Waldbrände in Griechenland: Das Ende der Entspannung

Die Brände auf den griechischen Inseln haben fatale Folgen für Natur und Wirtschaft des Landes. Aber für danach hat die Regierung große Pläne.

Ein einzelner Sonnenschirm liegt kopfüber am Strand, neben verbrannten Sonnenliegen und Sonnenschirmen

Verbrannter Strandabschnitt auf Rhodos, 24. Juli 2023 Foto: Petros Giannakouris/dpa

ATHEN taz | Eine weitere Hiobsbotschaft ereilte die Griechen am Mittwoch, am Tag neun der verheerenden Waldbrände auf der Urlaubsinsel Rhodos. Das israelische Außenministerium empfahl den Bürgern des Landes, nicht auf die Insel zu reisen, bis der Ausnahmezustand aufgehoben sei.

Mehrere Tage lang wüteten die Brände im ganzen Land. Bei den Löscharbeiten auf den Inseln kamen zwei Piloten ums Leben. Laut ersten Schätzung sind allein auf Rhodos 130 Quadratkilometer Fläche betroffen, fast ein Zehntel der Insel. Mittlerweile ist die Situation unter Kontrolle.

„Griechenland befindet sich mitten in einer Hitzewelle. Sie bringt extreme Temperaturen von bis zu 45 Grad Celsius mit sich“, erklärte das israelische Außenministerium. Man empfehle, nicht in die Gegend zu reisen, bis sich die Situation normalisiert habe und der Ausnahmezustand nicht mehr gelte.

Für die Griechen ist das ein herber Schlag – mitten in der Hochsaison. Sie reagieren prompt – mit drastischen Preisnachlässen, um noch zu retten, was zu retten ist. Bei einem führenden britischen Reiseveranstalter kostet eine Woche Urlaub auf Rhodos für eine vierköpfige Familie mit Abflug an einem Samstag Ende Juli 295 Pfund (344 Euro) pro Person.

Eine Stornierung nach der anderen

Das ist halb so viel wie vor den Feuer­infernos und den damit einhergehenden Evakuierungen auf Rhodos. Darin enthalten sind der Flug, der Transport sowie die Unterkunft im Norden der Insel, also weit entfernt von den Waldbränden, die den Südosten und das Landesinnere von Rhodos heimsuchen.

Zum Vergleich: Für einen entsprechenden Familienurlaub im türkischen Dalaman, genau gegenüber von Rhodos, ist beim gleichen Anbieter aktuell das Doppelte (590 Pfund oder 688 Euro) pro Person zu berappen.

Trotz der Billigangebote für Rhodos: Es hagelt Stornierungen. Christos Michalakis, Präsident der Reisebüros in der Region, sagt: „Es gibt sowohl für den August als auch für September Stornierungen. Denn selbst wenn die Hotels im Süden von Rhodos geöffnet sind, kann der Kunde seinen Urlaub ändern. In der Tat sagen viele, sie wollen keine Insel besuchen, die so viel Zerstörung erlitten hat. Sie machen woanders Urlaub.“

Dabei sollte es für den griechischen Tourismus ein Rekordjahr werden. Griechenland lag auf Platz fünf der von den Europäern in dieser Saison bevorzugten Reiseziele. Das hatte eine Studie des Marktforschungsunternehmens Mindhouse ergeben. Die Landschaft genießen (19 Prozent), die lokale Küche ausprobieren (17 Prozent) und die Kultur kennenlernen (15 Prozent) – das erhofften sich Reisende von ihrem Aufenthalt am meisten.

Der Start in die neue Saison verlief zunächst verheißungsvoll. Das ursprüngliche Ziel der Regierung in Athen war es, im laufenden Jahr bei den Direkterlösen, also bei den Ausgaben der Touristen vor Ort, erstmals die ominöse Marke von 20 Milliarden Euro zu knacken. Der damalige griechische Tourismusminister Vassilis Kikilias sprühte jedenfalls vor Zuversicht. „Es sieht sehr gut aus. Dieses Jahr werden wir eine neue Bestmarke verbuchen.“

Der Optimismus ist verflogen. Schon vor den Feuerinfernos im Juli hatten Teuerung und Wucherpreise Besucher abgeschreckt. Der Präsident der kretischen Hoteliersvereinigung, Manolis Tsakalakis, äußerte sich bereits vor den fortgesetzten und heftigen Hitzewellen und Waldbränden besorgt: 950.000 deutsche Touristen hätten ihren Griechenlandurlaub für diesen Sommer kurzerhand storniert.

Fest steht: Griechenland, das sich im Frühjahr 2010 in den faktischen Staatsbankrott manövrierte, ist hochgradig vom Tourismus abhängig.

Griechenland will ganzjährig Urlauber anlocken

Mykonos, Paros, Naxos, Santorin, Kreta, Korfu, Kos und Rhodos: In guten Jahren trägt allein die Reisebranche bis zu einem Viertel zur jährlichen Wirtschaftsleistung bei. Seit Jahrzehnten gilt der einheimische Tourismussektor als die „Schwerindustrie“ schlechthin. Das wird auch so bleiben. Die Griechen haben schlicht keine andere Wahl. Sie richten ihren Blick in die Zukunft. Mittelfristig soll „die geografische und zeitliche Ausdehnung des griechischen Tourismus“ erreicht werden. Das sieht jedenfalls der „Nationale Plan für den griechischen Tourismus 2030“ vor, den der Verband der griechischen Touristikunternehmen (SETE) vor geraumer Zeit präsentierte.

Will heißen: Ganz Griechenland soll eine Destination für Urlauber aus aller Welt werden, beispielhaft auch der bisher touristisch vernachlässigte Norden Griechenlands.

Dafür sollen 36 Ziele in den landesweit 13 Regionen schwerpunktmäßig durch die Verbesserung und den Ausbau der Infrastruktur, die Digitalisierung, die Aufwertung des touristischen Angebots, den Umweltschutz sowie die Stärkung des Unternehmertums gefördert werden.

Ferner soll Griechenland ein Ganzjahresziel für Urlauber aus dem Ausland werden, die sich nicht mehr nur auf die Sommermonate konzentrieren sollen. Die Waldbrände auf Rhodos, Korfu und anderswo könnten der Katalysator dafür sein, dass diese Transformation nun schneller als geplant vollzogen wird – notgedrungen.

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