Vorwürfe gegen US-Kandidat Joe Biden: Besser wär's, er ginge
Die Vorwürfe zu sexuellen Übergriffen gegen US-Präsidentschaftsanwärter Joe Biden verdichten sich. Kann er sie nicht entkräften, wird er gehen müssen.
E s hat eine Weile gedauert, bis der Verdacht früherer sexueller Übergriffe gegen den designierten demokratischen Kandidaten für die US-Präsidentschaft, Joe Biden, ins Bewusstsein der US-Öffentlichkeit gelangt ist. Biden konnte es sich bislang erlauben, persönlich überhaupt nicht zu reagieren, sondern lediglich sein Wahlkampfteam alle Vorwürfe der heute 56-jährigen Tara Reade für frei erfunden erklären zu lassen. Doch das ist nach neuen Indizien vorbei: Reades Erzählung davon, wie der damalige Senator Biden sie 1993 als 29-jährige Mitarbeiterin sexuell bedrängt und zwischen die Beine gefasst habe, ist inzwischen mindestens so glaubwürdig wie jene, die Christine Blasey Ford vor nicht einmal zwei Jahren über den damaligen Kandidaten für den Obersten Gerichtshof, Brett Kavanaugh, zu berichten hatte.
Damals präsentierten sich die Demokrat*innen als die Partei des #MeToo, als jene, die wissen, dass Opfer sexueller Gewalt oft viele Jahre brauchen, um über ihre Erlebnisse sprechen zu können. Unter Hashtags wie #Believethewomen warben sie darum, Frauen Glauben zu schenken und mächtigen Männern ihre sexistischen Übergriffe nicht mehr durchgehen zu lassen. Der Vorwurf, im Vergleich der Fälle Biden und Kavanaugh mit zweierlei Maß zu messen, ist offensichtlich.
Und so mehren sich jetzt die Stimmen jener aus dem demokratischen Lager, die Biden sehr ultimativ auffordern, sich endlich selbst zu verhalten. Von manchen aus dem – noch in Teilen bestehenden – Wahlkampfteam von Bidens Konkurrenten Bernie Sanders heißt es schon, Biden sollte die Kandidatur aufgeben.
Das Problem für die Demokrat*innen ist dabei nicht, dass sich Wähler*innen von Biden ab- und Amtsinhaber Donald „Grab ’em by the pussy“ Trump zuwenden könnten. Dessen Wiederwahl zu verhindern, dürfte vielmehr das Hauptmotiv vieler sein, überhaupt im November zur Wahl zu gehen. Aber wenn Biden nicht irgendeinen überzeugenden Weg findet, mit den Vorwürfen umzugehen, würde es für viele Demokrat*innen zu einer Zumutung, ihm ihre Stimme zu geben. Dann wäre es besser, er ginge. Und zwar gleich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann