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Wahlsieg von Sebastian KurzGewonnen, aber nichts zu gewinnen

Ralf Leonhard
Kommentar von Ralf Leonhard

Sebastian Kurz will in Österreich seine Mitte-Rechts-Politik fortsetzen. Allein, es fehlen ihm dafür geeignete Koalitionspartner.

So sehen Sieger ohne Chancen aus Foto: ap

S ebastian Kurz hat die Nationalratswahlen in Österreich triumphal gewonnen und steht jetzt vor Koalitionsverhandlungen, bei denen ernichts zu gewinnen hat. Die über 37 Prozent der gültigen Stimmen sieht er als Auftrag, eine „ordentliche Mitterechtspolitik“ fortzusetzen. Von den drei Partnern, die ihm dafür zur Verfügung stünden, ist aber keiner dafür geeignet. Die FPÖ, mit der er 17 Monate lang regierte, hat unter Kurz eine stramm rechte Anti-Ausländerpolitik salonfähig gemacht. Sie ist der größte Wahlverlierer und hat sich selbst aus dem Spiel genommen.

Eine Viertelmillion Wähler sind zur ÖVP abgewandert, wo sie sich am besten aufgehoben fühlen. Selbst der geschmeidige Kurz wird sich schwerlich eine Neuauflage der Koalition mit der von Skandalen gebeutelten Partei schönreden können. Die FPÖ-Chefs sehen außerdem nur in der Opposition die Möglichkeit, ihre Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.

Die SPÖ, die unter der sympathischen Pamela Rendi-Wagner ihr historisch schlechtestes Ergebnis (22 Prozent) aufarbeiten muss, wäre zwar sicher bereit, als Juniorpartner große Konzessionen zu machen, doch Kurz selbst hat die Gesprächsbasis mit den Sozialdemokraten extrem belastet. Eine Rückkehr zum Feindbild der einst „großen“ Koalition der beiden Traditionsparteien – von Kurz als „Koalition des Stillstands“ verteufelt – würde auch sein Image als mutiger Erneuerer beschädigen.

Bleiben die Grünen, die sich aus der außerparlamentarischen Opposition in die Rolle des Königsmachers katapultiert haben. Bei der ÖVP-Basis und den Landeshauptleuten im Westen, die selbst erfolgreich mit Grünen regieren, hätte diese Paarung den meisten Sex-Appeal.

Allerdings können es sich die Ökos, die von einem Hoch der Klima- und der Fridays-for-Future-Bewegung ins Parlament getragen wurden, das was Kurz unter „ordentlicher Mitterechtspolitik“ versteht, unter keinen Umständen mittragen. Sie würden nicht nur ihre eigenen Überzeugungen verraten, sondern auch ihre Wähler im Handumdrehen wieder verlieren. Speziell die Basis in Wien, die nächstes Jahr eine rot-grüne Stadtregierung zu verteidigen hat, zeigt sich äußerst skeptisch gegenüber einer Allianz mit Sebastian Kurz. Österreich stehen lange und langwierige Koalitionsverhandlungen bevor.

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Ralf Leonhard
Auslandskorrespondent Österreich
*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.
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10 Kommentare

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  • Salonfähige Rechtsfront

    Zitat: „Die über 37 Prozent der gültigen Stimmen sieht er als Auftrag, eine „ordentliche Mitterechtspolitik“ fortzusetzen. Von den drei Partnern, die ihm dafür zur Verfügung stünden, ist aber keiner dafür geeignet. Die FPÖ, mit der er 17 Monate lang regierte, hat unter Kurz eine stramm rechte Anti-Ausländerpolitik salonfähig gemacht.“

    Das sieht Meret Baumann in der gestrigen NZZ auch so: „Mit der FPÖ würde man sich inhaltlich schnell einigen, das alte Regierungsprogramm böte die Grundlage. Der ÖVP-Chef wurde im Wahlkampf auch nicht müde zu betonen, wie zufrieden er mit der gemeinsamen Sacharbeit gewesen war. Diesen Kurs fortzusetzen, hat er seinen Wählern versprochen.“

    Das ist auch sehr plausibel, alle anderen Kombinationen als mit der FPÖ wären politische Mésalliancen. Der Vorteil einer Rechtsfront-Neuauflage bestünde darin, aller Welt ungeschminkt vorzuführen, daß Konservative und „Rechtspopulisten“ im Grunde aus gleichem Holz geschnitzt sind und seit je signifikante doktrinale und programmatische Schnittmengen aufweisen. Dafür bot der verstorbene frühere Staatspräsident Frankreichs Chirac Belege, die an Eindeutigkeit keine Wünsche offen lassen, z. B.: „Je mehr Einwanderung es geben wird, desto mehr Unsicherheit wird es geben. Das ist kein ethnisches Problem, aber unsere Einwanderung ist eine minderwertige Einwanderung. Wir steuern auf schwere Rassenkonflikte zu als Folge der Weigerung der Franzosen, von anderen Kulturen überfallen zu werden. Alle Rassen haben den Instinkt, sich selbst zu erhalten.“ („Plus on aura d’immigration, plus on aura d’insécurité. Ce n’est pas une question ethnique mais notre immigration est une immigration bas de gаmme. On va vers de graves conflits raciaux qui seront la conséquence du refus des Français d’être envahis par d’autres cultures. Toute rаce a l’instinct de se préserver.“) In: Le Nouvel Observateur, Dezember 1990.

  • Der Autor verschweigt bei seiner Darstellung, dass die bisherigen großen Koalitionen stets uas SPÖ - ÖVP bestanden und die FPÖ nicht bzw nur kurzfristig daran beteiligt war. Weshalb sollte Herr Kurz ein Bündnis FPÖ - SPÖ (mit ihm als Kanzler) jetzt ablehnen? Das ist ja eher eine pragmatische als eine ideologische Entscheidung.

  • Die Grünen sollten Kurz bei seiner Politik unterstützen, falls er im Gegenzug zum Schutz des Klimas die Steuern auf Benzin und Strom verdoppelt.

    Uns bleiben nur noch wenige Jahre um das Klima noch zu retten und in anderen Punkten wie Sozialpolitik und Migration/Flüchtlinge findet man sowieso keine Übereinstimmungen, deshalb sollten die Grünen die richtige Priorität setzen und den Rest allein Kurz überlassen.

    Nichts wäre schlimmer für das Klima als eine Koalition ohne die Grünen. Es würde das Todesurteil für unsere Kinder und Enkel bedeuten, wenn man jetzt nichts tut. Die prognostizierten sieben Grad mehr bis zum Jahr 2100 können wir nicht aushalten.

    • @Elroy Banks:

      Wetten, dass Nationalismus noch mehr Schaden anrichtet, als der Klimawandel?

      Wenn sich die Grünen mit Kurz einlassen, wird er sie aussaugen und in spätestens 4 Jahren ist dann endgültig Schluss mit Klimaschutz.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Wenn man erst in vier Jahren anfängt, über Klimaschutz nachzudenken, ist es zu spät! Das muss HEUTE geschehen!

        Der Nationalismus gefährdet vielleicht das Überleben die klimaschädigenden Menschheit, jedoch anders als der Klimawandel nicht das gesamte Leben auf dem Planeten Erde.

        Die ÖVP ist ausserdem weniger nationalistisch als ihr bisheriger Koalitionspartner FPÖ und sehr beliebt im Volk. Ohne die Grünen als Umweltlobbyisten in der Regierung würde die ÖVP die nächsten vier Jahre nichts für den Umweltschutz tun und die Chance, unseren Planeten vielleicht doch noch zu retten, ungenutzt verstreichen lassen.

        • @Elroy Banks:

          Auf mehr als Scheinmaßnahmen wird sich Kurz nicht einlassen. Es ist ein allgemeiner Traum, dass man die Schwarzen (bzw. Schwarzbraunen) irgendwie angrünen kann. Da kommt maximal so ein Witz wie unser "Klimapaket" heraus. Und so etwas rechtfertigt keine Koalition mit Halbnazis.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            "Traum"? schon viel zu oft passiert, z.B. Winfried Kretschmann.



            Das etwas für das Klima rauskommen kann, liegt nur an der Verhandlungsstärke der Grünen. Und die haben doch nichts zu verlieren, wenn Sie nur keine faulen Kompromisse eingehen. Kurz muß liefern - er hat den Auftrag eine Regierung zusammen zu stellen, nicht die Grünen. Wenn Kurz am Ende doch kneift und keine Koalition mit den Grünen eingeht, dann kann die grüne Partei der rechten Mitte Kompromisslosigkeit und Verantwortungslosigkeit für die nächste Generation, wie auch für die Familien vorhalten.



            Also traut Euch doch. Nehmt Euch ein Beispiel an Greta - wie haben schließlich nichts zu verlieren und keine Zeit mehr auf freundliche Einladungen zu warten.

            • @Sonnenhaus:

              "Winfried Kretschmann"

              ...wurde sehr schnell zum besten Freund von Daimler & Co.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Sie haben Recht, unter "Klimapaket"-Bedingungen dürfen sich die Grünen natürlich niemals auf eine Koalition einlassen, sonst sinken sie sehr bald wieder unter die 5-Prozent-Hürde.

            Falls sie jedoch eine Vervielfachung des Strom-/Benzinpreises heraus holen können, müssen weitere Bedenken aus bloss politischen Gründen ganz ausser Acht gelassen werden. Wir haben schliesslich nur diesen einen Planeten und Greta Thunberg hat uns deutlich gemacht, dass wir keine Zeit mehr haben!

            Ist ihnen die Klimakatastrophe etwa weniger wichtig als ihre politischen Präferenzen?

            • @Elroy Banks:

              "Falls sie jedoch eine Vervielfachung des Strom-/Benzinpreises heraus holen können..."

              Ach Sie glauben auch, dass man das Klima mit indirekten Maßnahmen über den Preis retten kann? Das wird nicht klappen.

              Besser ist es, direkt vorzugehen. Also Enddatum für den verkauf von Verbrennern usw.