Wahlleute aller US-Bundesstaaten stehen fest: 306 für Joe Biden
US-Sender haben bei der Wahl den Sieger in den letzten beiden Bundesstaaten ausgerufen. Biden kommt auf dieselbe Zahl von Wahlleuten wie Trump vor vier Jahren.
Die Sender CNN, NBC, ABC und CBS prognostizierten am Freitag, dass der Demokrat Biden den Bundesstaat Georgia mit seinen 16 Wahlleuten gewonnen habe. Zugleich erklärten CNN und ABC, Trump habe das ebenfalls umkämpfte North Carolina mit seinen 15 Wahlleuten für sich entschieden. Das waren die letzten beiden Bundesstaaten, in denen noch kein Sieger bei der Wahl vom Dienstag vergangener Woche ausgerufen worden war. Georgia war bei der Wahl 2016 noch an Trump gegangen. Zuletzt hatten sich die Demokraten den Bundesstaat 1992 mit Bill Clinton sichern können.
In Stein gemeißelt ist das diesjährige Ergebnis noch nicht: Die Bundesstaaten müssen die Ergebnisse noch zertifizieren, die Wahlleute geben dann am 14. Dezember ihre Stimmen ab. In Georgia begann am Freitag wegen des engen Wahlausgangs eine Neuauszählung aller Stimmzettel. Biden hat dort aber mehr als 14.000 Stimmen Vorsprung. Es gilt als nahezu ausgeschlossen, dass sich das bei einer Neuauszählung grundlegend ändert.
In den USA ist es üblich, dass die Präsidentenwahl auf der Basis von Prognosen großer Medienhäuser als entschieden gilt – normalerweise noch in der Wahlnacht. Die amtlichen Ergebnisse kommen teils erst viel später. Wegen der Corona-Pandemie hatten Millionen Amerikaner dieses Jahr aber per Brief abgestimmt, weshalb sich die Auszählung der Stimmen hinzog.
Mehr als fünf Millionen Stimmen Vorsprung
Trump hatte die Wahl 2016 exakt mit Bidens jetzigem prognostizierten Ergebnis gegen seine damalige Konkurrentin Hillary Clinton gewonnen: Er kam damals auf 306 Wahlleute, Clinton auf 232. Im sogenannten Electoral College stimmten letztlich allerdings nur 304 Wahlleute für den Republikaner.
Trump kommt nach den Prognosen der Sender jetzt ebenfalls auf 232. Er hatte 2016 von einem „Erdrutschsieg“ gesprochen, obwohl er zwar die meisten Wahlleute in den Bundesstaaten einsammeln konnte, landesweit aber knapp drei Millionen weniger Wählerstimmen erhielt als Clinton.
Bei den landesweiten Wählerstimmen liegt Biden mehr als fünf Millionen vor Trump: Der Demokrat kommt demnach auf knapp 78 Millionen Stimmen (50,8 Prozent), der Republikaner auf 72,7 Millionen (47,5 Prozent).
Andeutung eines Einlenkens
US-Präsident Donald Trump verweigert weiterhin ein Eingeständnis seiner Wahlniederlage. Bei seinen ersten öffentlichen Äußerungen seit Verkündung des Wahlergebnisses schien Trump aber erstmals ein mögliches Einlenken anzudeuten.
Trump hielt am Freitag im Rosengarten des Weißen Hauses eine Ansprache zum Thema Coronavirus. „Diese Regierung wird nicht in einen Lockdown gehen“, sagte der Präsident trotz rapide ansteigender Corona-Fallzahlen. „Hoffentlich – was auch immer in der Zukunft passiert, wer weiß, welche Regierung es sein wird, ich denke, das wird die Zukunft zeigen – aber ich kann Ihnen sagen: Diese Regierung wird nicht in einen Lockdown gehen.“
Weder nahm er damit wie mehrfach zuvor einen Wahlsieg für sich in Anspruch, noch räumte er seine Niederlage gegen Biden ein. Fragen von Journalisten beantwortete der Amtsinhaber nicht. Trump hatte sich zuletzt am Donnerstag vergangener Woche vor Kameras geäußert. Zwei Tage später verkündeten die US-Sender den Sieg seines Herausforderers Biden, nachdem dieser den Schlüsselstaat Pennsylvania für sich entschieden hatte.
Trumps Anwälte haben Klagen in mehreren Bundesstaaten angestrengt, darin jedoch keine Belege für großangelegte Wahlfälschungen oder Fehler geliefert. Mehrere US-Behörden hatten am Donnerstag mitgeteilt, die Wahl am 3. November sei die sicherste in der amerikanischen Geschichte gewesen.
In einer Mitteilung, die unter anderen von Vertretern der Cybersicherheitsagentur des Heimatschutzministeriums sowie der Vereinigungen der Wahlleiter der Bundesstaaten herausgegeben wurde, hieß es zudem: „Es gibt keine Belege dafür, dass ein Abstimmungssystem Stimmen gelöscht oder verändert hätte – oder auf irgendwelche Weise kompromittiert worden wäre.“
Mit seiner Weigerung, das Ergebnis anzuerkennen, erschwert Trump Wahlsieger Biden die Vorbereitung der Amtsübernahme. Bislang arbeiten Regierung und Verwaltung nicht mit dem Übergangsteam des US-Demokraten zusammen, der am 20. Januar als neuer Präsident vereidigt werden soll.
Trump will „Hallo“ sagen
Trump hofft jetzt auf verstärkte Unterstützung seiner Anhänger. Vor geplanten Demonstrationen an diesem Samstag in der Hauptstadt Washington gegen vermeintlichen Wahlbetrug kündigte Trump auf Twitter an, er überlege, ob er „vorbeikommt und Hallo sagt“. Trump schrieb am Freitag, er fühle sich ermutigt von „all der enormen Unterstützung da draußen, besonders auf Kundgebungen, die ganz natürlich überall im Land aufkommen“. Ohne einen Beleg angeben zu können, wiederholte der Präsident seinen Vorwurf: „Diese Wahl ist manipuliert gewesen.“
Unter dem Motto „Stop the Steal“ (Beendet den Diebstahl) haben mehrere Gruppen für diesen Samstag im Zentrum von Washington zu einem „Marsch für Trump“ aufgerufen. Eine Demonstration soll zum Sitz des Obersten Gerichtshofs der USA führen. Antifa-Gruppen haben zum Protest gegen die Kundgebung der Trump-Anhänger aufgerufen.
Trumps Handelsberater Peter Navarro sagte am Freitag im TV-Sender Fox News: „Wir im Weißen Haus agieren weiterhin in der Annahme, dass es eine zweite Amtszeit von Präsident Trump geben wird.“ Auch die Sprecherin des Weißen Hauses, Kayleigh McEnany, sagte am Freitag im Sender Fox Business: „Ich denke, dass der Präsident bei seiner eigenen Amtseinführung anwesend sein wird.“ Die Frage war, ob Trump zu der Amtseinführungsfeier am 20. Januar 2021 kommen werde – was die Zeremonie für Wahlsieger Joe Biden sein wird.
Gratulation an Biden aus China
Erstmals gratulierte nun auch China Biden und der künftigen Vizepräsidentin Kamala Harris. Die Führung in Peking hatte sich anders als andere mit offiziellen Glückwünschen zurückgehalten. „Wir respektieren die Wahl der Menschen in Amerika und übermitteln Herrn Biden und Frau Harris unsere Glückwünsche“, erklärte ein Sprecher des Außenministeriums am Freitag. Man verstehe, dass das Ergebnis der US-Wahlen gemäß der US-Gesetze und der dortigen Verfahren festgelegt werde. Das Verhältnis zwischen China und den USA hatte sich während der Präsidentschaft Trumps stark verschlechtert.
Die frühere Präsidentin der US-Notenbank Janet Yellen ist nach Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg als Finanzministerin unter dem gewählten US-Präsidenten Joe Biden im Rennen. Es gebe weitere Bewerber, berichtete Bloomberg am Samstag unter Berufung auf informierte Personen. Wegen ihrer möglichen neuen Rolle habe Yellen aber Auftritte als Rednerin abgesagt.
Yellen stand als Notenbankpräsidentin von 2014 bis 2018 für eine lockere Geldpolitik. Im Oktober hatte sie sich dafür ausgesprochen, die Corona-Krise nicht nur geldpolitisch, sondern auch durch fiskalpolitische Stützungsmaßnahmen zu bekämpfen.
Demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus sicher
Die US-Demokraten haben ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus erwartungsgemäß verteidigt und können nach jüngsten Prognosen fest auf mehr als die Hälfte der 435 Sitze bauen. Mehrere US-Sender und Nachrichtenportale rechnen der Partei des neu gewählten Präsidenten Joe Biden seit Freitag mindestens 218 Mandate zu. Diese Zahl dürfte noch steigen, da für rund ein Dutzend Abgeordnetensitze noch keine Entscheidungen ausgerufen worden sind. Faktisch bestanden schon seit der Wahlnacht am 3. November keine Zweifel mehr daran, dass das Repräsentantenhaus auch künftig in den Händen der Demokraten liegen wird.
Wichtiger für Biden und den Erfolg seiner künftigen Regierungspolitik sind ohnehin die Mehrheitsverhältnisse in der zweiten Kongresskammer, dem Senat. Von den 100 Sitzen dort konnten sich die bislang dominierenden Republikaner von Präsident Donald Trump mindestens 50 sichern, die Demokraten kommen Stand jetzt auf 48. Zwei Rennen im Bundesstaat Georgia sind noch offen: Dort stehen Anfang Januar Stichwahlen zwischen zwei republikanischen Amtsinhabern und ihren demokratischen Herausforderern an. Die Demokraten haben also weiter die Aussicht auf eine Mehrheit im Senat – allerdings werden den Republikanern gute Chancen beigemessen, die in Georgia zu vergebenden Sitze zu behalten.
Der Senat hat enormen Einfluss auf die US-Politik: Er kann nicht nur Gesetzesvorhaben blockieren, sondern auch Kandidaten des Präsidenten für Regierungsämter und Richterposten. Die Demokraten hatten sich aufgrund der Umfragen vor der Wahl große Hoffnungen gemacht, die Mehrheit im Senat zurückzuerobern und Biden im Falle eines Sieges den Weg zu großangelegten Reformen zu ebnen. Mehrere republikanische Senatoren, die als Wackelkandidaten galten, konnten ihre Sitze jedoch verteidigen.
Mit Biden und dessen gewählter Stellvertreterin Kamala Harris im Weißen Haus würden den Demokraten 50 Sitze für die Kontrolle über den Senat reichen. Bei einem Patt von 50 zu 50 Stimmen könnte Harris als Vizepräsidentin mit ihrer Extrastimme eine Blockade der Republikaner brechen.
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