Rezo-Remakes in Österreich: Sie wollen die ÖVP zerstören

Zwei Youtuber in Österreich greifen kurz vor den Wahlen die Österreichische Volkspartei an. Sie wollen einen Machtwechsel herbeimonologisieren.

Sebastian Kurz lacht mit weit geöffnetem Mund

Sebastian Kurz lacht. Aber wie lang noch? Österreichs Youtuber haben seine Partei auf dem Kieker Foto: reuters/Leonhard Foeger

„Viele von Ihnen haben das Video von Rezo gesehen“, beginnt Konstantin Kladivko seine Philippika, die fünf Tage vor den österreichischen Nationalratswahlen vom kommenden Sonntag online ging. Auch in Österreich wurde der wortgewandte Destruktionsakt der CDU heftig diskutiert. Der 25-jährige Jurastudent hat den Wahlkampf zum Anlass genommen, in seinem ersten Video die österreichische Schwesterpartei der CDU, die ÖVP, genauer unter die Lupe zu nehmen.

Das Ergebnis schockierte ihn: „Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass es so arg ist.“ In einem 35-minütigen Dauermonolog unternimmt der junge Mann mit der Harry-Potter-Brille „Die echte Zerstörung der ÖVP“. „Die Zerstörung der ÖVP“ hat nämlich auch ein „Working Class Hero“, dessen Klarname nicht bekannt ist, ins Netz gestellt. Er nimmt sich 55 Minuten Zeit, ÖVP und FPÖ an ihren Taten zu messen, und blendet dafür immer wieder Originalaussagen der Spitzenpolitiker ein.

Beide kommen zu dem gleichen Ergebnis: Bitte am Sonntag keine dieser beiden Parteien wählen! Kladivko will „mit diesem Video niemanden anpatzen, wie die ÖVP immer sagt“, sondern den Beweis antreten, dass „die ÖVP Politik gegen die Meinung von zig Experten macht, dass ÖVP-Politiker lügen und dass die ÖVP bewusst ein Gesetz bricht, um Wahlen zu gewinnen“.

Das konsequente Ignorieren von Expertenmeinungen illustriert er zuerst an der Bildungspolitik. Anders als die beim PISA-Test besonders erfolgreichen Staaten hält Österreich nämlich daran fest, die Kinder bereits mit zehn Jahren in Hauptschüler und Gymnasiasten zu trennen. Das führe dazu, dass Bildung vererbt werde. Jahrzehntelang hat die ÖVP alle Versuche der SPÖ, eine gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen einzuführen abgeblockt. In Koalition mit der FPÖ habe sie sogar die verpflichtenden Ziffernnoten in der Volksschule wieder eingeführt, obwohl selbst Bildungsminister Fassmann damals zugeben musste, die Maßnahme sei nicht dem Kenntnisstand der Wissenschaft, sondern der Ideologie geschuldet.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Kein gutes Haar lässt der Youtuber an der Klimapolitik der ÖVP, die 32 Jahren für die Umweltschutzagenden in der Regierung verantwortlich ist. Er rechnet vor, dass das Versagen der ÖVP auf diesem Gebiet das Land bis 2030 bis zu 40 Milliarden Euro kosten könne, nämlich in Form von Strafzahlungen, Ankauf von zusätzlichen CO2-Zertifikaten und Folgeschäden durch Wetterphänomene wie Hagel, Muren oder Hochwasser.

„Kein anderes Land in der EU hat weniger Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt“, wirft Kladivko der ÖVP vor, die vollmundig den Rückgang von Treibhausgasausstoß im vergangenen Jahr ihrer erfolgreichen Politik zuzuschreiben versuchte. Erwiesen sei hingegen, dass dieser Erfolg dem milden Winter und den Wartungsarbeiten an einem Hochofen des Stahlkonzerns Voeest – dem größten einzelnen Verschmutzer – zuzuschreiben sei.

Unter Berufung auf wissenschaftliche Studien prophezeit der Mahner, dass 2050 um die 200 Millionen Menschen durch Wasserknappheit zu Klimaflüchtlingen werden. 760 Millionen würden ihren Lebensraum verlieren, weil der Meeresspiegel ansteigt. Auf dem Klimaschutzindex, der 57 Länder beurteilt, nehme Österreich den blamablen 36. Platz ein. 2006 war es noch Rang 28.

Gestörtes Verhältnis zur Wahrheit

Dass die ÖVP ein gestörtes Verhältnis zur Wahrheit hat, zeigt Kladivko nicht zuletzt am Beispiel der Wahlkampfkosten. Die ÖVP hatte im letzten Wahlkampf immer beteuert, sich an die gesetzlichen Regeln halten zu wollen – sogar noch zwei Wochen vor der Wahl. Tatsächlich hat sie aber fast doppelt so viel ausgegeben wie gesetzlich erlaubt.

„Ich bin kein Parteimitglied. Keine Partei hat Geld oder sonstige Ressourcen für dieses Video zur Verfügung gestellt“, heißt es in einem Disclaimer am Ende des Videos. Gleichwohl hat es die SPÖ auf ihren Plattformen prominent verlinkt.

„Working Class Hero“ bekennt sich zu den Grünen, versichert aber, von der Partei weder bezahlt noch angestiftet worden zu sein. „Im Unterschied zu Rezo handelt es sich bei den beiden Video-Machern nicht um erfahrene YouTuber. Dementsprechend sind die Videos zwar durchaus aufwändig recherchiert und vorbereitet, können in technischer Hinsicht aber nicht mit ihrem Vorbild mithalten“, schreibt die Plattform netzpolitik.org, und bezweifelt, dass die beiden Videos angesichts der vergleichsweise geringen Abrufzahlen „einen relevanten Einfluss auf das Wahlergebnis am Sonntag haben werden“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.