Waffenstillstand in Gaza: Zwei Gegner in Nöten
Israel und die Hamas im Gaza-Streifen haben sich auf eine Waffenruhe geeinigt. Beide Seiten haben genug eigene Probleme.
D ie gute Nachricht zuerst: Der Waffenstillstand, der in der Nacht von Montag auf Dienstag zwischen Israel und der Hamas ausgehandelt wurde, zeigt, dass keine der Parteien an einem offenen Krieg interessiert ist – nicht zuletzt aufgrund drückender innenpolitischer Probleme, mit denen die Regierungen in Gaza wie in Israel zu kämpfen haben.
Das Vertrauen der Bevölkerung in die Hamas, die seit 2007 den Gazastreifen kontrolliert, ist am Boden. Die Hamas hat damit zu kämpfen, ihre Führung gegen den Islamischen Dschihad und andere radikalislamistische Gruppierungen zu behaupten. Corona hat das Misstrauen noch verschärft.
Jetzt gibt es trotz strikter Kontrollen von Einreisenden erste Infektionsfälle in dem abgeriegelten, unter israelischer Besatzung stehende Küstenstreifen. Die Bevölkerung ist angesichts mangelnder medizinischer Versorgung alarmiert. Will die Hamas das Vertrauen der Bevölkerung nicht vollends verlieren, kann sie sich die israelische Reaktion auf Raketenbeschüsse nicht leisten: Einfuhrstopp für Treibstoff, Verkleinerung der Fischereizone. Die Folgen eines tatsächlichen Krieges wären mehr als verheerend.
Doch auch die israelische Regierung ist in innenpolitischem Chaos versunken und hat einen großen Teil der Bevölkerung gegen sich aufgebracht. Die unheilige Allianz zwischen den Konkurrenten Benny Gantz und Benjamin Netanjahu kann jederzeit zerbrechen. Netanjahu steht wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht, auf den Straßen protestieren seit Wochen Zehntausende gegen ihn und das Versagen der Regierung in der Coronakrise. Nur der historische Frieden mit den Vereinigten Arabischen Emiraten hat den Sturzflug von Netanjahus Umfragewerten etwas dämpfen können.
Die politische Instabilität in Gaza und Israel verhindert derzeit einen Krieg. Die schlechte Nachricht jedoch ist: Die nächste Eskalation ist nur eine Frage der Zeit. Die Leidtragenden sind die palästinensischen Zivilist*innen in Gaza und die Israelis im Grenzgebiet. Denn eine wirkliche Lösung des Konflikts liegt in weiter Ferne.
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