piwik no script img

Wahlen in GroßbritannienFoul von rechts bringt Sunak in Not

Der Übertritt eines Tory-Abgeordneten zur Farage-Partei „Reform“ offenbart die Krise der britischen Konservativen. Zuvor hatte er sich mit Premier Sunak überworfen.

Premierminister Rishi Sunak Foto: Peter Nicholls/ap

London taz | Je näher die Wahlen in Großbritannien rücken, desto größer erscheinen die Schwierigkeiten der regierenden Konservativen. Ihr Rückstand zur Labour-Opposition in den Umfragen pendelt sich bei hoffnungslosen rund 20 Prozent ein, in Nachwahlen geht ein Parlamentssitz nach dem anderen verloren und nun haben zwei Personen der Partei schwere Kopfschmerzen zugefügt.

Der eine ist der 57-jährige Abgeordnete Lee Anderson, bis Mitte Januar stellvertretender Geschäftsführer der Konservativen. Am Montag erklärte Anderson den Übertritt zur rechtspopulistischen Partei Reform UK. Auf einer Pressekonferenz mit dem Reform-Covorsitzenden Richard Tice sagte er, er wolle sein Land zurückhaben, und kritisierte Masseneinwanderung, propalästinensische Demonstrationen und Wokeness. Somit hat Reform UK nun seinen ersten Unterhausabgeordneten.

Gegründet von Nigel Farage, erreicht Reform UK in Umfragen 10 bis 13 Prozent und ist politisch ein Problem sowohl für Tories als auch Labour. Anderson könnte als Reform-Abgeordneter dieses Problem verschärfen. Der ehemalige Bergarbeiter war zunächst Labour-Bezirksrat in seiner Stadt Ashfield. Er unterstützte den Brexit und trat bei den Wahlen 2019 für die Konservativen an, als Unterstützer des damaligen Premiers Boris Johnson. Er holte die Labour-Hochburg Ashfield für die Tories und galt als einer der Helden der Partei, die den Durchbruch in Labour-Stammwählerschaften schafften. Als Unterhausabgeordneter machte er sich als Stimme der ehemaligen Labour-Hochburgen stark, sozial konservativ und Respekt abverlangend.

Da diese Regionen sowohl für die Tories als auch für Labour den Schlüssel zum Sieg bei den nächsten Wahlen darstellen, machte der 2022 angetretene neue Premierminister Rishi Sunak Anderson zum Vizegeschäftsführer, während er zugleich im rechten Privatsender „GB News“, einem Forum für Politiker wie Nigel Farage, eine eigene Show bekam. Nun hat er nach zunehmenden Zerwürfnissen mit Rishi Sunak auch den politischen Sprung nach Rechtsaußen vollzogen.

Rassistische Äußerungen eines Tory-Unterstützers

Als wäre das nicht genug, veröffentlichte am Dienstag die Zeitung The Guardian Enthüllungen über den Unternehmer Frank Hester, der den Tories in den letzten sechs Monaten zehn Millionen Pfund (knapp 12 Millionen Euro) gespendet hat. Laut Guardian zog Hester bei einem geschäftlichen Treffen im Jahr 2019 über die schwarze Labour-Politikerin Diane Abbott her. Dabei soll er gesagt haben, dass Abbott ihn alle schwarze Frauen hassen lassen würde, und obwohl er nicht alle schwarzen Frauen hasse, gehöre Abbott erschossen.

Einen Beleg für die Äußerungen hat der Guar­dian nicht geliefert und unklar ist, wie und wieso diese Schilderung jetzt öffentlich wurde. Jetzt ließ Hester erklären, er habe vor mehreren Jahren versucht, sich bei Abbott persönlich zu entschuldigen. Was er sagte, sei nicht als rassistisch und frauenfeindlich zu verstehen, sondern „unhöflich“. Als Kind irischer Einwanderer habe er selbst Rassismus erlitten und verabscheue dies.

Nach anfänglichem Lavieren distanzierten sich die Konservativen. Allen voran nannte die prominenteste schwarze Tory-Politikerin, Handelsministerin Kemi Badenoch, Hesters Äußerungen am Dienstagabend „rassistisch und falsch“. Premierminister Sunak übernahm diese Formulierung in seiner wöchentlichen Fragestunde im Parlament am Mittwoch, ging aber nicht auf eine Labour-Forderung ein, die Parteispende zurückzuzahlen. Albie Amankona, Vorsitzender der Konservativen gegen Rassismus, forderte, das Geld zur Förderung und Unterstützung konservativer schwarzer und ethnischer Minderheiten zu benutzen.

Die heute 70-jährige Diane Abbott war 1987 für Labour als erste schwarze Abgeordnete ins Unterhaus gewählt worden. Sie gehörte zum Führungskreis unter Jeremy Corbyn und wurde 2023 ebenso wie Corbyn aus der Labour-Fraktion ausgeschlossen, nachdem sie behauptet hatte, dass Juden, Iren und irische Traveller keinen Rassismus wie Schwarze erlitten. Sie ist in ihren Jahrzehnten im Parlament überdurchschnittlich oft Ziel von Hasskommentaren gewesen und nannte am Dienstag Hesters Äußerungen „beängstigend“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Wie in Deutschland zeigen sich auch in Großbritannien die fließenden Übergänge zwischen konservativ und neofaschistisch.

  • Kann mir irgendwer ansatzweise plausibel erklären, weshalb irgendjemand auf der Insel Nigel Farage wählt? Nach der Nummer mit UKIP? Ich begreif's nicht.

    • @wheredallthegoodpeoplego:

      Es gibt vermutlich eine Tendenz, nicht nur aber gerade auch in der Politik, die eigene Entscheidung im Zweifel mit absurden Argumenten zu verteidigen, selbst wenn sie sich als nicht funktionierend herausstellt. Das hieße hier, die eigene Zustimmung zum Brexit müsse richtig gewesen sein, eine Mehrheit könne ja nicht irren, also sei bloß die Umsetzung handwerklich schlecht gemacht und unzureichend umgesetzt. Wenn also ein Holzhammer das Porzellan zerschlagen hat, greift man zum Doppel-Holzhammer, um es zu reparieren. Oder so.