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Foto: Hanna Lenz

Wärmewende aus der TiefeDer Clou von Schwerin

Am Heizkraftwerk in Schwerin entsteht die Wärmeversorgung der Zukunft: eine klimaneutrale Anlage für Erdwärme. Die hohen Gaspreise sorgen für einen Aufschwung der Technik.

E in weißer Lkw mit Anhänger wartet vor dem Werkstor des Heizkraftwerks in Schwerin-Lankow. Der Tankwagen mit dem grün-orangefarbenen Logo eines Öllieferanten hat Öl geladen, 35.000 Liter, und ist einer von vier Wagen, die derzeit täglich vorfahren. Hinter dem Laster führt ein provisorischer Weg zu einer Baustelle. Schweißgeräte kreischen, Bagger röhren und Pfützen glitzern im Matsch in der Herbstsonne.

Tanklaster und Baustelle – die Szene verdichtet sich zu einem Symbolbild der Energiekrise. Und ihrer Lösung: Öl statt Gas – die Preise erfordern, die Technik des Heizkraftwerks ermöglicht das in Schwerin. Dadurch ist die Lage der Stadtwerke der mecklenburg-vorpommerschen Landeshauptstadt nicht ganz so prekär wie andernorts, wo man um die Versorgungssicherheit bangt oder Gas für Fantasiepreise einkaufen muss. Die Baustelle aber weist über die aktuelle Krise hinaus. Hier entsteht eine Tiefen-Geothermieanlage für die Wärmeversorgung der Zukunft – autark und klimaneutral.

Seit 1994 produzieren die Schweriner Stadtwerke mit ihrem Heizkraftwerk in Lankow rund 6,5 Megawatt Strom und 31 Megawatt Wärme, die ins Fernwärmenetz eingespeist werden. Derzeit sind rund 60 Prozent der Schweriner Haushalte an das Fernwärmenetz angebunden und heizen ihre Wohnungen mit Wärme aus Erdgas. Zumindest war das bislang so. Seit Russland die Gaslieferungen nach Deutschland eingestellt hat, dient auch Erdöl als Energieträger. Im Winter, bei vollem Betrieb, werden es täglich bis zu zehn Lkw an beiden Standorten der Stadtwerke sein. Das sei „nicht schön“, sagt René Tilsen, Geschäftsführer der Bioenergie Schwerin, einem Tochterunternehmen der Stadtwerke Schwerin, „aber immerhin können wir umstellen“.

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Ihr eigenes, bestelltes Erdgas verkaufen die Schweriner zurzeit zu Marktpreisen an solche Firmen, die keine Alternative zum Gas haben. Tilsen druckst etwas herum, er will nicht als Krisengewinnler dastehen. Denn Krise haben sie selbst, in Schwerin. „Es geht von einer in die nächste“, stöhnt der 43-Jährige. Erst Corona, dann, im vergangenen Jahr, eine großangelegte Cyberattacke. Und jetzt der Krieg und die Energiekrise. Womit wir beim Thema wären. „Lassen Sie uns mal weitergehen“, sagt Tilsen und führt hinüber zur Baustelle.

Direkt auf dem Gelände des alten Heizkraftwerks bauen die Stadtwerke eine neue Tiefen-Geothermieanlage. Mit weißem Bauhelm und orangefarbener Sicherheitsjacke bleibt er auf einem großen Gitter stehen, das in die matschige Fläche eingelassen ist. Er guckt nach unten, ins Dunkle. Zu sehen ist, mit viel gutem Willen, ein Loch mit etwas Wasser darin. Heraus ragt ein verschlossenes Rohr. „Sieht leider etwas unspektakulär aus“, sagt Tilsen, „es blinkt nichts, und den Bohrturm haben wir auch schon abgebaut.“

Und doch ist das Rohr das Herzstück der Anlage: Mit 60 Zentimetern Durchmesser am Anfang und 20 am Ende der Bohrung führt es 1.296 Meter in die Tiefe. Eine private Geothermieanlage für ein Einfamilienhaus holt Erdwärme aus den Tiefen von etwa 400 Metern, im Schnitt sind Tiefen-Geothermieanlagen 2.500 Meter tief. Schwerin liegt also in der Mitte. Bei 1,2 Kilometern stieß der Bohrmeißel auf eine Schicht porösen Sandsteins, durch die 56 Grad warmes Thermalwasser fließt. „Wir stehen hier über einem 250 Millionen Jahre alten Flussbett“, sagt Tilsen. Dieser Fluss hat jede Menge Geröll und Sand abgelagert. Diese inzwischen durch die Zeitläufte überlagerte Schicht bietet jetzt ideale Voraussetzungen für eine klimaneutrale Wärmeversorgung. Weil das Gestein porös ist, gibt es das warme Thermalwasser – die Sole – leicht ab und nimmt es auch unkompliziert wieder auf. Das ist wichtig, um das System effektiv zu betreiben.

Denn die Anlage muss die Sole nun über einen Kilometer nach oben bringen. 400 Meter sprudelt sie durch den Druck im Gestein von selbst, den Rest des Weges wird sie gepumpt und landet per Rohrleitung im ersten Raum des neuen Geothermie-Kraftwerks.

Hier, in der Wellblechhalle, herrscht noch Durcheinander, aber drei schrankgroße, blaue Wärmetauscher sind schon da. Von außen unscheinbare Kästen, bietet ihr Inneres eine bienenwabenförmige Struktur mit Edelstahlleitungen in millimetergenauem Abstand. Hier wird einmal die warme Sole hinein und an 18 Grad Celsius kaltem Wasser vorbeigeführt werden. Dabei wird das kalte Wasser auf 53 Grad Celsius erwärmt. Das ist schon mollig, aber lange nicht genug, um per Fernwärme Wohnungen zu heizen. Darum geht es jetzt weiter, in den zweiten Raum. Der ist der Clou von Schwerin.

René Tilsen steht auf dem Bohrloch der Tiefen-Geothermieanlage Foto: Hanna Lenz

Noch machen sich hier Arbeiter breit und schweißen Rohre. Es zischt, kreischt und stinkt. In einem halben Jahr werden an gleicher Stelle Hochleistungswärmepumpen stehen, die das Wasser mit der Energie aus einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage auf bis zu 82 Grad erhitzen. Damit ist es warm genug für das Fernwärmenetz im Standardbetrieb. Im Winter wird die Temperatur mit konventionellen Wärmeerzeugern weiter angehoben. Die Sole fließt, abgekühlt, durch eine zweite Leitung zurück ins Erdreich, einen Kilometer vom ersten Bohrloch entfernt. So entsteht ein Kreislauf, der jahrzehntelang bestehen kann. 20 Millionen Euro werden Planung, Bohrung und Technik die Stadtwerke am Ende kosten, eine hohe Summe für das kommunale Unternehmen, das 2019 einen Umsatzerlös von 160 Millionen Euro erzielte.

Klimaneutrale Wärmeversorgung

Die Hochtemperaturwärmepumpen, die hier zum Einsatz kommen – „das sind die Game-Changer“, sagt Matthias Franz, Geologe am Geowissenschaftlichen Zentrum der Universität Göttingen. Er forscht seit über zehn Jahren zu geothermischen Reservoiren und hat das Projekt in Schwerin von Beginn an begleitet. „Vor zehn Jahren hätten wir die 56 Grad warme Thermalsole nicht wirtschaftlich nutzen können“, sagt er. Man hätte in viel tiefere Gesteinsschichten bohren müssen, was wesentlich teurer ist. Die neuen, leistungsstarken und im Vergleich günstigeren Pumpen können die Thermalsole auf die nötige Temperatur bringen – werden sie mit erneuerbaren Energien betrieben, ist das klimaneutral.

Geologisch für Erdwärme gut geeignet sind die Norddeutsche Tiefebene, das Mollassebecken in Bayern und der Oberrheingraben in Südwestdeutschland

Im Grunde funktionierten die Pumpen wie ein Kühlschrank, nur umgedreht und so wie die Wärmepumpen, die sich Haus­be­sit­ze­r:in­nen zunehmend in ihre Keller stellen. „Die Nutzung für die Fernwärmeversorgung ist jedoch komplexer“, sagt Franz, „aber jetzt können wir das, und darum können wir kostenmäßig mit Gaskraftwerken mithalten.“ Das erschließe die klimafreundliche Technologie für noch mehr Regionen. Wünschenswert wäre das, weil Erdwärme effizient ist: Wird eine Kilowattstunde Windstrom in Wasserstoff umgewandelt, lassen sich daraus 0,5 Kilowattstunden Wärme produzieren. Bei oberflächennaher Geothermie wird eine Kilowattstunde Strom eingesetzt, um 4 bis 5 Kilowattstunden Wärme zu erzeugen – bei Tiefengeothermie ist das Verhältnis 1 zu 30.

Um Erdwärme aus der Tiefe nutzen zu können, benötigen Kommunen zwei Dinge: Die geologischen Voraussetzungen im Untergrund und ein Fernwärmenetz. Geologisch gut geeignet sind die Norddeutsche Tiefebene, das Mollassebecken in Bayern – also die Voralpenregion – und der Oberrheingraben in Südwestdeutschland. Über Fernwärmenetze verfügen nicht viele Kommunen: Nur 14 Prozent aller Haushalte erhalten ihre Wärme aus einem zentralen Netz.

Leitungen für das Thermalwasser, das die Wärme transportiert

Dabei sei es sinnvoll, die Wärmeversorgung dort, wo das möglich sei, zentral zu organisieren, sagt ein Sprecher vom Verband Kommunaler Unternehmen (VKU), es müsse nicht jeder in seinem Garten nach Erdwärme bohren. „Wärmenetze sind das Mittel der Wahl“, so der Sprecher. Zurzeit beruhen noch über 80 Prozent der Fernwärme auf fossilen Energieträgern wie Kohle und Gas. „Der zukünftige Erzeugungs- und Brennstoffmix wird vielfältiger, fossile Brennstoffe werden sukzessive ersetzt. Wir werden ganz unterschiedliche Energiequellen erschließen und in die Netze einbinden: Abwärme aus Industrieanlagen und thermischen Abfallbehandlungsanlagen, Solarthermie- oder Geothermieanlagen.“ Solar- und Geothermie tragen bislang im Fernwärmebereich nur zu einem Prozent am Wärmeverbrauch bei. Kurz gesagt: In Deutschland wird die Stube heute noch mit Gas oder Kohle geheizt; wenn erneuerbare Energien zum Zuge kommen, handelt es sich überwiegend um Biomasse wie Mais, Holz oder Abfall.

Das Interesse der Stadtwerke an der Wärmewende – also mehr erneuerbare Energien in der Leitung – war lange Zeit eher gering, sagt Peter Seibt, „es war ja immer ausreichend kostengünstiges Erdgas vorhanden.“ Seibt ist Ingenieur und hat vor 30 Jahren in dem mecklenburgischen Städtchen Neubrandenburg das Ingenieurbüro Geothermie Neubrandenburg, GTN, mitgegründet. Inzwischen beschäftigt er 25 Ingenieure, Geologen und andere Mitarbeiter. Sein Büro plant, realisiert und betreut Geothermieprojekte für Stadtwerke, private Investoren und energieintensive Betriebe weltweit. Auch das Schweriner Projekt setzt GTN gemeinsam mit den Stadtwerken um. „Jahrelang habe ich um Termine angefragt, um die Technik vorzustellen“, sagt Seibt, „inzwischen ist es anders herum.“ Der hohe Gaspreis sorgt dafür, dass Tiefengeothermie-Projekte wettbewerbsfähig werden. Die Nachfrage aus den Kommunen sei riesig.

Bislang liege Deutschland in der Nutzung „im Mittelfeld“, sagt Seibt, „wir sind kein typisches Geothermie-Land wie Island, Chile oder die Türkei.“ In vulkanischen Gebieten müsse man nicht so tief bohren und erreiche schneller höhere Temperaturen. Das ist effizienter und daher billiger. In Island mit seinen Geysiren etwa fließe heißes Wasser direkt unter dem Boden, „ganz Reykjavík wird mit Erdwärme geheizt“, sagt Seibt.

Aber auch in Deutschland hat sein Büro Leuchtturmprojekte umgesetzt: Das neue Humboldt Forum in Berlin wird durch 115 jeweils 99 Meter tiefe Bohrlöcher gewärmt, der Reichstag ist in den „Technikverbund Parlamentsbauten“ in ein geothermisches System eingebettet. Reykjavík, Berlin – aber warum entsteht ein wegweisendes Modellprojekt für effiziente Tiefen-Geothermie gerade in Schwerin, wo die Ministerpräsidentin residiert, die am längsten an russischem Gas und Öl klebte?

Das Interesse der Stadtwerke an der Wärmewende war lange Zeit gering. Es war ja immer ausreichend kostengünstiges Erdgas vorhanden

Peter Seibt, Ingenieurbüro Geothermie Neubrandenburg

Neben den guten geologischen Voraussetzungen gibt es in der Gegend eine lange Tradition für Erdwärme. Anfang der 1980er Jahre begann sich die ewig klamme DDR nach Alternativen zu teuren, fossilen Rohstoffen umzusehen und entdeckte die Energie in der Tiefe. Deshalb läuft seit 1987 in Waren an der Müritz eine Geothermieanlage, ebenso im nahen Neustadt-Glewe. „Das ist der Charme der Geothermie“, sagt Seibt, „am Anfang sind die Kosten hoch, aber damit kaufen Sie sich quasi die Brennstoffe für die nächsten 30 Jahre.“ Das klingt – natürlich – leichter, als es ist.

Das komplizierte Verfahren ist eine echte Hürde: Nehmen Stadtwerke ein Tiefen-Geothermie-Projekt in Angriff, benötigen sie zunächst ein geologisches Gutachten. Fällt es positiv aus, folgen bergrechtliche Genehmigungsverfahren, denn die Erdwärme ist ein sogenannter bergfreier Bodenschatz, wie Kupfer oder Erdgas, für dessen Abbau eine staatliche Erlaubnis erteilt wird. Sind die Genehmigungen eingeholt, werden Voruntersuchungen angestellt und schließlich eine Probebohrung durchgeführt. Liefert diese die erwarteten Ergebnisse, kann mit der zweiten Bohrung, der Planung und dem Bau der Anlagen sowie ihrer Integration ins Fernwärmenetz begonnen werden.

In Schwerin hat dieser Prozess, trotz Erfahrung in der Region, mehr als acht Jahre gedauert. „Mit dem Wissen, das wir dabei gesammelt haben, bekommen wir das nächste Projekt in vier Jahren hin“, sagt René Tilsen. Mit der Anlage in Lankow soll nämlich noch lange nicht Schluss sein. Tilsen hat noch viel vor: Insgesamt zehn Anlagen könnten es am Ende werden, sagt der Vater dreier Kinder, „2035 will Schwerin klimaneutral heizen, das ist das Ziel“. Das ist ambitionierter als die Ziele der Bundesrepublik – 2030 insgesamt 65 Prozent weniger Treibhausgase als 1990. Aber auch die sind happig.

René Tilsen, Stadtwerke Schwerin Foto: Hanna Lenz

Viele Brancheninsider bezweifeln, dass die Klimaziele im Wärmebereich erreichbar sind. Aber sie sehen, andererseits, auch viel Dynamik: „Unternehmen wie Wintershall, die zu Öl- und Gasbohrungen Alternativen suchen, drängen in die Geothermie“, sagt Norman Gerhardt vom Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesysteme (IEE) in Kassel. „Die Öl- und Erdgasbranche verfügt über ein großes Know-how in der Bohrtechnik, das ist vielversprechend.“ Andererseits bleibe die Geothermie gegenüber anderer grüner Wärme eine teurere und aufwändige Technik. Am Ende müsse jede Kommune aufgrund ihrer lokalen Voraussetzungen und Bedingungen entscheiden, welche Mischung verschiedener Energiequellen sich bei ihr anbiete.

Gibt es energieintensive Industriebetriebe mit großen Mengen an Abwärme? Liegt die Kommune an einem breiten Strom wie dem Rhein, der als kostengünstige Wärmequelle dienen kann? Die Kommunen müssten entscheiden, ob sie in den Ausbau der Fernwärmenetze investierten oder lieber in Nahwärmenetze, sagt Gerhardt. Diese entstehen, wenn Gebäudeeigentümer im Quartier gemeinsam Oberflächen-Geothermieprojekte angehen, mit Bohrtiefen unter 400 Metern. „Die Lösungen werden komplex und vielschichtig sein“, sagt Gerhardt, „Tiefengeothermie ist hier ein wichtiger Baustein, aber die eine Lösung für alle gibt es nicht.“

Ein Booster der Bundesregierung

Für die Stadtwerke ist das eine riesige Herausforderung. Um sie zu meistern, braucht es einen ordentlichen Schub. Das findet auch das Bundeswirtschaftsministerium und nennt seine vor wenigen Tagen gestartete „Bundesförderung für effiziente Wärmenetze“ – BEW – einen Booster für die grüne Fernwärme. Bis 2026 will sie die erneuerbare Wärmeerzeugung etwa aus Geo- oder Solarthermie mit rund drei Milliarden Euro fördern.„Die Idee des Förderprogramms ist gut“, sagt André Deinhardt, Geschäftsführer des Bundesverbandes Geothermie, „das Programm selber nicht.“ Erstens sei es zu bürokratisch. Die Stadtwerke müssten für eine Förderung nachweisen, welchen wirtschaftlichen Vorteil sie erzielen, wenn sie statt eines Gaskraftwerks eine Geothermieanlage bauten. „Wie wollen Sie das berechnen?“, fragt Deinhardt, „wie hoch wollen Sie die Gaspreise oder die Inflation in zehn Jahren veranschlagen?“

Außerdem gibt es ein weiteres Problem: Wenn die Stadtwerke bei einer Probebohrung am Ende feststellten, dass Tiefen-Geothermie bei ihnen doch nicht möglich oder wirtschaftlich nutzbar wäre, bleiben sie bislang auf den Kosten dafür sitzen. Das kommt zwar selten vor, kann aber Beträge zwischen einer und zehn Millionen Euro erreichen – der Albtraum jedes Kämmerers. „Einer kleinen Gemeinde können Sie das nicht zumuten“, sagt Deinhardt, „die kann ein solches Risiko nicht eingehen.“ Darum müsse eine sogenannte Fündigkeitsversicherung in das Förderprogramm herein und die Wirtschaftlichkeitsprüfung heraus.

Das Wirtschaftsministerium habe viel vor und gute Ideen, sagt Deinhardt. Aber seit Beginn des Ukraine-Krieges im Februar gehe es mehr um kurzfristige Lösungen, „und strategische Dinge wie die Förderung in effiziente Netze kommen zu kurz“. Investitionen in Geothermie seien auch eine soziale Frage, sagt Deinhardt: „Lebe ich in einer Gemeinde wie zum Beispiel München, die so reich ist, dass sie sich Erdwärme schon leisten konnte? Oder musste die Gemeinde beim Gas bleiben und schickt mir als Kunden jetzt hohe Rechnungen?“ Und wirklich: Die Vorreiter für Tiefen-Geothermie sitzen vor allem im reichen Süden und Südwesten. Aber eben nicht nur. Denn neben den geologischen Voraussetzungen und Geld, da sind sich Experten einig, ist noch etwas nötig, damit sich vor Ort etwas bewegt: „Sie brauchen engagierte Leute, die das wollen, die sich Themen wie das Bergrecht oder Geologie erschließen“, sagt Seibt. „Damit hatten Stadtwerke ja bislang nichts zu tun“.

Es braucht Leute wie René Tilsen. „Wir sind doch sowieso schon viel zu spät“, sagt der, als er von der Baustellenbesichtigung in Lankow zurück zum alten Heizkraftwerk geht. Der Tankwagen ist inzwischen weg. „Wir haben die Technik und das Wissen, das wir brauchen“, sagt Tilsen, „wir müssen jetzt einfach loslegen.“

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16 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Wenn es schief geht, bleiben Stadtwerke bisher nicht nur auf den Kosten für die Probebohrung sitzen. Es kann auch richtig schief gehen...



    Also mir fiel das als erstes ein, während hier die Technik kritiklos glorifiziert wird:

    de.m.wikipedia.org...taufen_im_Breisgau

    Aber man hat wohl daraus gelernt.

    • 0G
      06438 (Profil gelöscht)
      @travellingpete:

      Hydrogeologe Nico Goldscheider und Geologe & Geophysiker Timothy D. Bechtel : Nach Meinung dieser Autoren wurde bei den Arbeiten vorhandenes geologisches und geotechnisches Wissen ignoriert.

      Wenn sie eine Verbindung von Wasser und starken Gipsvorkommen (Keuper, Anhydrit) im Gestein durch eine Bohrung herstellen erfolgt eine heftige Reaktion: Der bislang trockene Gips quilt auf und erhitzt sich. -

      Deswegen werden in dem betroffenen Gebiet - inklusive Freiburg - ab 2014 keine Geothermiebohrungen zugelassen die tiefer als 100m gehen.

      Wenn sie mit Ihrem luftbereiften Fahrrad einen platten Reifen erleiden infolge Glas oder durch Einwirkung sonstiger spitzer Gegenstände - werden sie dann auch Luftbereifung komplett ablehnen?

  • 2001 80m² Wohnung in einem Passivhaus gekauft:



    Meine Heizkostenabrechnung fürs ganze Jahr 2021 > 80€ 🥂🙃✌

    China will energetisch hoch hinaus

    Auch in Gaobeidian wird deutlich, dass China in enormen Dimensionen



    baut. In der Bahnstadt, rund 100 Kilometer südlich von der Hauptstadt Peking entfernt,



    entstehen über 20 Hochhäuser sowie einige Mehrfamilienhäuser im PassivhausStandard. Genau dorthin lädt das Passivhaus Institut zusammen mit seinen Partnern



    im Oktober zur 23. Internationalen Passivhaustagung ein. Der Fokus der Tagung:



    „Passivhaus weltweit“. Den Eröffnungsvortrag hält Ernst Ulrich von Weizsäcker.

    passivhaustagung.d...china_programm.pdf

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Angesichts der Tatsache, die bekannt sein dürfte, das im Kern der Erde Temperaturen von 5.000 bis 7.000 °C herrschen und die Erde diese Hitze kontinuierlich ins Weltall abgibt gehen mir die zickigen Diskussionsbeiträge um den Erhalt & Erwerb fossiler Energien zunehmend auf den Zünder.

    In der Regel steigen die Temperaturen pro 100 m Tiefe um 3 Grad C - das bedeutet, das bei ca. 3.000m Bohrtiefe



    genügend direkt nutzbare Energie zur Verfügung steht, mit der ohne weiteres nicht nur die Entnahme von Wärme realisiert werden kann sondern auch noch Generatoren zur Stromproduktion angetrieben werden können.

    Wer nachhaltig planen möchte - also auch für Kinder und Kindeskinder - dem sei versichert, das der Erdwärmestrom nach Aussagen von Geologen noch mindestens für die nächsten viereinhalb Milliarden Jahre anhalten wird.

    Nach dem gegenwärtigen Forschungsstand ist Schleswig - Holstein, Mac Pom & Niedersachsen zu 100% für Geothermie geeignet - Sachsen Anhalt zur Hälfte und Brandenburg zu 90%.



    (neben dem Rheingraben & dem südlichen Bayern am Rande der Alpen)

    Also gehört zu den tauglichen Gebieten für Tiefengeothermie auch Berlin und das Umland - wobei ich hoffe, das bei den vorsichtig geschätzten 2.000 Baustellen in der Stadt hoffentlich einige dabei sind, die etwas tiefer graben, um künftig den Wärmeschatz zu heben und um die energetische Zukunft abzusichern.

    Mal abgesehen von der Co 2 Ersparniss - darüber hinaus könnten dann auch noch 3.8 Millionen Waschlappen eingespart werden - deren Nutzung zur Selbstreinigung dann nicht mehr zwingend sein dürften.

    Klartext:



    Der Berliner Senat nebst den angeschlossenen Stadtwerken sollten endlich vom dicke ""Bretter Bohren"" auf die Bohrung von tiefen Löchern umschalten - das hilft jedenfalls sogar mittelfristig um künftige "Black outs" vorzubeugen - gegen die der Senat derzeit für diesen Winter Norfallpläne entwickelt um sie auszuschliessen.

    • @06438 (Profil gelöscht):

      apropos in dem Artikel erwähnte Geothermie in der Türkei. Dort spuckt sie im offenen Kreislauf tonnenweise geothermisches "Sprudelwasser"-CO2 in den Himmel. Ich hoffe das wird auch dort bald abgestellt. Wird dann natürlich durch Wärmetauscher und Rückpumpen wesentlich teuerer!

  • "...bei Tiefengeothermie ist das Verhältnis 1 zu 30."



    Da ist wohl der Wunsch der Vater des Gedankens. Mit den angegebenen Temperaturen (53 bzw. 82 °C, entsprechend 326 bzw. 355 K) komme ich nach Carnot auf einen COPmax = 12,24 [1].



    [1] de.wikipedia.org/w...mische_Betrachtung

    • 0G
      06438 (Profil gelöscht)
      @sollndas:

      "... Missverständnis?"



      ==



      Normalerweise steigt die Temperatur pro 100m Tiefe um 3 Grad C.



      Schwerin profitiert von 2 Besonderheiten:



      1..Bei einer Bohrtiefe von nur 1200m wurde ein Thermalfluid von 53 Grad C erwischt - normal wären 36 Grad C gewesen.



      2.. Einsatz der KWK Anlage welche das Fluid weiter auf 83 Grad C erhitzt

      Bei Tiefengeothermie (2500m) kann theoretisch die dort vorhandene Energie von 75 Grad Celsius ausgebeutet werden.

      Allerdings gibt es in der Bundesrepublik auch Gebiete, in der die Temperatur um 10 Grad C pro 100m Tiefe steigt - zur Berechnung von COPmax setzen sie dann natürlich die dort vorhandene Energiemenge ein - angenommen bei einer Bohrtiefe wie in Schwerin 1200m -- wären das 120 Grad C.

      Wenn also Wärmetauscher normalerweise ein eta von 1 : 5 erreichen lässt sich der Nutzungsgrad bei Tiefengeothermie nach den Angaben im Text bis auf ein Verhältnis von 1 : 30 steigern.



      .

      • @06438 (Profil gelöscht):

        Ja, Missverständnis, aber auf Ihrer Seite.



        Schon Carnot begrenzt die Ausbeute auf der warmen Seite auf den maximalen theoretischen Faktor von COPmax = 12,24. Mindestens 8,2 % der auf der "warmen" Seite herauskommenden Energie müssen in eine (verlustfrei arbeitende!) Wärmepumpe an Fremdenergie hineingesteckt werden.



        Nehmen wir einen Wirkungsgrad der Wärmepumpe von ca. 80 % an (große Anlagen können diesen Wert erreichen), so drückt das den Faktor auf ca. COP = 10. Hinzu kommt weiterer Energieaufwand für das Hochpumpen der Sole, Pumpen im Fluidkreislauf, etc., was die Gesamteffizienz weiter drückt.



        1:30 ist unter den beschriebenen Bedingungen nicht zu erreichen. Allenfalls hätte die Autorin z.B. schreiben können: "Unter günstigen Bedinungen (z.B. wenn die Sole so heiß aus dem Boden kommt, dass keine Nacherwärmung erforderlich ist) lässt sich bei Tiefengeothermie ein Verhältnis 1 zu 30 erreichen".

        • 0G
          06438 (Profil gelöscht)
          @sollndas:

          Zur Ergänzung des obigen Textes:

          1..a. 1 kw Windstrom = in Wasserstoff umgewandelt = 0,5 KW Wärme



          =



          1.. b. bei oberflächennaher Geothermie 1 KW Strom für Wärmepumpen eingesetzt = 4 bis 5 KW Wärme



          =



          1..c. bei Tiefengeothermie ist das Verhältnis 1 zu 30 - weil bei der direkten Förderung von mehr Energie = Förderung höherer Temperaturen durch tiefere Bohrung = der Einsatz weder von Wärmepumpen noch von Kraft - Wärme - Kopplung notwendig sind.

          2.. anbei zur Berechnung des Carnot-Wirkungsgrades der KWK - Anlage in Schwerin -- siehe



          www.geogebra.org/m/tb78mjtq

          Ergebnis. Carnot Wirkungsgrad in Schwerin liegt bei 8,45% ?

          3..Danke für Ihren letzten Absatz der klärt, das sich Tiefengeothermie durch die entstehenden Kosten wohl hauptsächlich lediglich bei dualer Nutzung zur Strom - und gleichzeitiger Wärmeproduktion rechnet.

          4.. Durch Ihren Hinweis auf die physikalischen Gesetze von Carnot folgende Zusammenhänge:



          Kalte Nahwärme beziehungsweise Kalte Fernwärme ist eine technische Variante eines Wärmeversorgungs-netzes, das mit niedrigen Temperaturen in der Nähe der Umgebungstemperatur arbeitet und sowohl Wärme als auch Kälte bereitstellen kann. Üblich sind Übertragungstemperaturen im Bereich von ca. 10–25 °C, wodurch diese Systeme mit Temperaturen deutlich unterhalb herkömmlicher Fern- oder Nahwärmesysteme arbeiten.

          Klartext: Die Temperatur oder Energie von 25 Grad C kann leicht durch die relativ kostengünstige Oberflächengeothermie produziert werden - was zu folgender Überlegung führt:

          In der kalten Jahreszeit wird hauptsächlich Wärme benötigt - und angesichts des Klimawandels wird der Bedarf an Kälte in den warmen Sommermonaten steigen.

          Das bedeutet: Wärme wird in der warmen Jahreszeit über geothermische Anlagen in das Erdreich abgeführt - um diese eingespeicherte Wärme im Winter zum Heizen zu nutzen.

          Ist damit das Speicherproblem regenerativer Energien gelöst?

          • @06438 (Profil gelöscht):

            Ich habe nicht die Zeit, auf alle angesprochenen Punkte einzugehen. Nur z.B.:



            "...Übertragungstemperaturen im Bereich von ca. 10–25 °C..."



            Rechnen Sie bitte aus, welche Wärmetauscherflächen bei diesen Temperaturen erforderlich wären und wie Sie diese Flächen in Wohnräumen unterbringen wollen (Wärmeübergangszahl bei freier Konvektion ca. 10 W/m²*K).



            "Ist damit das Speicherproblem regenerativer Energien gelöst?"



            Nein. Völlig ungelöst ist z.B. das Problem, wo der erneuerbare Strom für die Wärmepumpen im Winter herkommen soll.



            Geothermie kann, wenn günstige örtliche Bedingungen vorliegen, ein Beitrag zur Lösung sein - mehr nicht.

  • Den Artikel unten von 2015 kann man sich mal reinziehen. Geothermie wurde in der DDR in Mecklenburg bereits genutzt.

    www.focus.de/regio...ck_id_5039518.html

  • Die Mär vom sauberen Strom



    "....werden sie mit erneuerbaren Energien betrieben, ist das klimaneutral."



    Das ist bei den Erdwärmepumpen so, aber auch bei den Elektroautos und "normalen Wärmepumpen". Speist man sie nicht mit Strom aus erneuerbaren Energien sind sie nicht klimaneutral.



    Aber selbst wenn man es tut, dann sinkt der saubere Stromanteil für den restlich benötigten Strom. Also ist es letztlich doch nur linke Tasche rechte Tasche.



    Mit jeder "sauberen" kWh für Wärmepumpen fehlt eine kWh für normale Verbraucher, wie den Kühlschrank, den Fernseher,...



    Es gibt also keinen "sauberen" Strom für Wärmepumpen, weil er dann wo anders fehlt.

    • 8G
      8190 (Profil gelöscht)
      @Rudi Hamm:

      Mit der gleichen Troll-Argumentation wurden z.B. auch die letzten Jahrzehnte in Deutschland Passivhäuser auf breiter Ebene schlechtgeredet und Solar und Wind hätten nie über 5 Prozent kommen können, jaja.



      Alles ist unendlich komplex, auf dem nächsten fraktalen Level wartet immer irgendein (Schein-) Gegenargument. Auch ein Fahrrad enthält Plastik und wird mit dem LKW geliefert, ist DAS jetzt der Grund, doch Auto zu fahren?

    • @Rudi Hamm:

      Hier ist das nicht so. Die Energiequelle ist neu. Das ist zusätzliche Energie, die nirgendwo anders weggenommen wird.

    • @Rudi Hamm:

      Na, dann mal Fernseher aus.

      • @WeisNich:

        "Na, dann mal Fernseher aus."



        Im Internet surfen braucht mehr Strom.

        @Kahlschlagbauer: Im konkreten Beispiel mit einer JAZ 60 stimmt das, bei normalen Wärepumpen mit JAZ 2.5-4 nicht.