Wahlkampf in Schleswig-Holstein: „Für mich ist das erledigt“
CDU-Spitzenkandidat Daniel Günther über den Vorwurf, eine Gewerkschafterin „Ver.di-Schlampe“ genannt zu haben, und über Städter als CDU-Wähler.
![Ein Wahlkampfplakat auf einem Acker Ein Wahlkampfplakat auf einem Acker](https://taz.de/picture/1953396/14/133435b636119896ef27ef3d933d2992_edited_69239678_8c800cc0fa.jpeg)
taz: Herr Günther, im TV-Duell des NDR am Dienstag hat eine Gewerkschafterin und SPD-Kommunalpolitikerin behauptet, Sie hätten sie mal in einem Landesausschuss „Ver.di-Schlampe“ genannt. Den Vorwurf haben Sie noch in der Sendung abgestritten und danach eine Entschuldigung verlangt. Bleiben Sie dabei, obwohl die Frau mittlerweile eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hat?
Daniel Günther: Für mich gibt es nur die Option, offen und ehrlich zu sein. Und so etwas habe ich definitiv nie zu einem Menschen gesagt, das wüsste ich. Außerdem ist der Vorwurf eindeutig widerlegt, er taucht ja nicht – wie von der Frau behauptet – in den Landtagsprotokollen auf.
Aber eine eidesstattliche Versicherung gibt man ja nicht mal eben so ab.
Das spielt für mich keine Rolle. Ich weiß, was ich gesagt habe und was nicht.
Von SPD-Landeschef Ralf Stegner forderten Sie ebenfalls eine Entschuldigung, weil sie das Ganze für eine SPD-Kampagne halten. Stegner lehnt die Entschuldigung ab.
Richtig, entschuldigt hat er sich nicht. Wir nehmen aber zur Kenntnis, dass sich Ralf Stegner von der Sache distanziert. Für mich hat sich das Thema damit erledigt, wir wollen uns auf den restlichen Wahlkampf konzentrieren.
Laut Umfragen wollen nur 31 Prozent der Schleswig-Holsteiner Sie als Ministerpräsidenten, Amtsinhaber Torsten Albig 46. Woran liegt das?
Als Herausforderer hat man immer einen kleinen Nachteil, wobei von einem Amtsbonus jetzt keine Rede mehr sein kann. Aber klar: In den nächsten neun Tagen will ich diesen Rückstand noch wettmachen.
Ihre Partei hat dies bereits geschafft. Sie liegt in der letzten Umfrage bei 32 Prozent, die SPD bei 30. Müssen Sie nun die Linke fürchten, die aktuell bei fünf Prozent steht? Sie könnte eine CDU/FDP/Grünen-Koalition platzen lassen, wenn Herr Albig sie ins Boot nimmt.
Erst mal finde ich es toll, dass wir aus sechs Punkten Rückstand zwei Punkte Vorsprung gemacht haben. Das zeigt: Jetzt beginnt die heiße Phase, die Positionen werden deutlicher – und wir setzen auf die richtigen Themen. Vor der Linkspartei habe ich keine Angst. Mir ist nur wichtig, dass Herr Albig klar betont, ob er ein Bündnis mit der Linken will oder nicht. Ich finde, dass die Menschen Klarheit haben sollten. Ich stehe jedenfalls für ein klares Bündnis.
Was reizt Sie an Jamaika?
Als stärkster Partner in einem solchen Bündnis würde die CDU wieder mit großem Einfluss regieren können. Das würde Schleswig-Holstein gut tun. Natürlich gäbe es zuvor harte Verhandlungen, aber ich sehe gute Aussichten auf einen Erfolg.
In der Bildungspolitik wollen Sie zurück zum neunjährigen Abitur. Warum brechen Sie einen Schulstreit vom Zaun?
Das eine Jahr mehr hilft den Schülerinnen und Schülern auch bei der Persönlichkeitsentwicklung.
Aber die CDU hat doch in der Großen Koalition mit der SPD das achtjährige Abitur erst eingeführt.
Das war rückblickend betrachtet ein Fehler. Wem nützt es denn, wenn 17-Jährige vom Gymnasium an die Hochschulen stürmen? Ich möchte, dass die mehr Zeit haben zum Lernen und Erwachsenwerden. Deshalb wollen wir das korrigieren.
Sind Sie jemand, der Fehler eingesteht, oder sind Sie nur wankelmütig?
Ersteres. Wankelmütig bin ich gewiss nicht. Wenn ich eine Entscheidung treffe, ist die sorgsam abgewogen, und dann stehe ich auch dazu. Hier geht es um eine notwendige Korrektur in einer Sachfrage.
Straßenbau und innere Sicherheit sind andere Hauptthemen – altbackene CDU-Politik?
Es geht uns nicht nur um Straßenbau, sondern um Infrastruktur: Krankenhäuser, Verkabelung, Digitalisierung, schnelles Internet. Da hinkt Schleswig-Holstein weit hinter anderen Bundesländern hinterher. Und innere Sicherheit ist ein zeitlos wichtiges Thema. Die Menschen wollen geschützt werden vor Kriminalität, das ist ihr gutes Recht. Aber wenn in Schleswig-Holstein sich eine unterbesetzte und schlecht ausgerüstete Polizei immer mehr aus der Fläche zurückzieht, braucht es eine starke CDU, die gegensteuert.
Dabei wollen Sie doch angeblich die CDU modernisieren: Sie haben sich für die Frauenquote ausgesprochen und für die Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Ehen. Wie wollen Sie diesen Spagat zwischen konservativer Sicherheits- und moderner Gesellschaftspolitik ohne Zerrung bewältigen?
Einen Spagat kriege ich nicht hin, ich bin kein Turner, sondern Läufer. Ausdauernd geradeaus – das kann ich. Ich bin in der Tat der Ansicht, dass die CDU manche alten Zöpfe abschneiden und sich auf einen modernen Kurs begeben muss, um mehrheitsfähig zu sein. Aber auch Menschen, die sich als liberal definieren, wollen vor Verbrechen geschützt werden. Das ist kein Widerspruch.
Sie wollen also in die urbanen Milieus in den größeren Städten eindringen, die bislang eine Domäne von SPD und Grünen sind?
Ja. Stadtmenschen, die Verbraucherschutz und gesunde Lebensmittel wollen, dürfen keine Domäne der Grünen sein. Die müssen sich auch bei der CDU zu Hause fühlen. Wir als Union brauchen die Städte, nur auf dem platten Land können wir keine Wahlen mehr gewinnen.
Aber Ihre Basis im Land bröckelt. Jüngst hat sich sogar der Bauernverband in Schleswig-Holstein zu einer Agrarwende bekannt. Verlieren Sie nicht Stammwähler an Landwirtschaftsminister Robert Habeck und die Grünen?
Nein. Aber auch der Bauernverband hat erkannt, dass Landwirtschaft nur Unterstützung in der Gesellschaft bekommt, wenn sie die Themen Ökologie, Tierschutz und gesunde Lebensmittel ernst nimmt.
Das mag ja sein, aber muss der Bauernverband seinen Kurswechsel sechs Wochen vor der Wahl verkünden? Klingt das nicht wie Wahlkampfhilfe für die Grünen?
Nein, gar nicht. Auch die CDU macht keinen Gegensatz mehr zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft. Auch wir wollen beides.
Also war das Wahlkampfhilfe für die CDU?
Genau. Ich finde diese Positionierung des Bauernverbandes super.
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