Wagenknecht-Allianz: Diether Dehm im Compact-Magazin
Der Politiker der Linken schimpft im Interview über Political Correctness, wittert Manipulation durch Geheimdienste und wirbt für die Querfront.
„Von der ‚Sicherheit‘-Konferenz zur ‚Sahra-Demo‘“. Mit dem Motto bewirbt Diether Dehm eine Diskussionsveranstaltung. Die Friedensbewegung ist zurück, verkündet der ehemalige Bundestagsabgeordnete der Linken längst erfreut. Mit wem er für Russland gegen die Ukraine auf die Straße geht, scheint nicht bedeutend. Die Verantwortung für den Krieg muss aber der Nato zugeschrieben sein und die Forderung „Ami go home“ mitgetragen werden. Allianzen mit Rechtsextremen stören den früheren Musikproduzenten wenig. In der aktuellen Compact – Magazin für Souveränität findet sich ein Interview mit dem Putin-Freund.
Als „gesichert rechtsextrem“ stufte der Bundesverfassungsschutz das Magazin um den Chefredakteur Jürgen Elsässer ein. Dehm stört die Bewertung wohl nicht. Er gab auch jüngst dem rechten Medienportal Auf1 ein Interview.
In der Compact sind es drei Seiten, in denen Dehm, der in der Linkspartei als Sahra-Wagenknecht-Vertrauter gilt, kaum direkt über den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine spricht. Der 72-Jährige schimpft stattdessen über die Political Correctness und wirbt für eine breite Friedensfront. Das Interview beginnt so auch mit der Anzeige, die Dehm, der Songwriter von Klaus Lages „1000 und 1 Nacht“, gegen den Showmaster Florian Silbereisen gestellt hatte, nachdem dieser das Lied ohne das Wort „Indianer“ gesungen hatte. Eine „paternalistische Sprachverhunzung“ findet der Ex-Bundestagsabgeordnete von 2005 bis 2021. Und er meint, „wer mit Indianern“ solidarisch sein wolle, könne mehr tun „als 'gratismutig’ ein Wort zu ändern“. Das sei ähnlich „wie beim Gendern – was Eliten lieber ist, als Frauen gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu zahlen“.
Ein Gespräch mit dem Management sei nun vereinbart, bei dem er aufweisen will, „dass viele Unterhaltungskünstler“, mit denen er „als Autor oder als Sprecher von Künstlern für den Frieden gegen die US-Atom-Raketen damals gearbeitet habe, genau durch Widerborstigkeit größere Wirkmacht erlangt“ hätten. Dass er nicht Künstler*innen sagt, ist nur konsequent. Konsequent auch, dass er gleich erzählt, dass er mit Uwe Steimle eine Strophe für Silbereinsen gesungen hat: „Nur angepasst überlebt keine Kunst lange. / Die Sprach-Sheriffs wollen, dass aus dir nix mehr wird. / Mensch, Florian, sei nicht die silberne Spange / die nur die Perücken von Hofschranzen ziert“. Steimle hat sich auch längst nach rechts gewendet.
In der Compact führt Dehm weiter aus, dass „bestimmte Kritik an Selenski und den Nazi-Milizen in der Ukraine strafbar“ sei. Bei Youtube und Facebook würden Kritiker*innen blockiert, und „Geheimdienste“ würden bei populären Oppositionellen die Wikipedia-Einträge „manipulieren“. Außerdem ließen sich „die Anti-Deutschen“ als „brutale Rufmord- und Shit-Sturm-Abteilung instrumentalisieren“. Mit dem Verweis, dass Adolf Hitler „weder national noch sozialistisch“ war, betont er, dass „Künstler“ gegen den Imperialismus „oft sozialistisch, aber meist demokratisch-national“ seien.
Den Vorwurf von Spiegel und taz eine Querfront anzustreben, versucht er wegzuwischen, denn „die meisten, die mit diesem Vorwurf herumfuchteln, wissen nicht – oder verschweigen wissentlich –, dass es nie einen wirkmächtigen Ansatz gab, wo Hitler-Anhänger und Linke zusammengehen sollten oder konnten“. Für ihn kein Widerspruch, sich dennoch dafür einzusetzen, dass demokratische Linken und Rechte sich annähern sollten.
Compact-Chef Elsässer teilt die Intention wie die Parole „Ami go home“. Für eine Querfront von Björn Höcke bis Sahra Wagenknecht trommelt der ehemalige Linke immer wieder und beklagt auch die „political correctness“.
Am Ende des Interviews wirbt Dehm mit einer Songpassage für eine Querfront: „Im wesentlichen Falle,/ Da brauchen wir uns alle / Auf diesem Erdenballe, / Damit er nicht zerknalle. / Schiebt alle Streitigkeiten / Für eine Weil' beiseiten, / Und lasst uns drüber streiten / Dereinst in Friedenszeiten. / Oli, oli, ola, wir sind miteinander da…“.
Seit November 2022 liegt ein Antrag zum Parteiausschluss gegen Dehm vor. Auf Twitter schreibt die Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner zu dem Interview: „Es ist unerträglich“ und fragt: „Wann endlichen Ausschluss?“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren