W20-Gipfel in Berlin: Kanzlerin, Königin, First Daughter
Auf der W20-Frauenkonferenz spricht Ivanka Trump nur in Allgemeinplätzen. Mit seltener Verve verteidigt die Kanzlerin das deutsche Quotengesetz.
Man glaubt es kaum, dass die Tochter von US-Präsidenten Donald Trump als Beispiel gelten soll für weibliche Selbstbestimmung. Trump, das ist doch dieser Typ, der ihm widersprechende Frauen gern als „hässlich innen und außen“ nennt. Dessen politischer Stab fast ausschließlich aus Männern besteht.
„Inspiring women“ lautet der Titel des W20-Gipfels. Inspirierend scheint vor allem der Glamour zu sein, den diese Frauenkonferenz innerhalb der deutschen G-20-Präsidentschaft ausstrahlt. Und zwar nicht, weil Angela Merkel wieder mal in einen besonders fancy Blazer in Signalrot geschlüpft ist. Sondern weil am Dienstag im Berliner Hotel Intercontinental auch Ivanka Trump auf der Bühne sitzt.
Merkel, so war im Vorfeld vom stellvertretenden Regierungssprecher zu hören, habe Frau Trump gar nicht selbst eingeladen. Das seien der Frauenrat und der Unternehmerinnen-Verband gewesen.
Man erwartete also ein paar höfliche Talking Heads, die intellektuell den Besuch einer Frau umkränzen, deren nepotistischer Titel schon abgefahren ist. „First daughter and Advisor to the President“ – wer denkt sich denn so was aus? Und wer möchte sich ernsthaft so nennen lassen?
Wie es aber immer so ist mit den Vorurteilen – sie treffen maximal zur Hälfte zu. Ja, Ivanka Trump bemühte allerlei Allgemeinplätze und verteidigte ihren Vater. Der sei fest überzeugt von den Fähigkeiten von Frauen. Und dann, streng empirisch: „Ich bin in einem Haus aufgewachsen, in dem es keine Grenzen gab für das, was ich leisten konnte – außer meiner eigenen Ausdauer und Beharrlichkeit.“ Was sie da auf der Bühne absonderte, waren Textbausteine, die erkennen ließen, wie groß ihr aktueller Lernprozess ist. Aber zwischen all den anderen klugen Frauen fiel das kaum ins Gewicht.
Am Ende wurde es ziemlich konkret
Neben Merkel saß IWF-Chefin Christine Lagarde auf dem Podium, außerdem Kanadas Außenministerin Chrystia Freeland, Anne Finucane, Vizechefin der Bank of America, Juliana Rotich, kenianische High-Tech-Gründerin, und Nicola Leibinger-Kammüller, die Chefin eines schwäbischen Maschinenbauunternehmens. Und, na gut, auch noch eine glamouröse Frau: Königin Maxima der Niederlande.
Diese Truppe sorgte dafür, dass es am Ende der anderthalb Stunden tatsächlich ziemlich konkret wurde. Weil Frauenförderung zwar irgendwie ganz schön ist, aber sie vor allem Geld kostet, einigte man sich auf die Gründung eines Förderfonds, um Frauen in Führungsjobs zu bringen. Und das, obwohl nicht einmal Einigkeit in der Frage bestand, ob die Quote für Frauen überhaupt ein wirksames politisches Mittel ist.
Die muntere Frau Leibinger-Kammüller zum Beispiel ist zwar gegen die Quote, regelt die Förderung von Frauen trotzdem. In ihrem Unternehmen, erzählt sie, müsse sie „Frauen regelrecht zwingen in Führungspositionen“. Deshalb gelte ihre ungeschriebene Regel, dass in Endausscheiden um die guten Jobs „mindestens eine Frau“ dabei sein müsse.
Merkel über die Frauenquote
Man hört das und denkt sich, dass auch die patenten Frauen manchmal nicht die klügsten Lösungsansätze haben. Eine Frau? Bei x Bewerbern? Und das auch nur, weil die Chefin das irgendwie gut fände?
Ist Merkel Feministin?
Dass Angela Merkel widersprach, war dann doch auch inhaltlich beruhigend und atmosphärisch anregend. Mit selten gesehener Verve erklärte die Kanzlerin das deutsche Quotengesetz: „Wir haben Unternehmen Jahre gebettelt und gebeten. Die haben sich das Gesetz selbst erarbeitet – durch Nichtstun.“ Johlen im Saal.
Die Moderatorin Miriam Meckel fragte Merkel daraufhin, ob sie sich als Feministin verstehe. Das sich nun bietende Schauspiel wird im Wahlkampf sicher noch häufiger zu sehen sein:
Merkel legt den Kopf schief, zieht die Schultern hoch und macht eine „Wenn ihr mich so fragt“-Schnute. Aus dem Saal kommen Zustimmungsrufe. Sind Sie es nun oder nicht, fragt Meckel. „Ehrlich gesagt, möchte ich … Also, die Geschichte des Feminismus ist eine, da gibt es Gemeinsamkeiten mit mir, und da gibt es auch Unterschiede.“
Es ist eine klasse Merkel-Volte: An meinen Taten sollt ihr mich messen.
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