Wahlprogramme der Parteien: Lügen, die wir lesen sollten
Die Wahlprogramme der Parteien sind leere Versprechungen. Warum man sie trotzdem kennen muss.
![Ein Wahlplakat der SPD, das sich teilweise von Tafel löst Ein Wahlplakat der SPD, das sich teilweise von Tafel löst](https://taz.de/picture/7526965/14/37643423-1.jpeg)
W er liest schon Wahlprogramme? Das sind doch sowieso bloß leere Versprechungen! So denken viele. Es stimmt. Weil die Parteien später in Koalitionen Zugeständnisse machen oder weil sie von Anfang an verlogen sind und nicht vorhaben, die Versprechen umzusetzen, mit denen sie auf Stimmenfang gehen.
So werfen etwa die Passagen zu Kitas, die alle ausbauen wollen, am ehesten umweltpolitische Fragen auf: nämlich wie wenig Respekt FDP, SPD und Grüne eigentlich vor dem Regenwald haben, der für das Papier ihrer Wahlprogramme abgeholzt wird. Denn hätten sie Kitas wirklich ordentlich ausbauen wollen, hätten sie das als Ampelregierung längst tun können.
Ein anderes Problem an Parteiprogrammen wie etwa dem der FDP ist die Gefahr, dass Wahlberechtigte sich zunehmend von der parlamentarischen Demokratie entfremden, weil sie sich nicht ernst genommen fühlen. Denn die Liberalen schlagen in ihrem Programm Dinge vor, die es längst gibt, wie eine Online-Plattform für Frauenhausplätze, oder Dinge, die sie als Teil der Regierung aktiv verhindert haben, wie eine Reform von Schwangerschaftsabbrüchen.
Wahlprogramme helfen nicht bei der Wahlentscheidung
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Wahlprogramme sind Lügen. Das Einzige, worüber sie Aufschluss geben, ist, was die Parteien meinen, was die Gesellschaft von ihnen hören wolle. Für die Wahlentscheidung helfen sie nicht. Sinnvoller sind da sicher Zeitung lesen, der Wahl-O-Mat oder der Realomat.
Und trotzdem müssen wir die Programme lesen. Denn Parteien wie SPD, Grüne und Linke machen darin durchaus vernünftige Vorschläge: Mindestlohn, Elternzeit für den zweiten Elternteil, Viertagewoche, Bleiberecht für Gewaltbetroffene und vieles mehr.
Wenn die Parteien auch nur einen Bruchteil der guten Ideen umsetzen sollen, müssen sie in den nächsten vier Jahren daran erinnert werden – von den Wählenden, der Zivilgesellschaft, den Medien. Das gilt vor allem für Grüne und SPD, die eine Koalition mit Friedrich Merz nicht ausschließen.
Interessant ist übrigens auch, was nicht in den Programmen steht. Ein Beispiel: Keine der genannten Parteien fordert die Wiedereinführung der Wehrpflicht – was in Zeiten von Aufrüstung und Krieg durchaus hätte passieren können.
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