Wahlkampf in Österreich: Die ÖVP und das liebe Geld
Eine kreative Buchhaltung bringt die ÖVP in Bedrängnis. Sie soll die Wahlkampfkosten-Obergrenze gezielt überschritten haben.
2017 war diese Grenze um sage und schreibe sechs Millionen Euro überzogen worden. Kurz und seine Leute hatten bisher immer argumentiert, ihnen sei das wider Willen „passiert“, weil man auf „Dirty Campaigning“ der SPÖ reagieren musste. Die jetzt offengelegten Excel-Tabellen beweisen, dass dieser teure Overkill an Propaganda von Anfang an geplant war.
Österreich stattet seine Parteien mit großzügigen staatlichen Förderungen aus. Damit soll einerseits eine gewisse Chancengleichheit geschaffen werden, andererseits will der Gesetzgeber damit vermeiden, dass Politiker – wie etwa in den USA – von Spendengeldern abhängig werden und ihre Politik dann im Interesse der großzügigsten Spender gestalten. Spenden über 50.000 Euro mussten bisher dem Rechnungshof gemeldet werden.
Gerne sprach man in der ÖVP von höchster Transparenz, verschleierte aber vor dem Rechnungshof und der Bevölkerung, wie viel sie wirklich an Gaben von großzügigen Mäzenen und Unternehmern einsammelte. Erst als Medien an die Unterlagen kamen, rückte die Kurz-Partei im August mit den Zahlen heraus. So hatte die Kaufhaus-Erbin Heidi Goëss-Horten über zwei Jahre fast eine Million Euro in den ÖVP-Klingelbeutel eingezahlt – säuberlich gestückelt in Teilbeträge von 49.000 Euro.
Auch der Tiroler Industrielle Klaus Ortner portionierte seine etwas mehr als eine Million Euro so, dass sie unter dem Radar des Rechnungshofes blieb.
Kurz reagierte im Sommergespräch wehleidig
Alles legal, sagt die ÖVP. Und das sagt Sebastian Kurz auch zu den programmierten Wahlkampfkosten, auf die er Montagabend beim Sommergespräch im ORF angesprochen wurde. Das Gesetz, das im Sommer mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ und Liste Jetzt novelliert wurde, erlaubt nämlich, „allgemeine Kosten“ aus dem Wahlkampfbudget herauszurechnen.
Und da zeigten sich die ÖVP-Buchhalter wieder äußerst kreativ. So wurde die wochenlange Tour von Sebastian Kurz durch die Bundesländer nicht als Wahlkampf verbucht, obwohl die Bilder davon in den Sozialen Medien als Dauerpropaganda eingesetzt werden.
Da rufen scheinbar zufällig angetroffene Bürger, die als „Beate aus Landeck“ oder „Andreas aus Völkermarkt“ vorgestellt werden, zur Wahl von Kurz auf. In Wahrheit handelt es sich Parteifunktionäre oder Mandatare, die für die ÖVP in einem Gemeinderat sitzen, wie Recherchen des Wochenmagazins Profil ergeben haben.
Auch türkisfarbene Luftballons und ÖVP-Kugelschreiber, die an den Wahlkampftischchen an das Volk verteilt werden, sind keineswegs Wahlpropaganda, sondern werden als „allgemeine Kosten“ verbucht. Kurz reagierte im Sommergespräch wehleidig. Er fühle sich vom politischen Gegner, aber auch von den Medien bisweilen unfair behandelt. Mittlerweile habe er das Gefühl, „dass da System dahintersteckt“.
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