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Wahlprogramme der ParteienLügen, die wir lesen sollten

Lotte Laloire
Kommentar von Lotte Laloire

Die Wahlprogramme der Parteien sind leere Versprechungen. Warum man sie trotzdem kennen muss.

Hält es, was es verspricht? Das Wahlprogramm der SPD und der anderen Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

W er liest schon Wahlprogramme? Das sind doch sowieso bloß leere Versprechungen! So denken viele. Es stimmt. Weil die Parteien später in Koalitionen Zugeständnisse machen oder weil sie von Anfang an verlogen sind und nicht vorhaben, die Versprechen umzusetzen, mit denen sie auf Stimmenfang gehen.

So werfen etwa die Passagen zu Kitas, die alle ausbauen wollen, am ehesten umweltpolitische Fragen auf: nämlich wie wenig Respekt FDP, SPD und Grüne eigentlich vor dem Regenwald haben, der für das Papier ihrer Wahlprogramme abgeholzt wird. Denn hätten sie Kitas wirklich ordentlich ausbauen wollen, hätten sie das als Ampelregierung längst tun können.

Ein anderes Problem an Parteiprogrammen wie etwa dem der FDP ist die Gefahr, dass Wahlberechtigte sich zunehmend von der parlamentarischen Demokratie entfremden, weil sie sich nicht ernst genommen fühlen. Denn die Liberalen schlagen in ihrem Programm Dinge vor, die es längst gibt, wie eine Online-Plattform für Frauenhausplätze, oder Dinge, die sie als Teil der Regierung aktiv verhindert haben, wie eine Reform von Schwangerschaftsabbrüchen.

Wahlprogramme helfen nicht bei der Wahlentscheidung

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Wahlprogramme sind Lügen. Das Einzige, worüber sie Aufschluss geben, ist, was die Parteien meinen, was die Gesellschaft von ihnen hören wolle. Für die Wahlentscheidung helfen sie nicht. Sinnvoller sind da sicher Zeitung lesen, der Wahl-O-Mat oder der Realomat.

Und trotzdem müssen wir die Programme lesen. Denn Parteien wie SPD, Grüne und Linke machen darin durchaus vernünftige Vorschläge: Mindestlohn, Elternzeit für den zweiten Elternteil, Viertagewoche, Bleiberecht für Gewaltbetroffene und vieles mehr.

Wenn die Parteien auch nur einen Bruchteil der guten Ideen umsetzen sollen, müssen sie in den nächsten vier Jahren daran erinnert werden – von den Wählenden, der Zivilgesellschaft, den Medien. Das gilt vor allem für Grüne und SPD, die eine Koalition mit Friedrich Merz nicht ausschließen.

Interessant ist übrigens auch, was nicht in den Programmen steht. Ein Beispiel: Keine der genannten Parteien fordert die Wiedereinführung der Wehrpflicht – was in Zeiten von Aufrüstung und Krieg durchaus hätte passieren können.

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Lotte Laloire
Lotte Laloire ist Mitte 30 und immer noch links. Sie arbeitet seit 10 Jahren als Journalistin - für Medien wie taz, nd (Neues Deutschland), Tagesspiegel, Frankfurter Rundschau, Jungle World, Brigitte oder Deutschlandfunk.
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4 Kommentare

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  • Also ich muss sagen, dass mich der Wahlkampf abstößt. Er ist streckenweise widerlich, anmaßend, verlogen, geradezu ekelig und würde mich veranlassen überhaupt nicht mehr zu wählen, wäre da nicht die AFD, die von all diesen Widerwärtigkeiten und Albernheiten profitiert.

  • Leere Versprechungen der Parteien - "The same procedure....."

  • „ Wahlprogramme sind Lügen.“

    Das ist einerseits ein linker Gemeinplatz, zeigt andererseits auch eine fatale Akzeptanz.

    Unser Grundgesetz weist den Parteien eine wichtige Rolle bei der politischen Teilhabe zu.



    Außer den seltenen Wahlen gibt es in Deutschland wenig Möglichkeiten mit der eigenen Stimme Politik zu beeinflussen. Volksentscheide und direkte Bürgerbeteiligung, wie in anderen Ländern möglich, gibt es hierzulande kaum.



    Es wäre daher an der Zeit, den Wahlprogrammen einen verbindlichen Charakter zu geben.



    Parteien sollten sich verpflichtend für die Politik einsetzen, für die sie von ihren jeweiligen WählerInnen mandatiert worden sind.



    Alles andere ist Wahlbetrug.

    Natürlich muß es Kompromisse mit anderen Parteien geben, und disruptive Entwicklungen wie Kriege und nicht absehbare Naturkatastrophen können durchaus Anlass für eine Kurskorrektur in der Regierung sein.

    Es darf jedoch bezweifelt werden, ob eine Klimapolitik, die permanent gegen wegweisende Urteile des BVG und des Pariser Klimavertrages verstösst, sich auf einen solch rechtfertigenden Notstand berufen kann.

    Das gilt auch, und gerade, für die Grünen.

  • Hä? Wie kann man die Parteiprogramme für obsolet betrachten, gleichzeitig aber den Wahl-O-Mat empfehlen. Der stützt sich doch auf genau DAS!



    Was WIRKLICH mal helfen würde wäre, wenn bei bestimmten Themen die Politiker von fragenden JournalistInnen nicht so leicht aus der Verantwortung genommen werden würden. Beispiel: Thema Rente. KEINE Partei hat darauf eine Lösung, obwohl jeder weiß, dass das System mittelfristig zusammenbrechen wird. Die Menscheit wird immer älter, trotzdem wird MIR mit Anfang 40 noch immer von ALLEN Parteien erzählt, dass ich ohne Probleme mit Mitte 60 abschlagfrei in den Ruhestand gehen kann- ein absoluter Witz. Die Einzigen, die hier ehrlich werden, sind ehemalige Politiker wie z.B. Theo Weigel, die nicht mehr gewählt werden müssen. Da erwarte ich mir speziell vor der Wahl, dass die Presse hier stärker nachhakt, die Vorschläge durchrechnet und sich dann nicht mit irgendwelchen Phrasen abspeisen lässt. Und das betrifft wirklich JEDE Partei.