Wahlkampf in Hamburg: Bescherung für die Christdemokraten

Schulreform-Verhinderer Walter Scheuerl will für die CDU ins Hamburger Parlament - willkommene Wahlhilfe für die angeschlagene Partei, die nach der schwarz-grünen Havarie den Rechtsruck ausgerufen hat.

Neuer CDU-Bürgerschaftskandidat: Walter Scheuerl (Mitte) lässt sich von Hamburger Erstem Bürgermeister Christoph Ahlhaus und Parteichef Frank Schira bitten. Bild: dpa

Jüngsten Umfragen zufolge wird die Hamburg-Neuwahl im Februar eine rot-grüne Regierung bringen. Da wird den CDU-Spitzenkandidaten Christoph Ahlhaus sein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk umso mehr gefreut haben: Walter Scheuerl, Ikone der Schulreformgegner, wird auf der Unions-Liste kandidieren. CDU-Chef Frank Schira teilte am Donnerstag mit, der parteilose Scheuerl werde "einen prominenten Platz" unter den ersten zehn Kandidaten erhalten. "Wir wissen, dass wir in der Vergangenheit für Irritationen bei unseren Stammwählern gesorgt haben", fügte Schira hinzu: "Das wollen wir nun korrigieren."

Gemeint sein dürften damit etwa jene traditionell der CDU nahe stehenden Wähler, denen das schwarz-grüne Projekt einer sechsjährigen Grundschule missfallen hatte. Scheuerl kündigte an, er werde "weiter für die Schulpolitik kämpfen". In die CDU eintreten werde er jedoch nicht - dafür habe es in den vergangenen Jahren zu viele Enttäuschungen gegeben.

Zuvor hatte der Rechtsanwalt offen mit der Gründung einer eigenen bürgerlichen Protestpartei geliebäugelt. Die Zeit dafür wäre wegen der vorgezogenen Neuwahlen zu kurz, erklärte er nun. Zwar wäre ein Wahlerfolg möglich gewesen - aber das Risiko, dass er ausbleibe, zu groß.

Bürgermeister Ahlhaus, der Scheuerl selbst umworben hatte, rief am Donnerstag die "Versöhnung des bürgerlichen Lagers" aus: Nur wenn dessen "Kräfte zusammenstehen, ist eine linke Mehrheit in Hamburg zu vermeiden". Die CDU liegt laut ZDF-Politbarometer zurzeit bei 22, laut einer Psephos-Umfrage bei 28 Prozent. Eine Scheuerl-Partei gewählt hätten einer anderen Umfrage von Mitte November zufolge vier Prozent der Befragten. Allerdings würden demnach weitere 17 Prozent Scheuerl "vielleicht wählen".

Indes fehlt es einer um Scheuerl verstärkten CDU nach der verhinderten Schulreform an einem bildungspolitischen Streitthema. Insofern versucht Scheuerl es mit einem Klassiker, wenn er nun fordert die Gymnasien zu retten: Einzig die CDU stehe momentan für die vierjährige Grundschule, da habe er "keinen Zweifel", sagte er. Die SPD schwanke in dieser Frage, "GAL und die Linke wollen die Gesamtschule bis Klasse 9". Kleinere Streitfragen - etwa, ob an den Schulen benotete Diktate geschrieben werden - will die seit zehn Tagen allein regierende CDU erklärtermaßen gemäß Scheuerls Wünschen lösen.

Das Ausrufen eines Lagerwahlkampfs und die Konzentration auf das konservative Profil passt zum Rechtsruck der Hamburger Union nach der Havarie der schwarz-grünen Koalition in der vergangenen Woche. Ahlhaus hat bereits angekündigt, dass die von Schwarz-Grün befürwortete Primarschule für eine künftige CDU-geführte Regierung "vom Tisch" sei. Genuin grüne Projekte wie Straßenbahn, Umweltzone oder City-Maut wurden gestoppt.

Auch in der Haushaltspolitik wird umgesteuert: Nicht mehr die Konsolidierung hat höchste Priorität, sondern das Verteilen von Wahlgeschenken. So werden die Kita-Gebühren doch nicht erhöht, das Weihnachtsgeld der Beamten wird nicht gestrichen - beide unpopulären Maßnahmen waren erst im September als "alternativlos" bezeichnet worden - auf einer Sparklausur des Senats unter Leitung des damals ganz neuen Bürgermeisters Ahlhaus.

Mit der Distanzierung von schwarz-grünen Inhalten verabschiede sich Hamburgs CDU vom Image der liberalen Großstadtpartei, das ihr der ehemalige Bürgermeister Ole von Beust verpasst hatte, kritisierte die grüne Parteichefin Katharina Fegebank: "Konservatismus in Reinkultur lautet jetzt die alte und neue Devise."

Die CDU müsse aufpassen, dass sie "ihre Würde nicht verliert", spottete SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz. Ihr Image einer rückgratlosen Partei werde sie nicht dadurch los, dass sie einen "scharfen Kritiker ihrer Politik auf ihrer Liste kandidieren lässt".

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