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Wachsender Berg an ElektronikschrottEs könnte viel weniger sein

Kommentar von Svenja Bergt

Die Menge an Elektro-Abfällen wächst. Die EU setzt nun auf einheitliche Ladekabel – ein kleiner Schritt. Nötig ist ein radikaler Wandel zu mehr Langlebigkeit.

Da ist doch eine Sollbruchstelle drin! Foto: Tyrone Siu/reuters

D er Berg an Elektronikschrott ist einer der am schnellsten wachsenden Müllberge unserer Zeit. Über 50 Millionen Tonnen jährlich sind es aktuell, 2030 sollen es Prognosen der Universität der Vereinten Nationen zufolge 75 Millionen sein, 2050 dann 111 Millionen jährlich.

Die immense Steigerung liegt an drei Entwicklungen. Erstens: Immer mehr Geräte werden mit elektronischen Teilen ausgestattet. Zweitens: Immer mehr Menschen nutzen elektronische Geräte. Drittens: Die Lebenszyklen von Produkten sinken, teilweise direkt bedingt durch neue Elektronik-Komponenten, bei denen man in Hard- oder Software gleich ein Ende des Lebenszyklus anlegen kann.

Wenn die EU-Kommission jetzt also endlich, endlich einen Gesetzentwurf vorlegt, das Hersteller zu einem einheitlichen Ladeanschluss bei Smartphones und ähnlichen Geräten verpflichtet und damit 980 Tonnen Elektronikschrott im Jahr vermieden werden sollen, steht eine Frage im Raum: Warum in aller Welt erst jetzt? Und nicht schon vor zehn Jahren, als das Problem bereits in allen Dimensionen bekannt war?

Klar, Lobbyismus. Aber die Zeiten, in denen man mit der Industrie sprechen und auf die Erfüllung grünwaschender Selbstverpflichtungen hoffen konnte, sind nun wirklich vorbei. Es geht einfach zu schnell: Drei Jahre vorbei, schon wieder ein paar tausend Tonnen Schrott zusätzlich.

Was nötig ist: ein radikaler und schneller Prozess hin zu mehr Langlebigkeit. Das Smartphone, das nach einem Jahr ausgemustert wird, darf es nicht mehr geben. Alle Anreize und Vorschriften müssen dafür sorgen, dass Nut­ze­r:in­nen ihre Elektonikgeräte länger als derzeit nutzen können, und zwar deutlich. Updates müssen entsprechend lange ausgeliefert werden, Ersatzteile wie Akkus verfügbar sein und die Geräte so gebaut, dass sie mindestens bei Kleinigkeiten auch ohne Werkstatt repariert werden können. Smartphones, die sechs, sieben, acht Jahre halten, die gibt es auch schon heute. Und keinen zwingenden Grund, warum das nicht auch der Standard sein soll.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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13 Kommentare

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  • Ein Problem ist, daß neuere Betriebssystemversionen und moderne Apps oft nicht mehr auf alter Hardware laufen. Genau wie bei PCs.

    Versuchen Sie mal, Windows 10 und ein aktuelles Photoshop auf einem zehn Jahre alten Aldi-PC zu installieren. Da werden Sie kein brauchbares Resultat erhalten.

    Notwendig wären:

    - Modulare Bauweise, Aufrüstbarkeit



    - Längerer Support mit Updates durch die Hersteller



    - Reparierbarkeit



    - Genormte Schnittstellen und Bauteile



    - Bessere Zerlegbarkeit zum Recycling

    Da ist die Politik gefragt.

    • @kditd:

      Prinzipiell sind Desktop-PCs ja modular aufgebaut und man kann sie auf-/umrüsten. Auch Schnittstellen etc. sind vielfach genormt.



      Aber: alle paar Jahre wird etwas daran geändert und plötzlich passen neue Komponenten nicht mehr in das alte Gehäuse und/oder sind nicht mehr kompatibel mit älteren Bausteinen. Da können dann nur noch Leute ran, die tiefer gehendes Wissen haben und sich passende ältere Komponenten besorgen können (wollen).



      Für Menschen, die kaum mehr als Office-Anwendungen machen, würde es auch noch ein WIN3.11-Rechner tun. Internettauglich für die heutige WWW-Welt wären die allerdings nicht, die würden schon beim Laden der meisten Starseiten in die Knie gehen.

  • Wie wäre es denn mal mit einer anderen Denke? Nicht immer das neueste und modernste und supertollste haben zu müssen, wäre doch auch etwas, oder? Aber das erzähl mal jemand...

    • @Pia Mansfeld:

      Dazu kommt, dass heute alles "smart" und elektrisch sein muss.



      In meiner Küche z.B. gibt es Kühlschrank, Herd, Wasserkocher und eine stinknormale Filterkaffeemaschine (die ich allerdings nur verwende, wenn Besuch da ist). Nichts davon ist "smart", aber smart: weil ich das alles ganz ohne APPs etc. selber bedienen und Einkaufszettel selber schreiben kann.

  • "Nötig ist ein radikaler Wandel zu mehr Langlebigkeit."

    Sicherlich, nur wird das nie passieren - schließlich huldigen "wir" dem unendlichen, künstlichen Wirtschaftswachstum und wie es aussieht bis zum bitteren Ende.

  • „Was nötig ist: ein radikaler und schneller Prozess hin zu mehr Langlebigkeit“



    Leider drückt sich die Autorin um eine wichtige Frage herum: Wie bringt man älteren Elektro(nik)-Geräten die Funktionalität bei, die heute üblich, oft sogar unverzichtbar ist?



    Beispielsweise ein Rundfunkgerät, das im Prinzip noch tadellos funktioniert, dessen Lang- , Mittel- und Kurzwellenbereiche aber inzwischen leergefegt sind (UKW wird folgen)? Und das aber leider mit dem qualitativ viel besseren DAB+ nicht umgehen kann?



    Oder der ältere Fernseher, der mit einer Bildqualität 640x480 Pixel Bilder von „echtem Schrot und Korn“ lieferte, basierend auf analoger Übertragung? Analoge Übertragung gibt’s nicht mehr und auf die digital angelieferten Bilder viel höherer Qualität (1920x1080 Pixel bei HD) ist er nicht umrüstbar!



    Oder der ältere Computer mit Windows 7, dessen mögliche Langlebigkeit nichts nützt, wenn die neue Software min. Windows 10 erfordert, der aber nicht Windows 10 -kompatibel ist?



    Was soll mit diesen und vielen weiteren Geräten geschehen?



    Wenn ich die Tendenz des Beitrags weiterdenke, müsste jede Produkt-Weiterentwicklung sofort eingestellt und nur noch die Langlebigkeit verbessert werden. Dann könnten die heute neu gekauften Geräte auch noch in 10 und 100 Jahren genutzt werden – mit den heute üblichen Features!

  • Wie werden mit den einheitlichen Kabeln 980 Tonnen Elektronikschrott im Jahr vermieden?

    Wenn ich heute ein neues Gerät kaufe, gibt es idR ein Ladekabel dazu. Dann brauche ich das alte nicht mehr, werfe es weg, oder, so bei mir, packe es in die Ladekabelschublade. Oder ich benutze es irgendwie weiter, irgendwo wird es schon reinpassen.

    Ein gesetzlich festgelegter Standard dürfte sich alle paar Jahre ändern, so schnell ist kein Gesetzgeber.

  • Aufgeladen wird das iPhone 7 am Computer. Ein Kabel. Unnötige Herummacherei. Was machen denn der Datenschutz und die kuenstliche Intelligenz? Opt In oder Opt Out? Im Zweifel SPAM.

  • Mein Samsung Note 3 ist nun schon rund 8 Jahre alt, das Note 1 meiner Frau sogar schon 10 Jahre.



    Laufen beide prima, Akkus gibt es auch noch - wenn man will geht es also.



    Die Covid-Apps lassen sich wohl nicht installieren, weil die Betriebssysteme zu alt sind (Note 1 Android 4 und Note 3 Android 5).



    Macht aber auch nichts, die Impfnachweise haben wir stets in gedruckter Form dabei.

    • @jlMG:

      Tja der preis der Technologie oder zurück zum buch



      Die Frage ist wie man sein Smartphone nutzt.



      Neben telefonieren ist bei mir das Smartphone der Allrounder, Fotos, Filme schauen, bezahlen etc.

  • Der größte E-Schrott-Berg kommt erst noch auf uns zu: das E-Auto ist ein gutes Substrat, da es schneller als ein konventionell angetriebenes Auto für den Schrott ist. Da sind die unterschiedlichen Ladekabel der E-Autos noch das kleinste Problem.

  • In anderen Ländern, wie z. B. in Korea, gibt es das schon lange: Ein Ladekabel für alle Handys. Es ist krank, dass es diesen Wahnsinn im "superfortschrittlichen und Maß aller Dinge" Deutschland immer noch gibt. Mehr noch, dass alle es hinnehmen.

    Wer glaubt denn eigentlich noch, irgendjemand Gewähltes regiert hier das Land? INDUSTRIEINTERESSEN....

    • @Wu:

      Dann gibt es in (Nord? Süd?) Korea keine iPhones?