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Wahlsiegerin Maia Sandu in MoldauFrieden durch Sprachenpolitik

Bernhard Clasen
Kommentar von Bernhard Clasen

Der prowestliche Kurs von Maia Sandu hat viele Gegner im Land. Die neue Präsidentin sollte besonders auf die Minderheiten im Land zugehen.

Maia Sandu, Wahlsiegerin in Moldau Foto: Roveliu Buga/ap

N ach ihrem klaren Wahlsieg bei den Präsidentschaftswahlen in Moldau kann Maia Sandu bald mit der Umsetzung ihrer Vorhaben beginnen. Und dass die Reise, zu der sie ihr Volk mitnehmen will, nach Westen geht, steht außer Zweifel. Dafür spricht nicht zuletzt auch die Biografie der früheren Weltbankberaterin.

Trotz der Eindeutigkeit ihres Siegs sollte sie sich klar darüber sein, dass eine große Minderheit in Moldau diesen Weg bestenfalls mit Bauchschmerzen mitgehen wird. Insbesondere eine Vereinigung mit Rumänien wäre für den Teil der Bevölkerung, der im russischsprachigen Transnistrien oder im türkischsprachigen Gagausien lebt, eine Provokation. Dort hat man mit überwältigender Mehrheit für den Amtsinhaber und damit gegen jegliche Westanbindung gestimmt.

Doch nicht nur dort, wo eine prowestliche Orientierung abgelehnt wird, ist mit Widerstand zu rechnen. Auch in der Hauptstadt Chișinău gibt es immer wieder Konflikte zwischen Russisch- und Rumänischsprachigen. Sandu muss eine Politik des Ausgleichs anstreben. Dass Konfrontation zu Blutvergießen führen kann, hat der Bürgerkrieg um Transnistrien 1992 gezeigt.

Eine Politik des Ausgleichs heißt, dass die neue Präsidentin auf diejenigen zugehen muss, die ihr nicht die Stimme gegeben haben. Gerade mit der Sprachenpolitik kann man viel Porzellan zerschlagen. Das muss nicht sein: Nicht jeder Russischsprechende ist auch ein Putin-Fan. Eigentlich ist die Alternative „Westorientierung oder Förderung der russischen Sprache“ eine Fiktion. Maia Sandu kann das Land nach Westen führen und gleich allen Versuchen, die russische Sprache im Land weiter zurückzudrängen, eine klare Absage erteilen.

Sandu hat einen Kontrahenten mit einem Vorsprung von 15 Prozentpunkten besiegt, gegen den sie bei der vorigen Wahl noch verloren hatte. Halten oder gar ausbauen kann sie ihren Vorsprung bei der nächsten Wahl nur, wenn sie auch die Interessen derer berücksichtigt, die ihr dieses Mal die Stimme nicht gegeben haben.

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Bernhard Clasen
Journalist
Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.
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5 Kommentare

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  • Leider hat das Präsidentenamt in Moldawien wenig Gewicht. Das Moldauische ist übrigens nicht nur" eng verwandt mit dem Rumänischen", es ist Rumänisch in kyrillischer Schrift, mit einigen russischen Neologismen versetzt. Auch die Moldauische Akademie der Wissenschaften sieht das so. Einige Gesetze bezeichnen die Sprache des Landes als "Moldauisch" andere Gesetze wiederum als "Rumänisch". Mit anderen Worten: die Bezeichnung "Moldauisch ist ein Phantom, ein sowjetisches politisches Konstrukt. Wenn Sie nochmal nachlesen, wie die Moldauische SSR von sowjet.Seite gegründet wurde als diese noch Teil Rumäniens war, werden ihnen die Augen aufgehen. de.wikipedia.org/w...che_Sowjetrepublik.

    Dass Russland die Minderheiten instrumentalisiert und mit Propaganda das Hirn wäscht ist ganz offensichtlich, die Gagausen und Transnistrier sprechen ganz überwiegend russisch, Überbleibsel der SU, und konsumieren vor allem russische Medien, gleiches gilt für die Transnistrier, das normale sowjetische Völkergemisch mit russisch als Umgangssprache, an letzteren konnte schon Anfang der 90er das Modell durchexerziert werden was jüngst im Donbass in der Ukraine angewandt wurde, eine Taktik, die übrigens schon von der Bolschewiki angewandt wurde, man bindet einer (potentiell) abtrünnigen Region des Imperiums einen "Konflikt" auf, der großteils von Moskau erschaffen wurde und hält diese Länder so an der Kette. Das dahinterstehende Prinzip ist altbekannt: Teile und Herrsche. Die Armenier und Aserbaidschaner hat man mit der Grenzziehung in einen Konflikt verwickelt, so kann Russland Armenien noch bis zum jüngsten Tag als Satellit halten, und hat in den jetzt wieder Azerbaidschan zugeschlagenen Gebieten auch wieder einen Fuß drin, als "Friedenstruppe". Kommt ihnen das bekannt vor, Herr Clasen? Und wie im Kaukasus spielt auch in Gagausien die Türkei mit, so werden die Minderheiten von Putin u Erdogan mit Propaganda gefüttert und mit ein bisschen Geld auch.

  • Wahrlich viel Unsinn in einem so kurzen Kommentar konzentriert. Ich möchte Herrn Clasen darüber informieren, dass es keine "moldauische" Sprache gibt, sondern nur eine rumänische. Das "moldauische Volk" und dessen "Sprache" ist eine Erfindung der Sowjets, um in dem von ihnen besetzten Gebiet Rumäniens die Gehirnwäsche im Sinne der Zwangsrussifizierung effektiver zu betreiben. Zweitens möchte ich betonen, dass man in Moldawien ohnehin weit genug auf die Minderheiten zugegangen ist. So weit, dass man ihnen sogar die Autonomie zugestanden hat. In diesen "Zonen" wird die amtliche Staatssprache -also, nochmal, die rumänische Sprache- abgelehnt, sowie weitestgehend die rumänischstämmige Bevölkerung unterdrückt und entrechtet. Von solchen Sonderrechten können die türkischstämmigen Minderheiten in Deutschland nur träumen. Aber so ist es eben - heutzutage kann sich jeder Journalist nennen.

    • Bernhard Clasen , Autor des Artikels, Journalist
      @Ronic:

      Wir haben die Bezeichnung der Sprache in der Republik Moldau in „rumänisch“ geändert.

      Ich möchte meine Befürchtungen zur Entwicklung in Moldau darlegen:



      Eindrücklich hat die Situation mit den Separatisten in der Republik Moldau der derzeitige Botschafter der Republik Moldau in Wien und von 2009 bis 2013 stellvertretender Außenminister der Republik Moldau, Andrej Popov, 2017 auf einer Pressekonferenz in Kiew beschrieben.

      Zum Transnistrien – Konflikt berichtete Andrej Popov, dass seit dem Waffenstillstand von 1992 niemand mehr an der Waffenstillstandslinie ums Leben gekommen ist.



      Die Republik Moldau, so Popov, unternehme viel, um die Kontakte zwischen den Menschen in den von der Regierung kontrollierten Gebieten und in Transnistrien zu erleichtern und den Menschen in Transnistrien zu zeigen, dass sie als Menschen willkommen seien. 45.000 Studierenden aus Transnistrien besuchten derzeit moldauische Universitäten. Die Republik Moldau erkenne transnistrische Autonummernschilder an.



      Moldau, so Popov, sei derzeit Haupthandelspartner von Transnistrien. Transnistrien erhalte von Moldau Handelspräferenzen. Fußballmannschaften von Transnistrien spielen in der Gesamtbundesliga von Moldau mit. Und wenn eine Fußballmannschaft von Transnistrien im Ausland spiele, spiele diese unter der moldauischen Fahne, so Popov.

      Die Republik Moldau hat es also in zäher Kleinarbeit geschafft, einen Modus Vivendi mit den Separatisten zu finden, der derzeit einen blutigen Konflikt unmöglich erscheinen läßt. Doch dieser Modus Videndi ist sehr labil. Wer einer Vereinigung von der Republik Moldau und Rumänien und einem weiteren Zurückdrängen der russischen Sprache in der Republik Moldau das Wort redet, macht ein Aufflammen des blutigen Konfliktes von 1992 wahrscheinlicher.



      Glücklicherweise macht Frau Sandu das nicht.

      Bernhard Clasen

      Hier die Pressekonferenz von Andrej Popov und seinem georgischen Kollegen Paata Zakareishvili auf Youtube:

      www.youtube.com/watch?v=1dSpFKYnTIU



      (leider nur auf russisch).

      • @Bernhard Clasen:

        Danke für ihren Beitrag. Ich verstehe ihren Punkt Herr Clasen, die Aufrechterhaltung des Friedens, des Zusammenlebens u der Wirtschaftstätigkeit hat oberste Priorität. ich denke aber anderseits nicht, dass der Kern des Problems der Status der russ Sprache oder irgendeiner anderen Minderheitensprache ist, auch wenn sich, wie in einigen anderen früheren Sowjetrepubliken auch, einige Vertreter der Hauptnationalität mit dieser schwer tun. Der Streit zielt doch auf Russland selbst, R zieht hinter diesen Separatisten die Fäden, R hat in Transnistrien, wie im Donbass, wie in Abchasien, Südossetien, Militärkontingente stehen und hat die Konflikte zum Teil selbst geschaffen oder angeheizt. Ich vermute mal, Sie meinen es sei ein vielversprechender Ansatz diese Konflikte zu lösen indem man die Bevölkerungen dieser separatistischen Regionen von sich überzeugt und auf seine Seite zieht. Ich bin da eher skeptisch, entscheidend sind leider nicht die Bevölkerungen dieser Gebiete sondern die russ Truppenkontingente, wenn sich Moldawien, Georgien u die Ukraine wohlverhalten und den Status Quo anerkennen, dann wir Putin freundlich nicken, wenn, wie im Fall Moldawiens, die Regierung soweit geht und Transnistrien noch quasistaatliche Symbole zuerkennt dann verliert es irgendwann seine Ansprüche ganz. Irgendwann wird es für den Kreml ein leichtes diese Gebiete ganz herauszubrechen. Wohlverhalten bringt gar nichts (die Bevölkerung dieser Gebiete zu versorgen etc ist richtig, und dass man im Austausch bleibt ist gut, so entfremdet man sich nicht), ein Mafiaboss, und Putin agiert wie ein solcher, wird sich deshalb aber nicht zurückziehen, er erhält seinen Einfluss und seine Rolle als Hegemon nur aufrecht indem er seine Truppen weiter vor Ort belässt, so kann er auch jederzeit die Lage eskalieren bei Unbotmäßmäßigkeit. Was helfen könnte ist ständig, überall und auf allen Ebenen - auch in der EU die verdeckte Besatzung durch Russland klar als solche zu erkennen, zu benennen u anzuprangern.

      • @Bernhard Clasen:

        Ich bedanke mich für Ihre Korrektur. Sie müssen wissen, dass für jeden wahren Rumänen der Verlust Bessarabiens und anderer Gebiete an die Sowjets, sowie der anschließende Vernichtungsversuch rumänischer Bevölkerung und Kultur, das größte Drama der Nationalgeschichte bedeuten. Daher ist es für uns unerträglich, wenn jemand gewollt oder -wie Sie, vermutlich- ungewollt das grausame Spiel jener Besatzer mitspielt. Die aktuelle politische Lage haben Sie richtig erkannt - es ist ein Pulverfass, den Herr Putin oder einer seiner zahlreichen Satrapen vor Ort vielleicht anzünden wird. Und zwar unabhängig von eventuellen Veränderungen der Privilegien sog. Minderheiten. Ich sage "sogenannter", weil sich jene Teile der Bevölkerung selber nicht als Minderheiten, sondern als Unabhängige betrachten, was sie durch die territoriale und sprachliche Abspaltung vom Staat bereits gezeigt haben.