der nur acht der 35 inspizierten Waldorfschulen den Anforderungen genügten – wieder gab es Probleme in Bezug auf Lehrplan und Kinderschutz. Bergqvist meinte, es sei besorgniserregend, dass viele Schulen die gleichen Mängel aufwiesen. Das könne bedeuten, dass sie mit der Waldorfpädagogik zusammenhingen.
In Frankreich werden Eltern durch den Bericht der Miviludes, einer Behörde für Sektenfragen, davor gewarnt, ihre Kinder Waldorfschulen anzuvertrauen. Der Bericht spricht unter anderem von einer „Art permanenter religiöser Atmosphäre“ und von Vorgehensweisen, durch die Waldorfschüler*innen „sich einer sektenartigen Logik öffnen“. Wollen französische Waldorfschulen eine staatliche Finanzierung, müssen sie sich eng an staatliche Vorgaben halten und deutliche Kompromisse eingehen. Grundsätzlich ist dort die Teilnahme an Lernstandserhebungen in den dritten, sechsten und neunten Klassen Pflicht. Zudem gab es in den letzten Jahren auch unangekündigte Inspektionen der Schulaufsichtsbehörde – die teils gravierende Mängel feststellten und in wenigen Fällen zu Schulschließungen führten.
In Österreich stand in diesem Jahr die Waldorfschule Villach nach einer Routineprüfung der Bildungsdirektion wegen gravierender Mängel kurz vor der Schließung.
Was würde wohl passieren, wenn auch bei uns Waldorfschulen regelmäßig und systematisch überprüft würden? Wenn sie alle an den bundesweiten Vergleichsarbeiten (Vera) teilnehmen müssten? Wenn das wollseidene Kuschelimage nicht alle in Sicherheit wiegen würde? Auch Waldorfkinder haben ein Recht auf Bildung und Kinderschutz!
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