piwik no script img

Wahlwerbespot von „Die Partei“ZDF zeigt ertrinkendes Kind nun doch

„Die Partei“ wirbt in ihrem EU-Wahlspot für die Seenotretter von Sea-Watch. Das ZDF lehnte zunächst die Ausstrahlung ab – sendet ihn jetzt aber.

„Ertrinken dauert so lange wie dieser Film.“ Ausschnitt aus dem Werbespot Screenshot: Wahlspot von „Die Partei“

Berlin taz | Die Spaßpartei „Die Partei“ um den Komiker Martin Sonneborn ist fürs Provozieren bekannt – meist auf ironische oder zynische Weise. Anders nun ihr Wahlwerbespot zur Europawahl: Das anderthalbminütige Video zeigt einen kleinen Jungen, der im Mittelmeer ertrinkt, und wirbt für die Seenotretter von Sea-Watch. Das ZDF sperrte sich deshalb zunächst gegen die Ausstrahlung, will den Spot nun aber doch zeigen – in abgeänderter Form.

Noch am Dienstag hatte der Mainzer Sender die Absage damit begründet, dass es sich nicht um einen Wahlwerbespot handele, sondern um einen Unterstützungsaufruf für Sea-Watch. Daher, so die Ansage des Senders, werde die geplante Ausstrahlung an diesem Mittwochabend um 22.10 Uhr abgesagt.

Das Video, das bislang unveröffentlicht ist, aber der taz vorliegt, zeigt einen kleinen Jungen mit rotem Pullover, der unter Wasser ums Überleben kämpft. Er versucht, mit letzter Kraft an die Wasseroberfläche zu kommen – vergeblich. Er ertrinkt.

Die Botschaft ist klar: Der Spot soll auf die Geflüchteten aufmerksam machen, die täglich die gefährliche Fahrt übers Mittelmeer wagen, um nach Europa zu gelangen. Immer wieder kommt es dabei zu Unglücken – bei denen Menschen qualvoll ertrinken. Sea-Watch versucht dies zu verhindern.

Wahlwerbespot oder Seawatch-Werbung?

Das Problem an dem Spot: Dass es sich bei dem Beitrag um Wahlwerbung von „Der Partei“ handelt, wird nicht ersichtlich. Nirgendwo wird der Name erwähnt, auch das Parteilogo fehlt. Dies ist der Grund, weshalb das ZDF die Ausstrahlung anfangs ablehnte.

Doch nun die Kehrtwende: Das ZDF will den Spot heute Abend doch zeigen, wie ein Sprecher des Senders der taz bestätigte. Allerdings nicht die ursprüngliche Version, sondern eine leicht veränderte, in der am Ende auch das Parteilogo zu sehen ist. Zudem wird auf die anfängliche Einblendung der Erstversion, wonach es sich bei dem Spot um keine Wahlwerbung handele und die EU für den Inhalt verantwortlich sei, verzichtet.

„Scharfrichter über die Meinungsbildung“

Sea-Watch hatte die ursprüngliche Absage scharf kritisiert. „Das ZDF schwingt sich zum Scharfrichter über die Meinungsbildung auf“, sagte Marie Naaß von der in Berlin ansässigen Organisation. Zum öffentlich-rechtlichen Auftrag gehöre auch, das „massenhaften Sterbenlassen“ im Mittelmeer aufzuzeigen. Auch „Die Partei“-Chef Sonneborn kritisierte den Sender.

Die Öffentlich-Rechtlichen sind zur Ausstrahlung von Wahlwerbung verpflichtet. Sie müssen den Parteien eine „angemessene Sendezeit“ einräumen. Zugleich müssen Wahlwerbesendungen als solche gekennzeichnet werden. Die Sender dürfen Spots nur ablehnen, wenn sie eindeutig keine Wahlwerbung darstellen oder offensichtlich gegen allgemeine Gesetze, insbesondere Strafvorschriften, verstoßen. Erst kürzlich hatte das ZDF einen NPD-Spot wegen Volksverhetzung abgelehnt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • 8G
    83191 (Profil gelöscht)

    Ist doch ne saubere Entscheidung vom ZDF. Es geht ihnen ja nicht um den Inhalt, sondern um die Art der Kennzeichnung.

    Einen Wahlwerbespot ohne Kennzeichnung als Wahlwerbespot zu verkaufen ist schon irgendwie grenzwertig

  • Die Entscheidung ob jemand schuldhaft und ungerechtfertigt Tatbestände des Strafgesetzbuches erfüllt, obliegt also der selbsternannten 4. Gewalt. Und nicht, wie ich immer dachte, der Rechtsprechung. Wieder etwas gelernt.

    • @Kevin Dude:

      Ob etwas rechtens ist oder nicht, was man tut, sollte sich jedermann schon mal selbst überlegen. Es soll sich keiner hinter einem Befehlsnotstand verstecken.

      Sprich, das ZDF darf nichts illegales senden, nur weil eine Partei das so befiehlt.

      Die NPD kann die Entscheidung ja vor Gericht prüfen lassen.

      • @R R:

        Ob etwas illegal ist oder nicht, liegt nicht im Ermessen irgendeines Fernsehsenders.

  • Die Partei - Wohl noch die letzten, die sich nicht permanent als Nabel der Welt betrachten. Applaus!

  • Ich weiß, es ist eine für viele unangenehme Ansicht. Aber Seawatch und generell diejenigen, die behaupten retten zu können, sind einer der Hauptinitiatoren und Motivatoren für den Versuch von Menschen, die oft nicht einmal schwimmen können, über das gefährliche Mittelmeer zu flüchten.

    Wir brauchen eine legale Rettungsbrücke über Land nach Europa. Oder zumindest Organisiert und für Flüchtlinge planbar und übersichtlich über das Meer.

    Zur Zeit ertrinken die Menschen in der Untätigkeit Europas und in den falschen Versprechungen selbst ernannter Seenotretter wie Seawatch.

    • @Kevin Dude:

      Es sind schon zehntausende beim Versuch der Flucht über das Mittelmeer ertrunken, bevor Seawatch oder irgendwer sonst versucht hat, sie systematisch zu retten.

      Das scheint mir diese Ansicht, nach der die schon aufhören zu flüchten, wenn man nur genug von ihnen ertrinken läßt, recht eindeutig zu widerlegen.

      Oder?