Wahl in Simbabwe: Neuanfang mit Respekt für Gegner
Zum ersten Mal hat Simbabwe einen Wahlkampf fast ohne Gewalt erlebt. Heute findet die erste Wahl ohne Robert Mugabe statt.
Gewählte Kandidaten, der Staatschef eingeschlossen, sollen jetzt nicht mehr als zwei fünfjährige Amtszeiten auf ihren Posten bleiben, heißt es. Das ist eine Revolution im Vergleich zur Zeit Mugabes, der Zanu-PF 42 Jahre lang angeführt hatte. Die meisten amtierenden Parlamentsabgeordnete der Partei sind über 60 Jahre alt – bei einem Durchschnittsalter der Simbabwer von 19 Jahren. Bei den Wahlen am 30. Juli schickt die Partei nun vor allem Politiker unter 45 ins Rennen.
Die personelle Erneuerung dient auch dazu, den Teil der Partei, der einst Mugabes Ehefrau Grace Mugabe als nächste Präsidentin wollte, zu marginalisieren. Man müsse „totes Holz“ entfernen, erklärte der zuständige Politikkommissar von Zanu-PF, der frühere Generalleutnant Engelbert Rugeje, auf einem Treffen der Parteispitze.
Mit neuem Personal will die einstige Befreiungsbewegung auch ihr Image von Gewalt und Brutalität überwinden. „Wenn man sich den Wahlkampf anguckt, gibt es keine Kultur von Gewalt, Einschüchterung und Zwangsteilnahme an Wahlveranstaltungen mehr“, sagt der einflussreiche Zanu-PF-Aktivist Kudakwasha Macharaga. „Noch wichtiger: Wir sehen Oppositionsaktivisten nicht mehr als Verräter an. Das ist gut für die Demokratie und es wird dazu führen, dass die Mehrheitsbevölkerung Zanu-PF über Jahre hinaus lieben wird.“
Macharaga ist einer der schwarzen Agrarunternehmer, der von Mugabes kontroverser Landenteignungspolitik ab dem Jahr 2000 profitierte, als rund 4.000 weiße Farmer im Besitz von fast 70 Prozent des kultivierbaren Landes aus Simbabwe verjagt wurden und die Wirtschaft zusammenbrach.
Kudakwasha Macharaga, Zanu-PF
Er hofft nun, dass Millionen schwarzer Jugendlicher, die damals zur Opposition und ihren Versprechen von Demokratie und Rechtstaatlichkeit strömten, jetzt wieder zur ehemaligen Befreiungsbewegung zurückfinden.
Dass der neue liberalere Stil der Regierungspartei aus Eigeninteresse erfolgt, um an der Macht zu bleiben, ist klar – aber es sei dennoch bemerkenswert, sagt auch Merjury Chatikobo, eine Händlerin an der weltgrößten Tabakbörse in Simbabwes Hauptstadt Harare. „Unter dem früheren Präsidenten (Mugabe) konntest du verschwinden, wenn du auch nur sein Alter erwähntest“, sagt sie.
Heute könnten die Menschen den Präsidenten kritisieren, ohne Angst vor einer Verhaftung haben zu müssen. „Diese positiven Veränderungen gehören nicht zur DNA der Partei“, meint die Tabakhändlerin. „Zwar wird die neue Politik vor allem von den alten Veteranen des Befreiungskrieges geführt, aber wir loben sie dafür, dass sie in sich gehen und Selbstkritik üben. Es gibt keine Gewalt mehr im Wahlkampf.“
„Zusammen lachen und trinken“
Oppositionsaktivisten bestätigen die freiere Stimmung. „Unter Mugabe gab es nie eine Wahl, wo Aktivisten der Opposition und der Regierung zusammen Witze machen, lachen und trinken konnten“, sagt Arnold Mukwazhe, Aktivist der oppositionellen Movement for Democratic Change (MDC) in Harare. „Dies ist ein Neuanfang.“
In der Vergangenheit wurde die MDC, hervorgegangen aus Simbabwes Gewerkschaftsbewegung, von der Zanu-PF als Marionette der Weißen verunglimpft und mehrfach um den Wahlsieg betrogen. Jetzt liegt in Umfragen MDC-Chef Nelson Chamisa, 40, nur wenige Punkte hinter Präsident Mnangagwa, 75, aber beide Parteien haben sich zu Beginn des Wahlkampfs zu einem fairen und gewaltfreien Wahlkampf bekannt und halten diesen Wahlkampfkodex auch ein.
„Als das Militär im November 2017 die Massenproteste gegen Mugabe unterstützte, dachte ich nie, dass das Land einen so friedlichen Wahlkampf erleben würde“, sagt ein anderer MDC-Aktivist in Harare. MDC-Funktionärin Precious Muchemwa stimmt zu: „Ich finde es toll“, sagt sie. „Der Präsident (Mnangagwa) hält seine Versprechen. Wer auch immer die Wahl am 30. Juli gewinnt, muss auf dieser Grundlage aufbauen.“
Nicht so toll: „Kakerlaken“ zertreten
Zwar forderte ein Anschlag auf ein Wahlkampfveranstaltung von Präsident Mnangagwa am 23. Juni zwei Tote – der Präsident machte Anhänger seines gestürzten Vorgängers Robert Mugabe verantwortlich. Aber Befürchtungen, das sei der Auftakt zu einem Wahlkampf voller Gewalt, bewahrheiteten sich nicht.
In der Schlussphase des Wahlkampfs allerdings mehren sich Bedenken. Das unabhängige Zimbabwe Peace Project hat im Juli 71 Brüche des Wahlkampfkodex registriert. Dazu gehört etwa ein MDC-Aktivist, der Zanu-Mitglieder als „Kakerlaken“ bezeichnete, die man am 30. Juli zertreten müsse – eine Sprache wie die des Völkermordes in Ruanda.
Probleme gibt es auch innerhalb der Zanu-PF, denn die Machtkämpfe zwischen der Mnangagwa-Fraktion und der Mugabe-Fraktion sind noch nicht überwunden. Im Wahlkreis Norton starb ein Mitarbeiter eines unabhängigen Gegenkandidaten gegen Zanu-Kandidat Christopher Mutsvangwa, ein Vertrauter des Präsidenten, bei einem Autounfall, den seine Familie nicht für einen Unfall hält.
Nach Berichten von Menschenrechtsgruppen haben in Chitungwiza rund 100 Aktivisten der Zanu/PF-Jugend Häuser geplündert und Autos beschädigt, weil dort Wahlplakate des Oppositionsführers Chamisa hingen. Wachschützer Chamisas sollen ihrerseits einen 76-jährigen Aktivisten einer MDC-Splitterfraktion angegriffen und mit Pfefferspray die Augen verletzt haben.
Und aus Misstrauen gegen die Wahlkommission drohte vergangene Woche die MDC), die Wahlen „unmöglich“ zu machen. Sie verlangte, dass die Wahlkommission einen Testlauf ihrer neuen Wahlzettel organisiert, um auszuschließen, dass Kreuze neben einem Kandidaten nicht hinterher einem anderen Kandidaten zugeordnet werden können. Einen angedrohten Wahlboykott zog die MDC wieder zurück.
Die Regierungspartei Zanu/PF (Simbabwe Afrikanische Nationalunion/Patriotische Front) und die Wahlkommission ZEC „stecken unter einer Decke, um die Wahlen zu fälschen“, sagte MCC-Führer Chamisa. „Wir sollten das nicht zulassen. ZEC führt dieses Land absichtlich in die Instabilität.“ Früheren MDC-Forderungen hatte die Kommission stattgegeben – zum Beispiel zog sie eine neue Regel zurück, wonach die Wahlzettel unter Aufsicht von Wahlhelfern angekreuzt werden müssen, damit die Wähler keine Selfies damit machen.
„Wir werden das Wahlergebnis anerkennen“
Aber Gewaltvorfälle und Streitereien um das Wahlprozedere sind heute die Ausnahme – nicht wie früher die Regel. Vertreter afrikanischer Nachbarländer, die ebenfalls von ehemaligen Befreiungsbewegungen regiert werden, äußern sich positiv. „Es gibt keine Gewalt und wir freuen uns, dass der Vorlauf der Wahl Grund zur Hoffnung bietet“, sagt Namibias Botschafterin Balbina Daes Pienaar.
Simbabwes Innenminister Obert Mpofu, zugleich Verwaltungschef der Regierungpartei, bekräftigt, dass man jedes Wahlergebnis anerkennen werde, auch eine Niederlage – anders als früher. „Es sind Fragen gestellt worden, ob Zanu-PF das Wahlergebnis anerkennt, auch wenn es ungünstig ausfällt. Wir haben gesagt, dass der Präsident das bestätigt hat. Er hat diese Wahl für die Welt geöffnet, und die Welt wird sehen, dass wir dazu stehen.“
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