Wahlprogramm 2013: Die Wundertüte der SPD
Das SPD-Wahlkampfprogramm setzt Schwerpunkte bei sozialen Themen und distanziert sich stellenweise von der Agenda 2010. Der Parteilinken reicht das nicht.
BERLIN taz | Sparen, sparen, sparen – damit müsse jetzt mal Schluss sein, sagen die Linken von Forum Demokratische Linke 21 (DL21) in der SPD. Sie fordern, das sogenannte Austeritätsprinzip in der Europapolitik aufzugeben, also die Vorgabe des strikten Sparens über Bord zu werfen.
Die Sparpolitik habe die soziale und ökonomische Situation verschlimmert, heißt es im Änderungsvorschlag von DL21 für das Wahlprogramm, das die SPD auf ihrem Parteitag am Sonntag beschließen will. „Wir müssen die Einnahmeseite durch eine europäische Vermögensabgabe steigern“, sagt Hilde Mattheis, Vorsitzende des DL21. Das bisherige Vorgehen sei gescheitert.
Obwohl das Wahlprogramm schon eine deutlich linke Positionen vertritt, sehen Parteilinke wie Hilde Mattheis noch Nachbesserungsbedarf. Etwa beim Asylbewerberleistungsgesetz, dass in seiner jetzigen Form abgeschafft werden soll. Ebenso wollen Mattheis und Co., dass künftig das Parlament die Kontrolle von Waffenexporten übernimmt.
In der Beschäftigungspolitik wollen sie die Zumutbarkeitsregelungen für Arbeitslose ändern. „Künftig sollen Hartz-IV-Empfänger nur noch zumutbare Arbeiten annehmen, die nach ortsüblichem Tarif oder nach Mindestlohn bezahlt werden“, sagt Mattheis. Zudem müsse die Qualifizierung der Menschen bei künftiger Arbeit bedacht werden. Außerdem soll die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I in Abhängigkeit von der Beschäftigungszeiten der Arbeitnehmer gestaltet werden.
Parteitag als Abnickveranstaltung
Ob die Parteilinken mit ihren Forderungen erfolgreich sind, ist unklar. Der Parteitag am kommenden Sonntag bietet kaum Platz für inhaltliche Debatten. Auf fünf Stunden ist das Treffen angesetzt, mit Reden von Parteichef Sigmar Gabriel und Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Kritiker bemängeln, dass es den Organisatoren in erster Linie um minutenlangen Applaus für Steinbrück geht und nicht darum, der Partei Raum für inhaltliche Debatten zu geben. Die SPD-Linke versteht den Parteitag nicht als reine Abnickveranstaltung.
Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hatte am Dienstag das Wahlkampfmotto der SPD vorgestellt – „Das Wir entscheidet“, ein Spruch, der, wie mittlerweile bekannt wurde, auch seit Jahren schon von einer Leiharbeitsfirma verwendet wird. Mit diesem Überbau wollte Steinbrück an die Gemütslage der Menschen im Land anknüpfen. „Die Bürger haben den Eindruck, dass etwas aus dem Lot geraten ist“, sagt Steinbrück. Die SPD setze daher auf Gemeinschaftsgefühl.
Das Programm legt die Schwerpunkte deshalb folgerichtig auf soziale Themen und bedeutet in einigen Punkten eine Abkehr von der Agenda-2010-Politik unter Kanzler Gerhard Schröder. So bekennen sich die Sozialdemokraten zu einem flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro in Ost und West.
Ebenso will die SPD den „Missbrauch von Leiharbeit und Niedriglohnbeschäftigung“ korrigieren. Künftig sollen Stammbelegschaft und Leiharbeiter gleich bezahlt werden. Auch im Bereich Steuern rückt die SPD nach links. Der Spitzensteuersatz soll auf 49 Prozent steigen ab einem zu versteuernden Einkommen von 100.000 Euro im Jahr für Singles. Auch plant die SPD eine Vermögensteuer, deren Umsetzung vage formuliert ist.
Mieten, Quote und Solirente
Darüber hinaus will die SPD sich steigender Mieten annehmen und Mieterhöhungen deckeln. Weitere Ziele sind eine Frauenquote von 40 Prozent in Vorständen und eine Solidarrente von 850 Euro für Geringverdiener, die mindestens 30 Beitragsjahre vorweisen können. Mit der Bürgerversicherung will die SPD die Trennung von privaten und gesetzlichen Krankenkassen aufheben. Bei Steinbrücks Lieblingsthema, der Finanzmarktpolitik, fordert die SPD eine Finanzmarktsteuer und eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte.
Trotz der Detailkritik erkennen auch die Parteilinken an, dass das Programm schon jetzt ihre Handschrift trägt. „Im Großen und Ganzen geht es in die richtige Richtung“, sagt Juso-Chef Sascha Vogt. Es sei schon viel enthalten, was die Jusos im Vorfeld durchsetzen konnten, etwa im Bereich Steuern und Renten. Selbst der rechte Flügel der Partei gibt sich milde. „Im Kern sind wir zufrieden, die wesentlichen Dinge sind enthalten“, sagt Johannes Kahrs vom Seeheimer Kreis. Das Programm sei sozial ausgewogen und betone gleichzeitig die Wirtschaftskompetenz der SPD.
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