Wahl in Italien: Jetzt haben die Sterne das Sagen
Nach der Wahl feiern Rechte und Populisten ihre Erfolge. Eine Regierung zeichnet sich nicht ab. Nur eins steht fest: Ohne die Fünf Sterne wird nichts gehen.
U nbestrittener Wahlsieger ist das Movimento5Stelle (M5S – 5-Sterne-Bewegung) unter seinem Spitzenkandidaten Luigi Di Maio. Dem erst 31-Jährigen gelang mit knapp 32 Prozent noch einmal eine deutliche Steigerung gegenüber 2013, als das M5S damals völlig überraschend 25,6 Prozent geholt hatte. Jeder dritte Italiener wählt mittlerweile die Fünf Sterne, in den beruflich aktiven Alterskohorten zwischen 25 und 55 Jahren liegt der Wert gar bei 40 Prozent. Im Großraum Neapel kamen sie gar über die 50-Prozent-Marke. Damit wurde die Wahl zum Seismographen der verbreiteten tiefen Unzufriedenheit der Bürger mit ihrer politischen Klasse und der eigenen wirtschaftlichen Situation.
Zum völligen Desaster wurde der Wahlgang dagegen für die gemäßigt linke Partito Democratico (PD) unter Matteo Renzi, in den vergangenen fünf Jahren die wichtigste Regierungspartei, die mit Paolo Gentiloni auch den scheidenden Ministerpräsidenten stellt. Die PD stürzte von 25,5 (2013) auf jetzt nur noch 19 Prozent ab und lag damit noch unter den pessimistischsten Umfragen in den Wochen vor der Wahl.
Renzi, der vor fünf Jahren angesichts des seinerzeit als herbe Niederlage empfundenen Resultats von 25 Prozent die Parteiführung erobert hatte und in den Jahren 2014 bis 2016 auch Regierungschef war, hatte noch wenige Tage vor der Wahl angekündigt, er wolle auch im Falle einer Niederlage Parteivorsitzender bleiben, schließlich sei er „bis 2021 gewählt“. Mit dem katastrophalen Resultat vom Sonntag dürfte diese Ansage allerdings hinfällig werden.
Aber auch für den Rechtsblock um Silvio Berlusconi bedeutet das Wahlergebnis eine nicht erwartete Revolution. Mit insgesamt 37 Prozent erreichte er zwar ziemlich genau das von den Meinungsforschern prognostizierte Ergebnis. Gegenüber den Vorhersagen sind die internen Kräfteverhältnisse jedoch auf den Kopf gestellt. Berlusconi, der sich von dieser Wahl ein Comeback erhofft und erwartet hatte, seine Forza Italia (FI) werde zum Mehrheitsaktionär der Rechtsallianz, blieb bei 13,8 Prozent hängen. Die Hoffnungen des 81-jährigen Berlusconi, noch einmal zur Schlüsselfigur der römischen Politik zu werden, haben sich damit in Luft aufgelöst.
Triumph der radikalen Rechten
Triumphieren kann dagegen Matteo Salvini von der fremden- und Euro-feindlichen Lega Nord. Seine Partei schnellte auf 18,1 Prozent – 2013 hatte sie noch bei mageren vier gelegen. Auch Salvinis Verzicht auf jegliche die traditionelle Ausrichtung der Partei als Interessenvertreterin des reichen Nordens gegen den Süden und das „diebische Rom“ funktionierte. Selbst im Latium, der Region der Hauptstadt Rom, oder den Abruzzen, waren diesmal für die Lega (die den Zusatz „Nord“ aus dem Logo verschwinden ließ) 10 Prozent drin. Salvini ist damit der neue starke Mann der italienischen Rechten. Italiens Rechte ist damit radikal populistisch aufgestellt, denn neben Salvini konnte Giorgia Meloni von der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia“ (FdI – „Brüder Italiens“) gut 4 Prozent einfahren.
Völlig im Nebel liegen die möglichen Szenarien für eine Regierungsbildung. Wie befürchtet, wird im Parlament ein Patt zwischen den drei Blöcken herrschen. Ausgeschlossen ist eine Koalition zwischen Renzis PD und Berlusconis FI, für die es numerisch nicht reicht. Ausgeschlossen ist auch eine Rechtsregierung, die ebenfalls keine Mehrheit hätte. Ohne die Fünf Sterne wird in Rom nichts gehen. Ihr Chef Di Maio jedoch schließt formelle Koalitionen aus. Im Wahlkampf bot er den anderen Parteien bloß an, sie könnten ja eine Fünf-Sterne-Regierung, ihr Programm und ihre allein vom M5S ausgesuchten Minister unterstützen. Darauf jedoch wird sich niemand einlassen.
Koalition des Protestes möglich
Sollten die Fünf Sterne sich dennoch verhandlungsbereit zeigen, gäbe es nur zwei mögliche Lösungen. Die erste wäre ein Zusammengehen mit der PD, wenn sie sich einmal von dem beim M5S verhassten Renzi befreit hat. Die PD hat noch in der Wahlnacht angekündigt, ihr Platz sei in der Opposition gegen Di Maios M5S.
Arithmetisch möglich wäre allerdings auch eine Koalition des Protests aus M5S, Lega und der postfaschistischen FdI. Sie hätte komfortable Mehrheiten in beiden Häusern des Parlaments. Politisch würde ein solches Bündnis jedoch vor allem das M5S – dessen Wähler in hohem Maß auch von links kommen und das vor allem im der Lega überwiegend feindlich gesonnenen Süden stark ist – extremen Spannungen aussetzen. Hinzu käme das hohe Risiko, mit einer im Ausland als tief Europa-skeptisch empfundenen Regierung Verwerfungen und Krisen quer durch die EU und in Italien selbst zu provozieren.
Nur eines steht gegenwärtig fest: Es ist Di Maios M5S, auf dem jetzt die Verantwortung lastet, eine Lösung zu finden, die auf den Veränderungswunsch ihrer Wähler antwortet und dabei das Land dennoch auf Kurs hält, ohne es ins politische Chaos zu stürzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen