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Wahlen in MalaysiaErster Machtwechsel seit 61 Jahren

Die Menschen hatten genug von ihrer korrupten Regierung und stimmten, trotz Manipulation, für die Opposition. Die Hoffnungen sind immens.

Mahathir Mohamad ist neuer Premierminister Malaysias Foto: reuters

Kuala Lumpur taz | Die Sensation ist perfekt. Malaysia erlebt den ersten Machtwechsel seiner postkolonialen Geschichte. Angewidert von der Arroganz der Macht der bisherigen korrupten Regierung von Premierminister Najib Razak sind die Malaysier scharenweise – und der massiven Wahlmanipulationen zum Trotz – bei der Wahl am 9. Mai zur Oppositionskoalition Pakatan Harapan (PH) übergelaufen.

„Das ist der glücklichste Tag meines Lebens“, strahlt Zunar. Die politischen Cartoons Zunars mit pointiertem Spott über Najib, seine luxusversessene Gattin Rosmah und die Korruption in Malaysia brachten ihm neun Anklagen wegen Volksverhetzung und Computerkriminalität ein – mehr als jedem anderen Regierungskritiker. Am Donnerstagmorgen gestand Najib auf einer Pressekonferenz in Kuala Lumpur die schwere Wahlklatsche ein. Politische Ränkespiele und Gemauschel hinter verschlossenen Türen verzögerten aber die Vereidigung von Oppositionsführer Mohamed Mahathir zum 7. Premierminister Malaysias, das der 92-jährige von 1981 bis 2003 schon einmal regierte.

„Malaysia wird wieder ein Rechtsstaat sein“, versicherte Mahathir am Donnerstagmittag auf einer Pressekonferenz. Das gelte auch für die Verwicklung in den Skandal um die verschwundenen Milliarden des Staatsfonds 1MDB von Ex-Premierminister und Exminister Najib. „Wir sinnen nicht auf Rache. Aber wenn Najib das Gesetz gebrochen hat, muss er sich den Konsequenzen stellen.“ Mahathir kündigte zudem die Abschaffung der von Najib eingeführten Mehrwertsteuer und die „Überprüfung“ der massiven chinesischen Investition in Malaysia an.

Die Wahlniederlage der bisherigen Regierungspartei BN ist total. Acht Minister wurden abgewählt, statt der bisher 131 verfügt die BN nur noch über 79 Sitze im Parlament. In den parallel stattfindenden Landtagswahlen verlor die BN zudem die Macht in ihrer bislang als uneinnehmbar geltenden Hochburg Johor und wird insgesamt in sechs Bundesstaaten die Regierung stellen.

In zwei Bundesstaaten wird wohl die Scharia umgesetzt

Der zweite Wahlsieger ist die islamistische Partei PAS, die im neuen Parlament mit 18 Abgeordneten, fünf mehr als bisher, vertreten ist. Zudem wird die PAS in zwei Bundesstaaten regieren und ihre Vorstellung einer islamischen Gesellschaft mit Scharia umsetzen. Als erste Amtshandlung kündigte Mahathir ein Gnadengesuch an den König für den wegen angeblicher Homosexualität inhaftierten eigentlichen Oppositionschef Anwar Ibrahim an, der dann Premierminister werden soll.

Der Treppenwitz der Geschichte: das hätte schon vor rund 20 Jahren passieren können, wenn der damalige Premierminister Mahathir seinen Stellvertreter Anwar nicht wegen politischer Differenzen hinter Gitter gebracht hätte – ebenfalls wegen angeblicher Homosexualität. Am Wahlabend und am Tag danach schwirrten durch Kuala Lumpur so viele Gerüchte über Aufstände und Truppenbewegungen, dass die Menschen sicherheitshalber zu Hause blieben. Die Straßen der malaysischen Hauptstadt waren am Donnerstag wie ausgestorben und in den prächtigen Shopping Malls langweilten sich mangels Kundschaft die Verkäufer. Ahmad Azmin, Barista in einem Café in der IT-Mall Low Yat, reckt den blau gefärbten Finger als Zeichen dafür, dass er gewählt hat, und sagt: „Alles wird gut, sobald Mahathir unser Premierminister ist.“

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1 Kommentar

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  • Allerdings ein Treppenwitz... als ich in den 90-er Jahre in Malaysia lebte (für ein Jahr nur), hieß es „Alles ist übel, weil Mahathir unser Premierminister ist.“

    Den chinesischstämmigen Malaysiern ging es damals nicht gerade gut (außer den hochrangig in die Wirtschafts-Politik verwobenen natürlich). Und Satire und Witz hatten schlechte Zeiten. Von den indischstämmigen und protestantischen oder "eingeborenen" Malaysiern nicht zu reden.

    Ob Mahatir nun demokratischer gesinnt ist? Oder war unter Najib alles so furchtbar, dass man sich den alten Despoten Mahatir zurückwünscht? Das wäre ja wirklich furchtbar!

    Wieso eigentlich erster Machtwechsel seit 61 Jahren? Die wahre Opposition ist doch im Gefängnis, und die hat Dr. M. dorthin befördert, ziemlich brutal.