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Wahlkampfstrategie der CDUDie neue Dagegenpartei

Ulrich Schulte
Kommentar von Ulrich Schulte

Es gab Zeiten, da galten die Grünen als die Partei, die Projekte verhindert, anstatt sie voranzutreiben. Heute hat die CDU diese Rolle übernommen.

Der Kreis könnte die programmatische Leerstelle der CDU symbolisieren Foto: Tobias Schwarz/reuters

ltere werden sich daran erinnern, dass die CDU die Grünen früher gerne als Dagegenpartei beschimpfte. Der ehemalige Generalsekretär Hermann Gröhe präsentierte 2011 sogar stolz eine Website, die Projekte auflistete, die die Grünen verhindern wollten – neue Straßen, neue Kraftwerke, solche Sachen. Nun ließe sich viel dazu sagen, wie unterkomplex diese Art der politischen Etikettierung ist; gegen Unfug zu sein und ihn politisch zu verhindern, ist ja äußerst klug.

Aber wenn es heute noch eine Dagegenpartei gibt, ist es ohne Zweifel die CDU. Sie ist im Moment sieben Tage in der Woche rund um die Uhr damit beschäftigt zu sagen, was sie nicht will. Keine Aufweichung der Schuldenbremse, keine höheren Steuern, keinen Sozialismus à la Grün-Rot-Rot. All das wirkt so verzweifelt, dass einem die CDU fast leid tun kann.

Generalsekretär Paul Ziemiak wirft mit abgedroschensten Sprachschablonen um sich, es ist ein Best of der 90er. Die Grünen planten eine linke Republik, sie wollten Menschen bevormunden, ihr Programm sei wie ein Fliegenpilz, es – hi hi! – sehe schön aus, sei aber ungenießbar. Äh, ja, wow. Kommt da noch was? Die CDU-Kampagne müffelt wie ein Haufen kalter Zigarettenasche. Damit wird es eng gegen den gut gelaunten, hypermodern inszenierten Pragmatismus einer Annalena Baerbock.

Wirklich, Herr Ziemiak?

Man kann den Plan der Grünen für ein klimaneutrales Deutschland kritisieren, man kann ihn für zu ambitioniert halten oder für zu ängstlich, aber wenigstens haben die Grünen einen Plan. Sie vermitteln erfolgreich den Eindruck, eine Idee von einer guten Zukunft zu haben – was viel entscheidender ist als die Frage, ob Baerbock schon einmal Ministerpräsidentin, Umweltministerin oder Bürgermeisterin war.

Das Problem der CDU-Spitze ist offensichtlich: Hinter ihrer Phrasendrescherei wabert eine Leere, die man förmlich hören kann. Eine dicke Steuersenkung für Spitzenverdiener, aber bitte keine Schulden. In letzter Minute Klimaschutz machen, ohne zu wissen, wie genau? Wirklich, Herr Ziemiak, das ist es? Würde Baerbock eine solch hanebüchene Strategie vertreten, würde sie zu Recht auseinandergenommen. Man kann Armin Laschet nur wünschen, dass ihm noch mehr einfällt.

Für die CDU waren Inhalte nie so entscheidend wie für Parteien links der Mitte, der Konservatismus begnügt sich per definitionem mit dem gemächlichen Weiter-So. Aber zumindest eine grobe Idee, etwas mehr Dafür statt nur Dagegen, das wäre dann doch ganz hilfreich. Für die drölfzigste sinnbefreite Grüne-Socken-Kampagne sind die Zeiten ein bisschen zu ernst.

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Ulrich Schulte
Leiter Parlamentsbüro
Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.
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12 Kommentare

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  • Die Welt derer, die heute für die noch immer als „christlich“ vermarkteten CDU als Führungs-, Leitungs- und Lenkungkräftekader agieren, stehen einer operativen und sozio-ökonomischen Welt jener gegenüber, die im Zeitgeistsprech "Humankapital" genannt werden.

    Das Gesamtbild unserer Gesellschaft besteht allerdings aus den mit richtig kantigen und markanten Ellenbogen ausgestatteten Führungs-, Leitungs- und Lenkungskaderaspiranten gegenüber, deren Mentoren sicherlich nicht dem Geist und den Buchstaben unserer Grundgesetz genannten Verfassung sonderlich konstruktiv gegenüberstehen und sie schon gar nicht operativ umsetzen.

    Die, die heute im Licht stehen, sind wohl "Sadisten", die mit Verve und beispielloser Brillanz das hohe Lied der "Leistungsgesellschaft" vortragen und alles ihnen mögliche veranstalten, um zu verbergen, was im Märchen Keiserens nye Klæder erzählt wird und sogar Geld dafür investieren, dass nur ja niemand mehr das Märchen Den lille Pige med Svovlstikkerne vorgelesen bekommt.

    Und die heutigen Führungskräfte der Christlich Demokratische Union Deutschlands leiden an etwas ähnlichem, was Sartre einmal in "Die Eingeschlossenen von Altona" beschrieben hat.

    Glaubwürdigkeit ist eine Funktion von Integrität, von Konsistenz zwischen Wort und Tat sowie von sozio-ökonomischer Erfahrung und nicht von multimedialem Marketing- und Propagandistengeschwätz.

  • "Sozialismus" mit 40% der Arbeitnehmer im Niedriglohn-Sektor?



    Steuern für Reiche die prozentual gesehen viel weniger sind als die Steuern die ein Mensch aus der Arbeiterschicht bezahlt?



    Privat-Versicherte eine weitaus bessere medizinische Versorgung erhalten als Kassen-Versicherte?



    Ein Autobauer seine Fabrik mitten ins Wasserschutzgebiet bauen darf?



    Immer weniger Geld in Bildung und mehr in Unternehmen gesteckt wird?

    Und die Liste geht endlos so weiter...

    Ich spüre richtig wie wir uns immer schneller statt in Richtung Superkapitalismus Vorbild USA in Richtung Sozialismus bewegen.

  • Ja die CDU wird es noch bitter bereuen sich gegen Söder entschieden zu haben ... der hätte zumindest im Bierzelt für Stimmung gesorgt ... aber was will Laschet bieten wo ihn die Grünen nicht links und rechts überflügeln ... nachdem die CDU gerade 2 Jahre Pandemieplanwirtschaft betrieben hat ... da zieht weniger Staat ist besser nicht wirklich ...

  • Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler!



    Und der Köder "Laschet" schmeckt dem Volk überhaupt nicht. Die CDU braucht sich also nicht wundern, dass die Wähler auf den Köder nicht anbeißen.

  • Man kann es drehen und wenden, wie man will: Ohne ein EHRLICHES Wort gibt es keine glaubwürdige Klimapolitik. Die Hoffnung, mit grüner Technologie Mobilität und 'Luxusleben' erhalten zu wollen, ist ein kompletter Irrglaube und eigentlich ausgesprochen defensiv, um nicht Verzicht reden zu müssen. Bei der Pandemiebewältigung ahben wir doch feststellen können: Es geht auch mit weniger Mobilität und so läßt sich Vieles auf den Prüfstein stellen: Müssen wir immer gleich den Kamin anschmeißen (den nur wenige besitzen) oden den Grill . Können wir uns nicht auch treffen mit vegarischem Buffet ? Muß jeder Haushalt eine eigene Wärmeversorgung oder einen privaten Parkplatz und SUV haben ? Gemeinsam miteinander Planen und Leben wäre schon ein wichtiger Schritt, um unnötige Emissionen einsparen zu können. Das Klima kennt kein links oder rechts !

  • "Man kann den Plan der Grünen für ein klimaneutrales Deutschland kritisieren, man kann ihn für zu ambitioniert halten oder für zu ängstlich, aber wenigstens haben die Grünen einen Plan."

    Ein Plan ist zu wenig. Ist eindimensional.

    Es gibt auch seitens der Grünen keinen tragfähigen Plan (Dies zumindest behauptet Herr Quaschning von Scientist for Future).

    Und es gibt keine Antworten seitens der Grünen, wie dieser Plan umweltverträglich umgesetzt werden soll. Bereits jetzt frisst die Produktion von Energiepflanzen insbesondere auf Mais-Monokulturen 15% der Ackerflächen weg mit entsprechenden Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt.

    Der Plan sieht momentan nur so aus, dass Licht nicht ausgehen zu lassen, koste es was es wolle. Es geht umweltzerstörend weiter wie zuvor, nur ein wenig ausgefuchster.

  • Es ist ein Unterschied, ob eine Partei gegen Dinge ist, die ich gerne tun möchte, oder ob eine Partei gegen eine Partei ist, die gegen Dinge ist, die ich gerne tun möchte. Ein wesentlicher Unterschied sogar!

  • Die CDU war immer etwas rückwärtsgewand. Aber es scheint durchaus schlimmer zu gehen: heisst "Junge Union".

    Herrn Zimiak merkt mensch das an. Gute Besserung!

    Vielleicht helfen da ein paar Jährchen Opposition. Da hätten die Herren Zimiak und Amthor etwas Zeit, heranzureifen.

    • @tomás zerolo:

      Opposition wird die CDU wohl nicht mögen.



      Vielleicht nehmen sie sich einfach ein Beispiel an den amerikanischen Republikanern. Wenn man keine Mehrheit hinter sich bringen kann, weil man zur gesellschaftlichen Entwicklung nichts mehr beizutragen hat, aber trotzdem seine Posten behalten möchte, muss man die anderen eben vom Wählen abhalten.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    www.zdf.de/comedy/...-mai-2021-100.html



    Dagegen - auf allen Wegen

  • Öhm ... das Image ist eine Sache, die Fakten (häufig) eine Andere.



    Die Union war IMMER eine Verhinderungspartei. Bis heute verhindert sie die Durchsetzung eines bundesweiten Volksentscheides. Entsprechende Anträge (von Grünen, Linken und / oder SPD) gab es sicherlich mindestens ein halbes dutzend Mal, vermutlich öfter. Die Union hat jahrelang die Ratifizierung der Anti-Korruptionsrichtlinie der UN verhindert. Die Union hat jahrelang die Umsetzung eines Lobbyregisters verhindert, und es nun nach Kräften aufgeweicht. Die Union hat jahrzehntelang (bis 1990) die Anerkennung der Oder-Neisse-Grenze verhindert. etc. pp. Und DIE werfen den Grünen das vor? Lächerlich.

  • Zu recht hat die CDU was gegen Sozialismus. Mir macht der Gedanke Angst, dass es unter den Grünen noch mehr Staat geben soll.



    Und Sozialismus, glaub da sind wir uns alle einig, war noch nie ne gute Idee.